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Klassenkampf

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Illustration einer bürgerlichen Klassengesellschaft
Aufruf zum Klassenkampf 2010

Der Begriff Klassenkampf beschreibt in der marxistischen Theorie die sozialen und politischen Konflikte zwischen den gesellschaftlichen Klassen, als deren Ursache gegensätzliche (antagonistische) Interessen angesehen werden. Im Klassenkampf manifestiert sich nach Karl Marx der Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen als Klassengegensatz. Er führe schließlich mit dem Umsturz der bestehenden Klassenherrschaft die revolutionäre Umwälzung der Produktionsverhältnisse herbei.

Klassenkampf nach Marx und Engels

Mit dem Satz „Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen“ eröffnen Karl Marx und Friedrich Engels - nach der kurzen Einleitung - das erste Kapitel des Manifests der Kommunistischen Partei.[1] Ihnen zufolge ist die bisherige Geschichte der Menschheit eine Abfolge von Kämpfen unterschiedlicher Klassen gegeneinander um die Herrschaft, genauer: um die Verfügung über die Produktionsmittel, in der jeweiligen Gesellschaft.

Lediglich in den ursprünglichen Gemeinwesen („Urkommunismus“) mit „Stammeigentum“, gemeinsamer Produktion und Aneignung hatte es noch eine klassenlose Gesellschaft gegeben. Diese beruhte darauf, dass kaum ein Mehrprodukt erzeugt wurde und sich daher alle Mitglieder der Gesellschaft an der Produktion für das Lebensnotwendige beteiligen mussten, so dass keine großen Hierarchie-Unterschiede in der Gesellschaft entstehen konnten.

Das Aufkommen des Klassenkampfes wird als eine Folge der sich herausbildenden Klassengesellschaft gesehen. Indem es der Gesellschaft gelang, die Produktivkräfte weiterzuentwickeln und ein den unmittelbaren Konsum (Subsistenz) übersteigendes Mehrprodukt zu schaffen, konnte dieses von einer Minderheit angeeignet und für andere Zwecke als die der unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung genutzt werden. Daraus entwickelte sich eine besondere Machtstellung, die sich mehr und mehr verselbständigte. So entstand die herrschende Klasse gegenüber den unmittelbar Arbeitenden. Die Produktionsweise des „Urkommunismus“ zerfiel und wich den Produktionsweisen der verschiedenen aufeinander folgenden Klassengesellschaften. Die für den okzidentalen Raum von Marx und Engels in der Deutschen Ideologie[2] entwickelte Periodisierung von antiker, feudaler und kapitalistischer Produktionsweise hat Marx später (in den Grundrissen[3]) durch die asiatische Produktionsweise ergänzt.

Nimmt die herrschende Klasse zunächst eine produktive Funktion in der Entwicklung der Produktivkräfte ein, wird sie im weiteren Verlauf zu ihrer Fessel, so dass die historische Notwendigkeit der herrschenden Klasse in Frage gestellt wird. Die unteren Klassen empfinden die herrschende Klasse mehr und mehr als überflüssig, während diese ihre Vorrechte zu verteidigen sucht. Laut historischem Materialismus wächst die Wahrscheinlichkeit von Revolution, wenn die Entfaltung der Produktivkräfte durch die herrschenden Produktionsverhältnisse mit der jeweiligen herrschenden Klasse behindert wird. Die Weiterentwicklung der Produktivkräfte ist der Motor, der zur Umwälzung der Produktionsverhältnisse und damit zum Sturz der herrschenden Klasse führt. Eine neue Klasse ergreift die Macht und etabliert neue Produktionsverhältnisse. So ist die Geschichte der Menschheit eine Geschichte aufeinanderfolgender Klassengesellschaften. Die letzte Klassengesellschaft soll der Kapitalismus sein, im Verlauf dessen Entwicklung die Produktivkräfte soweit entwickelt werden, dass die Möglichkeit einer klassenlosen Gesellschaft entsteht, diesmal im Unterschied zum Urkommunismus als mehr oder weniger bewusst herbeigeführte Gesellschaft.

