Fernschach
Fernschach ist die Spielweise des Schachs, bei der sich die Gegner nicht unmittelbar "Auge in Auge" am Brett gegenüber sitzen, sie sind räumlich getrennt. Die Züge werden per Postkarte, Fax, email oder andere Medien ausgetauscht. Fernschachpartien werden ab und an auch als Korrespondenzpartien bezeichnet.
Eine Fernpartie kann über Wochen, Monate oder Jahre ausgetragen werden. Da inzwischen über Schachserver räumlich getrennte Gegner auch Blitzpartien austragen können, wird der Begriff Fernschach als Bezeichnung von Schachpartien mit sehr langen Bedenkzeiten verwendet.
Traditionell wurden die Züge per Postkarte oder Brief übermittelt. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde vereinzelt auch per Telegraph oder Funk korrespondiert. Es gab sogar schon den Ansatz über eine Telefonzentrale zu spielen.
Im 19. Jahrhundert waren Fernpartien vor allem als Wettkämpfe zwischen Vereinen oder Städten populär, und im Kalten Krieg erfreuten sich Radio-Wettkämpfe zwischen USA und UdSSR großer Aufmerksamkeit.
Die Masse der Partien fand und findet jedoch zwischen Einzelspielern statt.
Notation
Im Fernschach wird manchmal noch die früher übliche sogenannte algebraische Notation verwendet: Dabei werden nur die beiden Felder benannt, auf denen die Figur stand und landet, wobei die Linien nicht mit Buchstaben, sondern Ziffern bezeichnet werden. Der Zug e2-e4 beispielsweise lautet dann 5254, statt Dd8xa5 schreibt man 4815. Beim Fernschach per E-Mail setzt sich aber immer mehr die Portable Game Notation (PGN) durch, die beim IECG zum Standard gehört.
Bedenkzeit
Die Bedenkzeit wird im Fernschach in Tagen gemessen. Abhängig vom Verband hat man für 10 Züge 30 bis 60 Tage Bedenkzeit zur Verfügung, wobei zumindest bei Postturnieren noch die Brieflaufzeit hinzukommt. Aufgrund der Postlaufzeiten, die noch vor wenigen Jahren in den Ostblock oder nach Südamerika hin und zurück mehrere Wochen betragen konnten, bestand die Möglichkeit zu sehr tiefen und gründlichen Analysen.
Heute steht als Übertragungsmittel Fax, E-Mail oder Schachserver zur Verfügung. So entfällt die Brieflaufzeit, was die Dauer einer Fernpartie erheblich verkürzt. Auf Schachservern wird die Bedenkzeit mittlerweile minutengenau gemessen und die durchschnittliche Partiedauer liegt nicht mehr bei einem Jahr, sondern bei mehreren Monaten.
Zugübermittlung
Postkarte
Traditionell wurden die Züge per Postkarte oder Brief übermittelt.
Häufig verwendete man vorgedruckte Postkarten. Hier trug man auf einem "Formular" die vorgeschiebenen Daten ein:
- letzter Zug des Gegners
- eigener Antwortzug
- gegebenenfalls Eventualzüge
- Poststempeldatum der gegenerischen Postkarte
- Datum der Ankunft der gegnerischen Postkarte
- Datum der Absendens der eigenen Postkarte
- Bedenkzeit des Gegners beim letzten Zug sowie dessen gesamte bisherige Bedenkzeit
- eigene Bedenkzeit beim aktuellen Zug sowie die eigene gesamte bisherige Bedenkzeit
- bei Bedarf Urlaubsankündigung (Urlaub von der Partie)
- gegebenenfalls Remisangebot, Annahme oder Ablehnung des gegnerischen Remisangebotes, Aufgabe der Partie
Die Züge notierte man in der Regel in der algebraischen Notation.
Da man oft gleichzeitig gegen mehrere Gegner spielte, summierten sich die Portokosten zu einem beachtlichen Betrag. Um hier Kosten zu sparen nutzten viele deutsche Fernschachspieler den verbilligten Tarif "Drucksache" der Deutschen Post aus. Dazu waren auf der Postkarte ausser den Anschriften des Empfängers und des Absenders keine handschriftlichen Eintragungen zugelassen. Daher benutzte man Stempel, mit denen man die erforderlichen Daten auf die Postkarte stempelte.
