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Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen

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Die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und PersonalService-Agenturen (CGZP) ist ein Zusammenschluss von ursprünglich sechs Gewerkschaften des Christlichen Gewerkschaftsbundes (CGB). Laut Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Dezember 2010 ist die Tarifgemeinschaft nicht tariffähig.[1]

Geschichte und Struktur

Die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personal-Service-Agenturen (CGZP) wurde im Herbst 2002 von ursprünglich sechs Gewerkschaften des Christlichen Gewerkschaftsbundes (CGB) gegründet. Heute gehören ihr noch drei CGB-Mitgliedsgewerkschaften[2] an:

Die CGB-Mitgliedsgewerkschaften Verband Deutscher Techniker (VDT) und der Bund der Hotel-, Restaurant- und Cafeangestellten - Union Ganymed haben die Tarifgemeinschaft zwischenzeitlich verlassen. Mitte 2009 ist auch die Christliche Gewerkschaft Postservice und Telekommunikation (CGPT) aus der Tarifgemeinschaft ausgetreten. [3] Ihre früheren Mitgliedschaften wirken sich aber auf vor ihrem Austritt geschlossene Tarifverträge noch aus.

Tarifabschlüsse

Die CGZP hat am 24. Februar 2003 den ersten bundesweiten Flächentarifvertrag für Zeitarbeitsunternehmen mit der Interessengemeinschaft Nordbayerischer Zeitarbeitsunternehmen (INZ) abgeschlossen. Sie reagierten damit als erste auf das zum 1. Januar 2004 geänderte Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Dieses sieht für Leiharbeitnehmer einen Gleichbehandlungsgrundsatz mit den Stammarbeitnehmern hinsichtlich Lohn, Urlaub und Arbeitszeit (sog. equal pay und equal treatment) vor. Von diesem Grundsatz kann durch Tarifverträge jedoch, auch negativ für den Arbeitnehmer, abgewichen werden. Später erklärten führende Vertreter des DGB, dass sie nie Tarifverträge für die Branche der Zeitarbeit abgeschlossen hätten, wenn dieser Tarifvertrag nicht zustande gekommen wäre.

Heute sind die Arbeitgeberverbände INZ und MVZ zum Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) fusioniert, der die Tarifpartnerschaft mit der CGZP weiterführt. Darüber hinaus hat die CGZP zahlreiche Firmentarifverträge abgeschlossen. Mit den beiden anderen Arbeitgeberverbänden Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen (BZA) und Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsfirmen (iGZ) bestehen keine Tarifverträge.

Die CGZP hat am 24. November 2010 noch ein neues Tarifwerk zur Zeitarbeit mit dem kleinen Arbeitgeberverband Mercedarius abgeschlossen. [4]

Kontroversen

Die Tariffähigkeit der CGZP wurde, ebenso wie ihre Zuständigkeit für den Abschluss von Tarifverträgen für die Zeitarbeitsbranche vom Bundesarbeitsgerichts in Erfurt verneint.

Im ARD-Politmagazin Report Mainz wurde am 10. Dezember 2007 erneut erhebliche Kritik an den Tarifverträgen der CGZP geübt. Nach einer Studie des Prof. Dr. jur. Peter Schüren vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Wirtschaftsrecht an der Uni Münster bezweifelt dieser die Tariffähigkeit der CGZP und damit auch die Gültigkeit der Tarifverträge. Zur gegenteiligen Auffassung gelangt Lembke, NZA 2007, S. 1333, mit heftiger Kritik an der methodischen Vorgehensweise von Schüren (a.a.O. S. 1334).

Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft ver.di Gerd Herzberg wies darauf hin, dass sich die CGZP in einem Gerichtsverfahren auf ein Gutachten des Arbeitgeberverbands gestützt habe, was in seinen Augen den Schluss nahe lege, dass die CGZP zu einer eigenen Prozessführung gar nicht fähig sei und somit ihre Unabhängigkeit zweifelhaft sei.[5]

Selbst der Zeitarbeitgeber-Verband IG-Zeitarbeit kommt in einer Stellungnahme über die Auswirkungen bei Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP zu dem Schluss: "Da die mit dem CGZP abgeschlossenen Tarifverträge von Anfang an unwirksam wären, könnten die Arbeitnehmer die Lohnansprüche rückwirkend bis zur Verjährungsgrenze von drei Jahren geltend machen (§ 195 BGB)."