Begriffsgeschichte

Den französischen Historiker Augustin Thierry[4] hatte Karl Marx als den Vater des Klassenkampfes in der französischen Geschichtsschreibung bezeichnet.[5] Marx nimmt für sich selbst lediglich in Anspruch, die Verwurzelung der sozialen Klassen in den Produktionsverhältnissen einer bestimmten Gesellschaftsformation nachgewiesen zu haben: „Was mich nun betrifft, so gebührt mir nicht das Verdienst, weder die Existenz der Klassen in der modernen Gesellschaft noch ihren Kampf unter sich entdeckt zu haben. Bürgerliche Geschichtsschreiber hatten längst vor mir die historische Entwicklung dieses Kampfes der Klassen, und bürgerliche Ökonomen die ökonomische Anatomie derselben dargestellt. Was ich neu tat, war 1. nachzuweisen, daß die Existenz der Klassen bloß an bestimmte historische Entwicklungsphasen der Produktion gebunden ist; 2. daß der Klassenkampf notwendig zur Diktatur des Proletariats führt; 3. daß diese Diktatur selbst nur den Übergang zur Aufhebung aller Klassen und zu einer klassenlosen Gesellschaft bildet.“[6]

Klassenkampf im Kapitalismus

Verteilung des Nettovermögens der privaten Haushalte im Jahre 2003 in Deutschland. Sie lässt nur mittelbare Schlüsse auf Klassenbildung und Klassenkampf zu.

Karl Marx hat die Klassenkämpfe der Gesellschaft seiner Zeit näher untersucht. Im Kapitalismus stehen sich die Klassen der Proletariern als Besitzer von Arbeitskraft und die Kapitalisten als Besitzer der Produktionsmittel in einem antagonstischen Interessengegensatz gegenüber, der zum Klassenkampf führt.

Ausgangspunkt für den Klassenkampf im Kapitalismus ist nach Marx das ökonomische Interesse des Kapitals, die Differenz zwischen der geleisteten Arbeitszeit der Beschäftigten und der bezahlten Arbeitszeit - den so genannenten Mehrwert - ständig zu erhöhen. Der Mehrwert entspringt der Differenz zwischen dem von den Arbeitern geschaffenen Wert (der dem Kapitalisten als Eigentümer der Produktionsmittel gehört) und den ihnen für die Verfügung über ihre Arbeitskraft gezahlten Lohn. Daraus entspringt der stetige „Heißhunger des Kapitals nach Mehrarbeit“: Zur Steigerung der Mehrwertrate wird der Arbeitslohn im Verhältnis zum Ertrag der Arbeitsleistung gesenkt.

Die einfachste Form ist dabei die Verlängerung des Arbeitstages bei gleich bleibendem Lohn (absoluter Mehrwert). Da diese an – physische und rechtliche – Schranken stößt, wird der technische Fortschritt zum Hebel des Klassenkampfes: Die Arbeit produktiver zu machen – und intensiver verausgaben zu lassen – dient der Verbilligung der Arbeitskraft (relativer Mehrwert). Der technische Fortschritt beeinflusst die Arbeit und die Produktionsverhältnisse.

Durch die Veränderung in den Produktionskräften und weil sie immer noch am Rande der Armut leben, werden sich die Mitglieder der Arbeiterklasse bewusst, dass sie gemessen an den Möglichkeiten, welche die Produktivkräfte inzwischen bieten, ausgenutzt werden. Zunächst fordern sie erst mal „nur“ ihren Anteil am von ihnen geschaffenen Wert. Durch dieses Bewusstwerden in wirtschaftlichen Klassenkämpfen engagieren sich die Arbeiterklassen in einer gemeinsamen politischen Aktion.