Einige deutsche Fernschachspieler versuchten Kosten einzusparen, indem sie die kostenlose Kontoführung von einigen Banken und Sparkassen ausnutzten. Sie vereinbarten bei nationalen Turnieren, auf die Postkarte zu verzichten und statt dessen die Züge auf den Kommentarfeldern von Banküberweisungsbelegen zu übermitteln; man überwies kleinere Geldbeträge hin und her. Dies sparte zwar tatsächlich Kosten, allerdings waren die Banklaufzeiten meist höher als die Postlaufzeiten, das heisst die Partien verlängerten sich.
Ferner kann man Kosten und Partiedauer verringern, indem man dem Gegner Eventualzüge vorschlägt. Insbesondere wenn der Gegner nur einen einzigen vernünftigen Antwortzug hat, kann man sinngemäss schreiben: Ich ziehe nun Lb5+. Falls Du mit Ld7 antwortest spiele ich im nächsten Zug Dd2. Auch längere Eventualzugfolgen kann man vorschlagen.
Fax, E-Mail, Schachserver
Seit etwa 1990 wurde das Postkartenschach fast völlig von den Medien Fax, Telefon, E-Mail und Schachservern in den HIntergrund gedrängt. Die Verbreitung des Internets hat nicht nur allgemein zugenommen, sondern ist vor allem bei den Schachspielern fast aller Altersgruppen überdurchschnittlich angestiegen, daher finden heute auch bei den Fernschachverbänden fast aussschließlich E-Mail-Turniere statt.
Organisation
Nationale Turniere
Die nationalen Turniere werden von den nationalen Fernschachverbänden organisiert. In Deutschland ist dies der Deutsche Fernschachbund, die Nachfolgeorganisation des Bundes Deutscher Fernschachfreunde (BdF), der am 25. August 1946 in Frankfurt/Main gegründet wurde. Er bietet Auf- und Abstiegsturniere für Einzelspieler und Mannschaften an, organisiert die Deutsche Meisterschaft und veranstaltet weitere Turniere wie Pokalturnier, Allgemeine Turniere, Thematurniere usw.
Diese Turnierformen ermöglichen es Schachspielern jeder Spielstärke, adäquate Spielpartner zu finden.
Daneben veranstaltet der Deutsche Fernschachbund jährlich ein Treffen für die Mitglieder und deren Angehörige.
Internationale Turniere
ICCF
Internationale Turniere werden vom Welt-Fernschach-Verband International Correspondence Chess Federation (ICCF) veranstaltet. Dieser wurde 1928 gegründet.
Die Turnierstruktur ist hier ähnlich wie bei den nationalen Turnieren. Es finden Auf- und Abstiegsturniere statt. Ferner organisiert der ICCF die Europa- und Weltmeisterschaften sowie die Fernschacholympiaden.
Die ICCF-Weltmeisterschaft besteht traditionell aus etwa einem Dutzend Semifinals, zwei oder drei nachfolgenden Kandidatenturnieren und schließlich dem Finalturnier. Seit einigen Jahren werden die Weltmeisterschaften abwechselnd als traditionelle Post- und E-Mail-Turniere gestartet. Erster Fernschach-Weltmeister wurde 1953 Cecil Purdy (Australien), derzeitiger (18.) Weltmeister ist Joop van Oosterom (Niederlande) (Jahr 2005).
IECG
Als zweiter internationaler Fernschach-Verband hat sich seit Mitte der 1990er Jahre der IECG ("International Email Chess Group") etabliert, der inzwischen ebenfalls Weltmeisterschaften und Teamturniere anbietet.