Weiterhin macht die IGZ deutlich, dass Leiharbeiter unter diesem Aspekt rückwirkend Anspruch auf die Vergütung des Stammbetriebes haben, der gewöhnlich deutlich höher ist als der Lohn der Leiharbeiter.

"Teilweise wird zur Reduzierung der Haftungsrisiken empfohlen, einzelvertraglich wirksame Ausschlussfristen zu vereinbaren (die in den CGZP-Tarifverträgen vereinbarten Ausschlussfristen sind bei Unwirksamkeit der CGZP-Tarifverträge gleichermaßen unwirksam). Nach der Rechtsprechung dürfen einzelvertragliche Ausschlussfristen nicht kürzer als drei Monate sein. Allerdings beginnt eine Ausschlussfrist erst mit Fälligkeit zu laufen. Es ist sehr zweifelhaft, ob eine solche Frist überhaupt in Gang gesetzt wird, wenn ein Equal Treatment-Anspruch objektiv besteht, aber nicht abgerechnet wurde. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beginnt die Fälligkeit erst dann, wenn der Arbeitnehmer objektiv in der Lage ist, die Anspruchshöhe zu beziffern (BAG, Urteil vom 9. Februar 2005 - 5 AZR 175/04). Deshalb spricht viel dafür, dass auch eine arbeitsrechtlich zulässige Ausschlussfrist von drei Monaten nicht geeignet ist, die rückwirkende Geltendmachung zu verhindern. Das BAG wird nach aller Voraussicht auch keinen Vertrauensschutz gewähren. So hat das höchste deutsche Arbeitsgericht festgestellt, dass der gute Glaube in die Tariffähigkeit einer Gewerkschaft – und damit in die Wirksamkeit eines Tarifvertrages – nicht geschützt sei (BAG, Urteil vom 15. November 2006 – 10 AZR 665/05)."[6]

Rechtsprechung

Arbeitsgericht Berlin (Az. 81 Ca 27913/05; 54 BV 13961/06)

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Beschluss vom 16. Januar 2007 (Az. 81 Ca 27913/05) ein Verfahren bis zu einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ausgesetzt, weil zumindest zwei der Gewerkschaften der CGZP - die Christliche Gewerkschaft Postservice und Telekommunikation und der Deutsche Handels- und Industrieangestelltenverband - gemäß ihren Satzungen nicht für die Zeitarbeitsbranche zuständig sind.

Das Arbeitsgericht Berlin hat am 5. Februar 2008 (Az.: 54 BV 13961/06) entschieden, dass dieses Verfahren einzustellen ist. Hintergrund war der Umstand, dass der von den tariflichen Regelungen betroffene Arbeitnehmer die Klage zurückgezogen hatte und nicht mehr am Verfahren beteiligt war. Das Gericht ließ jedoch erneut durchblicken, dass es erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der Tarifverträge der Tarifgemeinschaft habe. Es hat in seiner mündlichen Begründung darauf hingewiesen, dass Arbeitnehmer eine mögliche mangelnde Tariffähigkeit einer Gewerkschaft gerichtlich nur eingeschränkt feststellen lassen können. Ihr Feststellungsinteresse kann sich immer nur auf den Tarifvertrag beziehen, der auf ihr Beschäftigungsverhältnis Anwendung findet. Deshalb war eine sogenannte Nebenintervention eines Zeitarbeitnehmers in diesem Verfahren aus Sicht des Gerichtes nicht zulässig[7].