Laut Marx kann eine solche Konstellation zu nichts anderem führen als zu einem ständigen Klassenkampf zwischen der Arbeiterklasse mit dem Wunsch nach einer Veränderung der Produktionsverhältnisse und der Kapitalistenklasse mit dem Wunsch nach Erhaltung des Status Quo. Gelingt es der Arbeiterklasse, das Kapital zu stürzen und die klassenlose Gesellschaft einzuführen, dann wird diesmal – hegelianisch gesprochen – die Klassengesellschaft wieder durch die klassenlose Gesellschaft negiert. Dies wäre dann die zweite Negation in der Geschichte der Klassenkämpfe, eine Negation der Negation im Sinne der Dialektik.

Klassenkampf als Triebfeder der gesellschaftlichen Entwicklung

Siehe ausführlich in Historischer Materialismus.

Der französische Soziologe Raymond Boudon wirft den marxistischen Soziologen einen überzogenen Anspruch vor, sie besäßen die beste bzw. glaubwürdigste Theorie, um soziale Prozesse der Transformation zu erklären. Ihnen hält er elementare Beispiele für alternative Erklärungsmöglichkeiten entgegen.[7]

Streikbewegungen, Aufstände und Revolutionen (Chronologie)

Die Liste zählt nicht nur Aufstände und Revolutionen nach traditionellen und marx'schen Vorstellungen auf. Nicht berücksichtigt werden nationale Befreiungsaufstände, ethnische und religiöse Konflikte sowie antikoloniale Revolutionen.

Antike

Mittelalter

Neuzeit

Literatur

von Karl Marx:

weiterführende Literatur
  • Louis Adamic, Dynamit: Geschichte des Klassenkampfs in den USA (1880–1930). [Übers. aus dem Amerikan.: Thomas Schmid und Joschka Fischer]. Trikont, München 1974 (Klassische Darstellung der militanten Klassenkämpfe in den USA).
  • Jeremy Brecher: Streiks und Arbeiterrevolten. Amerikanische Arbeiterbewegung 1877-1970. Fischer, Frankfurt am Main 1975.
  • Colin Crouch, Alessandro Pizzorno, (Hrsg.): The Resurgence of Class Conflict in Western Europe Since 1968. Band 1: National Studies. Band 2: Comparative Analyses. Macmillan, London 1978.
  • Klaus Tenfelde/Heinrich Volkmann (Hrsg.): Streik. Zur Geschichte des Arbeitskampfes in Deutschland während der Industrialisierung. Beck, München 1981.
Nachschlagewerk
  • The International Encyclopedia of Revolution and Protest: 1500 to the Present, ed. by Immanuel Ness, Malden, MA [etc.]: Wiley & Sons, 2009, ISBN 1405184647.

Nachweise

  1. Marx-Engels-Werke, Band 4. Dietz Verlag, Berlin 191959, S. 462.
  2. Marx-Engels-Werke, Band 3. Dietz Verlag, Berlin 1962, S. 22 ff.
  3. Vgl. den Abschnitt "Formen, die der kapitalistischen Produktion vorhergehn", in: Karl Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie. EVA, Frankfurt am Main o.J., S. 375 ff.
  4. Augustin Thierry: Recueil des monuments inédits de l'histoire du Tiers état
  5. Karl Marx, Brief an Friedrich Engels, 27. Juli 1854. In: Karl Marx, Friedrich Engels, Werke (MEW), Berlin 1953ff., Band 28, S. 380–385. Zitat S. 381.
  6. Brief an Joseph Weidemeyer, 5. März 1852 in: Karl Marx, Friedrich Engels, Werke (MEW), Berlin 1953ff., Band 28, S. 503–509, Zitat S. 507–508.
  7. Raymond Boudon: La logique du social. Introduction à l'analyse sociologique. Hachette Littérature 1979. S. 196
  8. siehe Balestrini, Moroni 1994: 161ff.
  9. Peter Borowsky: Große Koalition und Außerparlamentarische Opposition. In: Informationen zur politischen Bildung