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Orgel

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Orgelfront
Orgelprospekt

Das Musikinstrument Orgel ist spieltechnisch ein Tasteninstrument. Vom Klangerzeugungsprinzip ist es entweder ein Aerophon oder ein Elektrophon.

Aufbau

Vom Aufbau her setzt sich die Orgel typischerweise aus Werken zusammen. Jedes einzelne Werk wird durch eine eigene Tastatur (Manual) am Spieltisch gesteuert, wobei das Pedalwerk über eine gröbere Fußtastatur bedient wird. Die einzelnen Werke weden entweder nach ihrem Standort benannt ("Rückpositiv" im Rücken des Spielers in der Emporenbrüstung; "Brustwerk" direkt vor dem Spieler; "Oberwerk") oder über ihre Funktion ("Hauptwerk" als lautestes Werk; "Schwellwerk" als an- und abschwellbares Werk; Pedalwerk s.o.; "Fernwerk" an einem weit von der Hauptorgel entfernten, versteckten Standort). Die Aufteilung in Werke kann, muß aber nicht am Äußeren der Orgel ablesbar sein.

Große Orgeln bestimmen oftmals mit der Gestaltung ihres Gehäuses (~Orgelprospekt) die Wirkung des Raums, in dem sie aufgestellt sind. In Kirchen beherrschen sie oftmals die Rückwand; die evangelische Kirche hat regional auch Formen der Aufstellung im Chor gefunden. In Konzertsälen ist die Orgel meist an der Wand über dem Orchesterpodium angebracht.

In der Renaissance zeigt sich die Bedeutung, die diesem optischen Aspekt beigemessen wurde, daran, dass nicht selten die Kosten für das Orgelgehäuse (mit Skulpturenschmuck, Ornamentschnitzwerk, Gemälden und Vergoldung) jene des Orgelwerks überstiegen.

Register

Eine Orgel hat in jedem ihrer Werke mehrere Register (Sätze von Orgelpfeifen jeweils gleicher Klangfarbe), z. B.: Principal 8' (sprich: acht Fuß), Octave 2', Trompete 8'. 16', 8', 4', 2' waren ursprünglich Längenangaben in Fuß und Zoll für die tiefste Pfeife des jeweiligen Registers. Mittlerweile orientiert sich die Fußlänge an der Obertonreihe und den pythargoräischen Verhältnissen der Intervalle.

32'    = die Taste klingt zwei Oktaven tiefer als notiert
16'    = die Taste klingt eine Oktave tiefer als notiert
8'     = normale Tonhöhe (ohne Transposition) 
4'     = die gleiche Taste klingt mit diesem Register eine Oktave höher 
2 2/3' = die gleiche Taste klingt eine Oktave und eine Quinte höher 
2'     = die gleiche Taste klingt zwei Oktaven höher 
1 3/5' = die gleiche Taste klingt zwei Oktaven und eine Terz höher 
1 1/3' = die gleiche Taste klingt zwei Oktaven und eine Quinte höher
1 1/7' = die gleiche Taste klingt zwei Oktaven und eine Septime höher
1'     = die gleiche Taste klingt drei Oktaven höher

Mehrfachregister

Die Mixturen, z. B. "Mixtur 2' 4-fach" haben keinen einzelnen Ton, sondern bilden eine Gruppe von zwei bis zu sieben hohen (Ober)tönen, die immer gleichzeitig erklingen. Bei obiger 4-fach Mixtur wäre das 2' + 1 1/3' + 1' + 2/3'. Dadurch wird die strahlende Schärfe des Orgelklangs erzeugt.