Arbeitsgericht Osnabrück

Das Arbeitsgericht Osnabrück hat in einem Beschluss vom 15. Januar 2007 (Az. 3 Ca 535/06) erhebliche Zweifel an der Tariffähigkeit der CGZP geäußert. Allein von der Anzahl der von der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge gehe keine Indizwirkung für das Vorliegen der Tariffähigkeit aus, da alle diese Tarifverträge lediglich der Absenkung gesetzlicher Mindeststandards dienten. Zudem habe die CGZP mangels nennenswerter Mitgliederzahlen keinerlei demokratische Legitimation und repräsentiere letztlich niemanden. Da die Frage der Tariffähigkeit aber nicht entscheidungserheblich war, erfolgte letztlich keine Entscheidung zu dem Status der CGZP.

Arbeitsgericht Limburg

Auch das Arbeitsgericht Limburg hat Zweifel an der Tariffähigkeit der CGZP geäußert und deshalb ein Verfahren bis zu einer Entscheidung des BAG dazu ausgesetzt[8]. Das Arbeitsgericht hat dazu folgendes ausgeführt:

  • Die Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft christlicher Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) wird in der ganz überwiegenden Literatur bezweifelt.
  • Die Zweifel an der Tariffähigkeit der CGZP ergeben sich unter dem Gesichtspunkt, dass bislang für Tarifverträge der CGZP Bedingungen bekannt geworden sind, die stets vom gesetzlichen Niveau nach unten abweichen, insbesondere, soweit es die gesetzliche Forderung des equal pay in § 9 Nr 2 AÜG betrifft. Dies spricht eher gegen die Durchsetzungskraft und Leistungsfähigkeit der hinter ihr stehenden Gewerkschaften. Die Tariffähigkeit einer Gewerkschaft erweist sich aber vor allen Dingen dadurch, dass sie in der Lage ist, Arbeitsbedingungen zu Gunsten der von ihr vertretenen Mitglieder durchzusetzen.
  • Zweifel an der Tariffähigkeit ergeben sich auch unter dem Gesichtspunkt, dass bislang nicht bekannt ist, über wie viele Mitglieder die CGZP bzw. die in ihr vereinigten Gewerkschaften verfügen. Zweifel an der Mächtigkeit ergeben sich unter dem Gesichtspunkt, dass die Arbeitgeber für diese Gewerkschaften Mitgliederwerbung betreiben.
  • Die Tariffähigkeit einer Spitzenorganisation i.S.d. § 2 Abs. 3 TVG ist davon abhängig, dass alle ihre Mitglieder ihrerseits tariffähig sind. Unter diesem Gesichtspunkt ergeben sich Zweifel an der Tariffähigkeit und der Tarifzuständigkeit der CGZP.

Erst- und zweitinstanzliche Feststellung der fehlenden Tariffähigkeit

Am 1. April 2009 entschied das Arbeitsgericht Berlin (Az. 35 BV 17008/08)[9] auf Antrag des Landes Berlin und der DGB-Gewerkschaft ver.di, dass die CGZP nicht tariffähig ist, weil es ihr an der erforderlichen Sozialmächtigkeit fehle[10]. [11] Auf die Beschwerde der CGZP bestätigte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg durch Beschluss vom 7. Dezember 2009, Aktenzeichen: 23 TaBV 1016/09, die Entscheidung des Arbeitsgerichts, dass die CGZP nicht tariffähig ist, weil sich aus den Satzungen der an der CGZP beteiligten Einzelgewerkschaften keine Zuständigkeit für den Abschluss von Tarifverträgen für den gesamten Bereich der Zeitarbeit ergebe.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Beschluss vom 14. Dezember 2010 die Tariffähigkeit der CGZP verneint.[12] Das Gericht begründete dies im wesentlichen mit den gleichen Argumenten wie die Vorinstanzen. Die CGZP vertrat nur 1383 Mitglieder, während in der Zeitarbeitsbranche insgesamt etwa 760.000 Arbeitnehmer beschäftigt werden.[13] Die nun für unwirksam befundenen Tarifverträge galten für etwa 1.600 Betriebe mit insgesamt gut 280.000 Beschäftigten.[14]