Wertungszahlen National und International
Nach einer Mindestzahl von Partien in Turnieren erhalten die Spieler wie im Nahschach eine Wertungszahl. In die Wertungszahl fließen die erreichten Punkte in einem Turnier und die Wertungszahlen der Gegner ein. National gibt es die Fernschach-Wertungszahl (FWZ) und international die Fernschach-Elo-Zahl, wobei jeder Verband meist ein eigenes Wertungssystem besitzt. Nach Wertungszahlen kann das Spielstärkeniveau festgestellt werden. Die Durchschnitte der Wertungszahlen der Kontrahenten regeln nach Kategorieziffern, wieviele Punkte ein Spieler erreichen muss, um beispielsweise eine Norm für den Titel "Internationaler Meister" zu bekommen.
Besonderheiten
Beim Fernschach sind naturgemäß einige Regeln des Nahschachs außer Kraft gesetzt:
- Die Regel "berührt - geführt" gilt nicht. Bei Abgabe eines unkorrekten Zuges muss die quasi berührte Figur nicht gezogen werden.
- Hilfestellungen sind erlaubt, z.B. gemeinsame Analyse mit Anderen, Benutzen von Schachliteratur, Schachdatenbanken und auch Schachprogramme dürfen benutzt werden.
Fernschach und Computer
Computer und Schachprogramme (z.B. ChessBase) haben das Fernschach in den letzten Jahren erheblich verändert. Neben fundiertem Schachverständnis gewinnt die Fähigkeit, Computeranalysen zu interpretieren und zu steuern zunehmend an Gewicht. Der Einfluss der Computeranalysen auf die Spielstärke ist umstritten, aber kaum ein Spitzenspieler kann es sich mehr leisten, komplett auf Computerunterstützung zu verzichten. Zumindest grobe taktische Fehler sind somit aus der Turnierpraxis beinahe völlig verschwunden.
Durch den vermehrten Einsatz von Computern hat das Fernschach allgemein binnen weniger Jahre ein taktisches Niveau erklommen, das zuvor der Weltspitze vorbehalten war.
Andererseits hat das auch dazu geführt, dass durch den Spielstärkezuwachs der Schachprogramme auch die Begeisterung einiger Schachspieler für das Fernschach nachgelassen hat, weil sie nicht nur gegen Maschinen spielen wollen.
Die ICCF-Fernschachweltmeister
- 1. Cecil Purdy (1953, AUS)
- 2. Wjatscheslaw Ragosin (1959, UdSSR)
- 3. Alberic O'Kelly de Galway (1962, BEL)
- 4. Wladimir Sagorowski (1965, UdSSR)
- 5. Hans Berliner (1968, USA)
- 6. Horst Rittner (1971, DDR)
- 7. Jakow Estrin (1976, UdSSR)
- 8. Jørn Sloth (1980, DEN)
- 9. Tõnu Õim (1983, UdSSR)
- 10. Victor Palciauskas (1984, USA)
- 11. Fritz Baumbach (1989, DDR)
- 12. Grigori Sanakojew (1991, RUS)
- 13. Mikhail Umansky (1998, RUS)
- 14. Tõnu Õim (2000, EST)
- 15. Gert Jan Timmerman (2002, NIE)
- 16. Tunc Hamarat (2004, AUT)
- 17. Turnier noch nicht beendet!
- 18. Joop van Oosterom (2005, NIE)
Das Finale der 17. Fernschachweltmeisterschaft läuft noch. (Stand: 07.Februar 2005)
Derzeit laufen bereits die Finals der 19. und 20. Fernschachweltmeisterschaft.
Die ICCF-Fernschachweltmeisterinnen
- 1. Olga Rubzowa (1972, UdSSR)
- 2. Lora Jakowlewa (1977, UdSSR)
- 3. Luba Kristol (1984, ISR)
- 4. Ludmila Belavenets (1992, RUS)
- 5. Luba Kristol (1998, ISR)
Die IECG-Fernschachweltmeister
Die Jahreszahl entspricht dem Jahr des Starttermins.
- 1. Simon Webb (1996, ENG)
- 2. Martin Pecha (1997, AUT)
- 3. Juan Sebastian Morgado (1998, ARG)
- 4. Wilfried Braakhuis (1999, HOL)
- 5. Albrecht Fester (2000, GER)
- 6. Istvan Sinka (2001, HUN)
- 7. Jorge Rodriguez (2002, ARG)
Das Finale der 2003-Meisterschaft ist gestartet aber noch nicht beendet.