Bauart der Pfeifen

Die Orgelregister lassen sich in zwei Bauarten einteilen:

Labialpfeifen

die Labialpfeifen (Lippenpfeifen), deren Klangerzeugung darauf beruht, dass ein Luftstrom aus dem Pfeifenfuß durch einen schmalen Spalt gegen eine scharfe Kante, das Labium, geblasen wird. Sie funktionieren ähnlich wie die Blockflöte. Die Register dieser Gruppe unterscheiden sich im Material (Holz oder verschiedene Metalllegierungen), in den relativen Abmessungen von Durchmesser zu Länge ("Mensur"), ob sie oben offen oder geschlossen ("gedackt") sind und in anderen baulichen Details, die sich sämtlich auf den Klang auswirken. Man kann die wichtigsten Labialpfeifen nach der Bauart etwa wie folgt einteilen:

  • Zylindrische offene Stimmen mittlerer Mensur bilden einen Ton, der mit einem vollen Klang, in den Mixturen silbern glänzend dem allgemeinen bekannten Orgelton entspricht. Häufig verwendete Namen sind hier "Prinzipal", "Oktave", ebenso die Mehrfachregister "Mixtur", "Scharf" und "Zimbel", auch die meisten Einzelaliquote wie "Quinte", "Terz".
  • Zylindrische offene Stimmen von weiter Mensur haben einen vollen, weniger scharfen Klang. Namen unter anderem "Hohlflöte", "Waldflöte", "Nachthorn"
  • Zylindrische offene Stimmen von enger Mensur sind schärfer mit einem schwächeren Klang. Da der Klang an Streichinstrumente erinnert, hat man den Registern entsprechende Namen gegeben: "Viola", "Violine", "Salizional". Hierzu gehören auch meist die schwebenden Stimmen (zweifachstimme, die etwas gegeneinander verstimmt ist) wie "Vox celeste" "Unda maris"
  • Zylindrisch konisch verstärkt einzelne Obertöne, dadurch ergibt sich eine eigentümliche Helligkeit. "Spitzflöte" "Blockflöte" "Gemshorn"
  • Umgekehrt konische Stimmen sind etwas herb, wie "Dulzian" "Dolkan" "Salizional"
  • Zylindische Gedackte. Alle gedackten Pfeifen haben nur die halbe Länge einer offenen Pfeife, weil die Schwingung am geschlossenen Ende reflektiert wird. Dafür hat die Gedacktpfeife aber auch nur die Hälfte der Obertöne. Als Namen tauchen hier auf "Gedackt" in allen Varianten, "Bordun", "Subbaß". Der Klang ist voll und hauptsächlich auf den Grundton zurückzuführen.

Neben diesen existieren noch viele weitere Sonderformen.

Lingualpfeifen

Die andere Gruppe der Orgelpfeifen sind die Lingual- oder Zungenpfeifen, bei denen der Luftstrom eine Metallzunge in Schwingungen versetzt. Diese Metallzunge schwingt entweder wie beim Harmonium durch eine genau gleich große Öffnung hindurch ("durch-" oder "einschlagende" Zungenstimme) oder schlägt auf einen etwas größeren Rahmen auf ("aufschlagende" Zungenstimme). Einschlagende Zungenstimmen sind selten zu finden. Die Zungenstimmen unterscheiden sich ebenfalls in der Mensur, aber auch in der Form des Schallbechers und anderen Eigenheiten.

  • einfache Trichterkörper ergeben einen trompetenähnlichen Klang. Typische Namen sind: "Trompete" (meist 8'), "Posaune" (16'), "Fagott" (16', nicht so kräftig wie eine Posaune), "Bombarde" (kann man sich denken, 16' oder gar 32'), Clairon (4')
  • zusammengesetzte Trichterkörper ergeben unterschiedliche Klänge wie "Schalmei", "Oboe", "Englisch Horn" (dunkler als Oboe)
  • zylindrische Körper geben einen näselnden Klang wie "Krummhorn", "Klarinette"
  • mit kurzem Körper ergibt sich ein sehr obertonreicher Klang, wie beim "Regal" in verschiedenen Variationen, oder auch bei der "Vox Humana"

Die einschlagenden Zungenstimmen fanden am meisten Verbreitung zwischen 1840 und 1920 und werden erst in den letzten Jahren wieder neu gebaut. Sie unterscheiden sich von den aufschlagenden Zungen v.a. durch ein weicheren Tonanfang. Typische Registernamen: Clarinette, Bassetthorn, Saxophon, Serpent.


