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Eckhard Jesse

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Eckhard Jesse (* 1948) ist ein deutscher Politologe. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für politische Systeme, politische Institutionen der Technischen Universität Chemnitz.


Biographie

Forschungsschwerpunkte

Jesses Forschungsschwerpunkte sind die Demokratieforschung, Extremismus- und Totalitarismusforschung, Wahl- und Parteienforschung, politisches System der Bundesrepublik Deutschland sowie die historischen Grundlagen der Politik.

Extremismus & Demokratie

Gemeinsam mit Professor Dr. Uwe Backes vom Dresdner Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung (HAIT) gibt Jesse seit 1989 das renommierte Jahrbuch Extremismus & Demokratie heraus. Das Jahrbuch Extremismus & Demokratie sowie die Schriftenreihe gleichen Namens sind inzwischen zu Standardwerken für Extremismusforscher avanciert. Zum Wissenschaftlichen Beirat des Jahrbuchs gehören bekannte deutsche Politikwissenschaftler: Prof. Dr. Klaus von Beyme (Universität Heidelberg), Prof. Dr. Karl Dietrich Bracher (Universität Bonn), Prof. Dr. Jürgen W. Falter (Universität Mainz) und Prof. Dr. Peter Graf Kielmansegg (Universität Mannheim).

Nach Angaben der Herausgeber will das Jahrbuch "die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Problemkreis des politischen Extremismus fördern":

Die Entwicklung in Deutschland steht im Mittelpunkt. Ereignisse und Konstellationen des jeweils vorausgegangenen Jahres sollen dokumentiert und aufgearbeitet, die neu erschienene Literatur umfassend gewürdigt werden.
Das Jahrbuch will die wissenschaftliche Forschung fördern und zugleich Informationen und Impulse für Praktiker (Politiker, Ministerialbeamte, Sicherheitskräfte, Pädagogen usw.) anbieten. Es versteht sich als Diskussionsforum, Nachschlagewerk und Orientierungshilfe zugleich.

In einer von Uwe Backes und Eckhard Jesse herausgegebenen Schriftenreihe Extremismus & Demokratie im Nomos-Verlag publizierten u.a. Patrick Moreau (der Autor der Konrad-Adenauer-Stiftung schieb unter dem Pseudonym Peter Christian Segall über die Gewerkschaftern, sie hätten die "satanische Qualität gefallener Engel"), Viola Neu, MUT-Autor Armin Pfahl-Traughber, Jürgen P. Lang, Andreas Klump und Christian Menhorn über verschiedene Themen wie beispielsweise Skinheads, Scientology, die DVU oder die PDS.

Am Fachgebiet Politikwissenschaft der TU Chemnitz betreut Jesse ein von der Hanns-Seidel-Stiftung finanziertes Promotionskolleg "Politischer Extremismus und Parteien".

Auch arbeitete Jesse mit umfangreichen Artikeln zu den Themen "Staat in Geschichte und Gegenwart", "Der demokratische Verfassungsstaat" und "Diktatur, Extremismus und Terrorismus" an der 30bändigen "Coron-Enzyklopädie", einer vollständigen Überarbeitung der "Bertelsmann Lexikothek".

NPD-Verbotsverfahren

Jesse war vom Bundesverfassungsgericht als Gutachter im gescheiterten NPD-Verbotsverfahren vorgesehen. In der Zeitung Die Welt äußert er sich skeptisch zu einem NPD-Verbot: "Wozu alle Versuche geführt haben, die NPD mundtot zu machen und zu verbieten, haben wir ja in der Vergangenheit gesehen. Sie gibt es immer noch, und sie konnte sogar nach Jahrzehnten in einen deutschen Landtag einziehen." (Die Welt, 25.1.2005) Die NPD äußerte sich positiv zur Nominierung von Backes und Jesse in einem Email-Rundschreiben vom 10.1.02: „Beide sind in letzter Zeit von ganz links außen unter Beschuß gekommen... Beiden wird auch eine eher konservative Postion vorgeworfen.“

Kontroverse und Kritik

Um das wissenschaftliche Wirken Jesses entstand eine zunehmende und lang anhaltende Kontroverse, die bis heute keinen Abschluss gefunden hat.

