Friedensvertrag von Versailles
Der am 28. Juni 1919 unterzeichnete Vertrag von Versailles stellt das offizielle Ende des Ersten Weltkriegs dar. Der Vertrag von Versailles ist der wichtigste der Pariser Vorortverträge und behandelt den Friedensschluss mit Deutschland. Weitere Vororteverträge sind unter anderem der Vertrag von Trianon über den Friedenschluss mit Ungarn und der Vertrag von St. Germain über den Friedensschluss mit Österreich. Der Vertrag konstatierte in Artikel 231 (Kriegsschuldartikel) des Vertrages die alleinige Kriegsschuld des Deutschen Reichs und verurteilte Deutschland zu Reparationszahlungen an die Siegermächte.
Geschichtliches Umfeld
Nachdem die Weiterführung des Krieges dem deutschen Generalstab unter Erich Ludendorff aussichtslos erschien, wurde den Parteien des "Interfraktionellen Ausschusses" (SPD, Zentrum, Fortschrittliche Volkspartei) das Mandat zu Waffenstillstandsverhandlungen erteilt. Jene Parteien hatten sich schon am 17. Juli 1917 für einen Verständigungsfrieden eingesetzt, und die deutsche Führung hoffte, durch sie bessere Bedingungen auszuhandeln. Insofern führten die Kriegsgegner, nicht die -verursacher die Verhandlungem; hieraus entwickelte sich später die Dolchstoßlegende.
Deutschland war von den Versailler Verhandlungen ausgeschlossen. Die am 7. Mai 1919 bekanntgemachten Bedingungen wurden von der ersten Regierung der Weimarer Republik als unannehmbar abgelehnt. Aufgrund einer fortgesetzten Wirtschaftsblockade Deutschlands sowie einer Kriegsdrohung der Siegermächte unterzeichneten dann am 28. Juni 1919 Aussenminister Hermann Möller (SPD) und Postminister Johannes Bell (Zentrum) den Vertrag.
Weiten Teilen der deutschen Bevölkerung erschien der Vertrag als ein Willkürakt. Diese Gefühl der Erniedrigung nutzten am Ende der Weimarer Republik die NSDAP aus.
Die USA ratifizierte den Vertrag von Versailles nicht.
Im Versailler Vertrag wurden zunächst unrealistisch hohe Reparationszahlungen festgesetzt. Als diese nicht geleistet wurden, rückten am 9. Januar 1923 französische und belgische Truppen ins Ruhrgebiet ein, um die Forderungen in Form von Gütern (Steinkohle) direkt einzutreiben. Die Reichsregierung rief daraufhin am 19. Januar den passiven Widerstand, den Ruhrkampf aus, wodurch die Besatungskosten höher als der Wert der beschlagnahmten Güter waren; allerdings waren die Kosten für Deutschland ebenfalls immens.
Erst auf Druck von Großbritanien und den USA lenkte Frankreich ein und es wurden schließlich im Dawes-Plan 1924 vorläufige Angaben über Höhe, Zusammensetzung und Sicherung der Reparationszahlungen gemacht. Dazu wurde unter anderem ein "Reparationsagent" mit Sitz in Berlin eingesetzt. 1929 wurden im Young Plan die Reparationszahlungen an die USA um 59 Jahre (also bis 1988) verlängert. Auf Grund der katastrophalen wirtschaftlichen Lage wurden 1932 auf der Konferenz von Lousanne die Reparationszahlungen aufgehoben. Dies war nicht etwa Hitler, wie vielfach behauptet, zu verdanken, sondern geht vor allem auf die strikte Deflationspolitik von Reichskanzler Brüning zurück.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde im Londoner Schuldenabkommen die weiteren Rückzahlung geregelt und die Schulden halbiert. Bis etwa 1983 zahlte die Bundesrepublik diese Schulden zurück. Allerdings wurden Zinsen in Höhe von 251 Millionen Mark aus den Jahren 1945 bis 1952 bis zur Wiedervereinigung Deutschlands ausgesetzt und schließlich im Jahre 1990 fällig. Die Bundesregierung gab darauf Fundierungsanleihen aus, die bis 2010 aus dem Bundeshaushalt getilgt werden. Tilgung und Zinsen betragen pro Jahr etwa 4 Millionen Euro.