Die verschiedensten Orgelbautraditionen in Süd- und Norddeutschland haben immer wieder neue Registernamen erfunden, so daß es unzählige andere Namen gibt, und vieles auch mehrfach in unterschiedlicher Bauart auftritt.

Sehr große Pfeifen

Sehr große Pfeifenorgeln haben bisweilen Pfeifen, deren Frequenz unter dem des menschlichen Hörbereiches liegt (Infraschall). Der tiefste Ton, der gerade noch als Ton wahrgenommen werden kann ist das Subkontra-C, dies ist der tiefste Ton eines 32'-Registers: Es hat eine Frequenz von 16,4 Schwingungen pro Sekunde (= Hertz) Als offener Prinzipal hat diese Pfeife eine klingende Länge (ohne Pfeifenfuß) von 11,20 m, als Zungenpfeife kann sie kürzer sein, als Gedackt ist sie genau halb so lang. In seltenen Fällen gibt es Orgeln, die unterhalb dieser Frequenz noch Töne produzieren können. Diese tiefsten Töne werden von Pfeifen erzeugt, die 10 bis 20 m hoch sind und damit in etwa einem bis zu 8-stöckigen Hochhaus entsprechen. Diese Töne werden als Erschütterung und Druckgefühl auf den Ohren empfunden. Manchmal bekommen Zuhörer solcher Töne auch Beklemmungen.

Gebrauch der Register

Durch planvolles Kombinieren verschiedener Register, die sog. Registrierung, können unterschiedlichste Klangfarben und Lautstärken eingestellt werden.

Die Kunst des Organisten besteht darin, aus dem vorhandenen Klangbestand eine Registrierung zu finden, die der gerade gespielte Musik am besten entspricht. Die Suche nach dem "richtigen" Klang wird durch folgende Faktoren erschwert:

  • jede Zeit bevorzugte einen jeweils eigenen speziellen Orgelklang, den man kennen sollte. Je näher Entstehungszeit einer Orgel und Komposition beieinanderliegen, desto "authentischer" läßt sich ein intendierter Klang verwirklichen.
  • trotz der Möglichkeit einer gewissen "Typisierung" gibt keine zwei gleichen Orgeln, da jedes Instrument in Größe und Ausführung genau an den Raum, in dem es steht, angepaßt werden sollte.


Spielhilfen

Bei den Registerzügen eingeordnet ist der Tremulant (von ital. tremolo). Er variiert die Stärke des Luftstroms und sorgt so für ein Schwingen des Tones. Er kann mit allen Registern des Werks, in dem er eingebaut ist, benutzt werden.

Die oben erwähnten Schwellkästen können den Ton des in ihnen angebrachten Schwellwerkes durch Jalousien dämpfen.

Koppelmechanismen erlauben das gleichzeitige Spiel von verschiedenen Manualen und des Pedals mit nur einer Hand bzw. den Füßen. Moderne Orgeln haben programmierbare Setzermechanismen, mit denen sich sehr komplexe und abrupte Klangfarbenwechsel realisieren lassen. Ältere Orgeln haben komplexe Mechanismen, die sehr aufwendig zu herstellen und zu programieren waren. Für romantische Orgelmusik gibt es den Rollschweller, der die Register von der leisestmöglichen Kombination nach festen Regeln bis zum Tutti hinzuschaltet. Trotz aller ergänzenden Elektrik/Elektronik sorgt bei den meisten Orgeln eine reine Mechanik für das Erklingen des Tones, vom Druck auf die Taste bis zum Öffnen der Windlade.

Verweise

Siehe auch: Portativ, Orgelpositiv, Regal, Orgelbaumeister, Farbenorgel und Geruchsorgel, Mixtur, Aliquot, Zug, Registratur, Hammond-Orgel, Synthesizer