Totalitarismus- und Extremismus-Theorie in der Kritik

Eckhard Jesse und sein Kollege Uwe Backes vom Dresdner Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung HAIT gelten als profilierte, aber auch umstrittene Vertreter der Extremismusforschung sowie der Totalitarismustheorie. Auf beiden Forschungsgebieten sorgen sie mit ihren Thesen für kontroverse Diskussionen. Besonders in der radikalen Linken wird die Renaissance der Totalitarismustheorie nach 1990 als Relativierung des Holocaustes abgelehnt. Die vergleichende Diktaturforschung, so der Vorwurf, besitze die Funktion, durch die Gleichsetzung der NS-Dikatur mit der SED-Diktaur, Auschwitz zu relativieren. Die Kritik fokussiert sich vor allem auf den Sammelband "Schatten der Vergangenheit", in dem auch Backes und Jesse die umstrittene These vertraten, der Nationalsozialismus habe in Deutschland einen Modernisierungsschub bewirkt. Zusammen mit Zitelmann und Backes formuliert Jesse zudem in "Was heißt: "Historisierung" des Nationalsozialismus?" aus:

„Vor 1933 ist die Gefährlichkeit Hitlers und seiner Bewegung weithin unterschätzt worden, auch und gerade von seinen Gegnern, obwohl seine machtbewußte Dynamik nur schwer zu übersehen war. Heute hingegen werden marginale Symptome nur eine Aufwertung nationalsozialistischen Gedankenguts oft überzeichnet, abgesehen davon, daß das öffentliche Wirken von Extremisten gerade ein Kennzeichen des demokratischen Verfassungsstaates ist. Die besondere Ghettoisierung und Stigmatisierung von Rechtsextremisten muß hingegen als ein - aus der jüngsten Geschichte erklärliches - Charakteristikum der politischen Kultur der Bundesrepublik gelten“.

Andere Autoren des Sammelbandes forderten, Deutschland solle aus dem "Schatten der Vergangenheit" heraustreten. Zusammen mit Backes und Zitelmann war Jesse in diesem Sinne für eine "Historisierung" des Nationalsozialismus eingetreten. Damit, so politische Linke, wie etwa Konkret- und Freitag-Autor Otto Köhler, wolle Jesse einen Schlussstrich unter die Aufarbeitung der deutschen NS-Geschichte ziehen und einen Anknüpfungspunkt für einen "positiven Nationalismus" schaffen. Auch der ehemalige Direktor des HAIT, Klaus-Dietmar Henke, wollte im Jahre 2003 eine von geschichtsrevisionistischen Interessen geleitete Wissenschaft bei einem Großteil des des Instituts ausmachen, was nicht zuletzt auch in der Einflussnahme "erzkonservativer" Politiker auf die Zusammensetzung des Kuratoriums zu erkennen sei. Jesse et al formulierten doch unter obigem Titel ebenfalls: "Und auch die in der öffentlichen (nicht: in der veröffentlichten) Meinung der Bundesrepublik so beliebte Forderung nach einem »Schlußstrich« unter die NS-Vergangenheit ist nach wie vor nicht akzeptabel."

Jesse und die Neue Rechte

Im Zusammenhang mit dem Ziel der "Historisierung" des Nationalsozialismus wird Jesse die Zusammenarbeit mit Autoren vorgeworfen, die die Kritiker als neu-rechts und geschichtsrevisionistisch einstufen, insbesondere dem umstrittenen Publizisten Rainer Zitelmann. Auch die Verbindung zu dem Politikprofessor und Junge Freiheit-Autor Hans-Helmuth Knütter, der als Förderer Jesses gilt, war Gegenstand von Kritik. Knütter wurde von Kritikern vorgehalten, nach einer fortschreitenden Rechtsentwicklung die erforderliche Distanz zur extremen Rechten verloren zu haben.