Territoriale Bestimmungen
Deutschland musste zahlreiche Gebiete abtreten, darunter große Gebiete im Osten (die dann an den neuen Staat Polen übergingen) sowie seinen gesamten Kolonialbesitz dem Völkerbund unterstellen. Im Westen musste Elsass-Lothringen an Frankreich und das Gebiet Eupen-Malmedy an Belgien abgetreten werden. Die Vereinigung Deutschlands mit Österreich wurde untersagt.
Deutsche Gebietsverluste durch den Versailler Vertrag
1. Sofort abgetretene Gebiete:
- Elsass-Lothringen (an Frankreich)
- Westpreußen (ohne Danzig) und Posen (an Polen)
- Hultschiner Ländchen (an die Tschechoslowakei)
- Memelland (an Litauen)
2. Nach Abstimmung abgetreten:
- Nordteil von Schleswig (an Dänemark)
- Ostteil von Oberschlesien (an Polen) (obwohl 60% der Oberschlesier gegen den Anschluss an Polen stimmten)
- Eupen-Malmedy (an Belgien; ursprünglich ohne Abstimmung, später stark verfälschte Scheinabstimmung zur Bestätigung des erlangten Status Quo)
3. Nach Abstimmung bei Deutschland geblieben:
- Südteil Schleswigs
- Westteil Oberschlesiens
- Südteil Ostpreußens
4. Dem Völkerbund unterstellt:
- Saargebiet
- Politisch dem Völkerbund unterstellt
- Wirtschaftlich zu Frankreich
- nach 15 Jahren Abstimmung der Bevölkerung über Landeszugehörigkeit
- Danzig (Freie Stadt)
- Kolonien
5. Entmilitarisierte Gebiete:
Kriegsschuldartikel (Artikel 231)
Der Vertrag wies allein dem Deutschen Reich und seinen Verbündeten die Verantwortung für den 1. Weltkrieg zu. Aus diesem Grund wurde Deutschland zu Reparationszahlungen an die Siegermächte verpflichtet. Diese einseitige Schuldzuweisung, vom Deutschen Reich stets zurückgewiesen, hat in den direkt folgenden Jahren und auch später zur Kriegsschulddebatte geführt. Politiker und Historiker beurteilen die Ursachen zum 1. Weltkrieg heute differenzierter, als es in dieser Schuldzuweisung ausgedrückt wird.
Militärische Bestimmungen
Deutschland wurden weitgehende Beschränkungen auferlegt:
- Berufsarmee mit max. 100 000 Mann
- keine allgemeine Wehrpflicht
- Marine mit 15 000 Mann
- keine schweren Waffen, wie U-Boote, Panzer, Schlachtschiffe oder Flugzeuge
- Entmilitarisierung des Rheinlands (50-km-Streifen östlich des Rheins)
Völkerbund
Außerdem sah der Vertrag die Gründung des Völkerbunds vor, eines der erklärten Ziele des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson.
Folgen des Vertrages
Der Vertrag von Versailles kann zusammen mit der wirtschaftlichen Notlage, bedingt durch die hohen Reparationszahlungen und die Weltwirtschaftskrise als einer der Hauptgründe für die politische Radikalisierung der Weimarer Republik und schließlich den Übergang in die nationalsozialistische Diktatur (Drittes Reich) angesehen werden. Nationalistische und rechte Gruppen warfen der Weimarer Regierung vor, durch die Annahme der Vertragsbedingungen die Interessen Deutschlands verraten zu haben und forderten eine Revision des Vertrags.
Die durch den Versailler Vertrag begründeten schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen und die außenpolitische Isolation Deutschlands versuchte Walther Rathenau im Vertrag von Rapallo zu entschärfen. Darin wurde zumindest das Verhältnis zur Sowjetunion normalisiert und auf gegenseitige Ansprüche verzichtet.
Siehe auch: Bundesstaaten des Deutschen Reichs