Die enge Zusammenarbeit mit Uwe Backes, mit dem Jesses seit 1989 das Jahrbuch Extremismus & Demokratie herausgibt und der seit 1999 stellvertretender Direktor des Dresdner Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung ist, wurde ebenfalls öffentlich kritisiert. 1994 unterzeichnete Jesse und sein Mitarbeiter Backes eine Solidaritätserklärung für den „Wortführer der Neuen Rechten“ (Der Spiegel) Rainer Zitelmann. Nach Protesten der Redaktion wurde Zitelmann als Ressortleiter der Tageszeitung „Die Welt“ abgesetzt. Auch die Reaktion der Presse war zum Teil drastisch. "Die Woche" nannte ihn einen „PR-Mann einer national gesinnten Szene“, "Die Zeit" rügte seine Publikation als ein "widerliches Machwerk", in dem jüdischen KZ-Häftlingen vorgeworfen werde, "ihre Leidenszeit hier und da etwas zu dramatisieren".

1998 kam es zu einem Eklat, als HAIT-Mitarbeiter Lothar Fritze in seiner Antrittsrede die moralische Rechtfertigung des Hitler-Attentäters Georg Elser in Frage stellte. Zwar befürwortete Fritze das Attentat, zweifelte aber an Durchführung und ethischer Begründung. Nachdem sich Backes und Jesse hinter den Mitarbeiter gestellt hatten und eine Distanzierung ablehnten, verliess u.a. der US-amerikanische Historiker Saul Friedländer den Beirat des Instituts und warf dem HAIT eine Relativierung von NS-Verbrechen vor. Der Spiegel schrieb dazu, das HAIT stehe "mancherorts in Verdacht, sich zu einem Think-Tank neokonservativer Überzeugungstäter zu entwickeln, die das Geschichtsbild des Dritten Reiches revidieren wollen.“

Siehe auch

Publikationen

  • Uwe Backes, Eckhard Jesse: Vergleichende Extremismusforschung, Baden-Baden 2005, ISBN 3832909974. Dieser Band enthält die grundlegenden Aufsätze von Backes und Jesse zur Extremismusforschung aus den vergangenen Jahren
  • Uwe Backes, Eckhard Jesse (Hrsg.): Jahrbuch Extremismus & Demokratie (E & D), diverse Bände seit 1989, aktuelle Ausgabe: 16. Jahrgang 2004, Baden-Baden, ISBN 3832909966.
  • Florian Hartleb, Eckhard Jesse: Ein Blick zurück und nach vorne: Faktor Zufall oder kalkulierte Kanzlerstrategie? Die SPD in den Bundestagswahlkämpfen 2002 und 2005, in: Axel Balzer, Marvin Geilich, Shamim Rafat (Hg.): / Politik als Marke - Politikvermittlung zwischen Kommunikation und Inszenierung, Lit-Verlag, Münster 2005.
  • Eckhard Jesse (Hrsg.): Totalitarismus im 20. Jahrhundert : eine Bilanz der internationalen Forschung, 2. erw. und aktualisierte Aufl., Baden-Baden 1999. ISBN 3-7890-5954-4.
  • Eckhard Jesse, Uwe Backes: Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl., Bonn 1996. Standardwerk der Extremismusforschung
  • Eckhard Jesse, Uwe Backes und Rainer Zitelmann : Die Schatten der Vergangenheit. Impulse zur Historisierung des Nationalsozialismus, Berlin 1990, Ullstein Verlag.

Literatur

  • Alexander Ruoff: Verbiegen, Verdrängen, Beschweigen. ISBN 3-89771-406-X
  • Klaus-Dietmar Henke: Interesse und Erkenntnis. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (2003/Heft 3)

Zu Professor Dr. Eckhard Jesse

Kritik an Professor Dr. Eckhard Jesse sowie der Totalitarismus- und Extremismustheorie