Mögliche Auswirkungen

Bleibt es bei der Entscheidung, hat dies für die CGZP gravierende Auswirkungen. Sämtliche Tarifverträge die die CGZP geschlossen hat, sind dann unwirksam und das auch rückwirkend. Besonders relevant ist das bei § 9 Nr. 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Die Vorschrift gestattet tarifliche Ausnahmen vom Equal-Pay-Gebot, das heißt der Verpflichtung des Verleihers, den Leiharbeitnehmer zu denselben Arbeitsbedingungen (insbesondere denselben Lohn) zu beschäftigen, wie sie für die Stammbelegschaft im Entleiherbetrieb gelten. Die Zeitarbeitsunternehmen müssen dann sowohl die Lohndifferenz als auch Sozialversicherungsbeiträge hierfür nachträglich entrichten, sofern keine einzelvertraglich vereinbarten Ausschlussfristen greifen.[15] Im Gegensatz zum Arbeitsgericht Berlin nahm das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg jedoch an, dass die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) für die Zeitarbeitsbranche tarifzuständig ist.

In der Folge können die rund 280.000 betroffenen Beschäftigten Nachzahlungen einklagen. Es ist möglich, dass durch den erhöhten Finanzierungsaufwand Arbeitgeber auch Insolvenz beantragen müssen. Neben den Gehaltsnachzahlungen für die Beschäftigten wird auch mit deutlichen Mehreinnahmen bei Steuer- und Sozialabgaben gerechnet.[16]

Quellen

  1. Bundesarbeitsgericht: Pressemitteilung Nr. 93/10. Die CGZP kann keine Tarifverträge schließen. 14. Dezember 2010, abgerufen am 14. Dezember 2010 (Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 ABR 19/10 -. Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Dezember 2009 - 23 TaBV 1016/09 -).
  2. Selbstauskunft der CGB
  3. "Das Personal bei Unternehmen für Postservice, Logistik und Telekommunikation", (Mitgliederzeitschrift der CGPT), Ausgabe 4/August 2009, S.7
  4. CGB-Pressemitteilung - Christliche Gewerkschaften und Mercedarius einigen sich auf ein neues Tarifwerk in der Zeitarbeit! - Pressemitteilung vom 24. November 2010
  5. Ver.di, "Publik", 12/2009, Seite 11, "Nicht tariffähig"
  6. IGZ, "Auswirkungen-Feststellung-Tarifunfaehigkeit-CGZP", "Auswirkungen-Feststellung-Tarifunfaehigkeit-CGZP" Seite 2
  7. Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 5. Februar 2008
  8. Arbeitsgericht Limburg, Beschluss vom 19. November 2008, Az: 1 Ca 541/08
  9. Ver.di PUBLIK, April 2009, Seite 10, ""Ohne Mitglieder fehlt die Macht"
  10. Arbeitsgericht Berlin, Beschluss vom 1. April 2009, 35 BV 17008/08 Pressemitteilung des Arbeitsgerichts
  11. http://blog.beck.de/2009/04/13/arbg-berlin-tarifgemeinschaft-christlicher-gewerkschaften-fuer-leiharbeit-cgzp-nicht-tariffaehig
  12. Bundesarbeitsgericht: Pressemitteilung Nr. 93/10. Die CGZP kann keine Tarifverträge schließen. 14. Dezember 2010, abgerufen am 14. Dezember 2010 (Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 ABR 19/10 -. Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Dezember 2009 - 23 TaBV 1016/09 -).
  13. Corinna Budras: Tarifverträge in der Zeitarbeit aberkannt. FAZ.NET, 14. Dezember 2010, abgerufen am 14. Dezember 2010.
  14. Stefan Schulte: Vielen Leiharbeitsfirmen droht Pleite. Der Westen, 14. Dezember 2010, abgerufen am 14. Dezember 2010.
  15. Annelie Buntenbach, Bei ungültigen Dumpingtarifen in der Leiharbeit: Arbeitgebern drohen Nachzahlungen von Löhnen und Sozialbeiträgen, SozSich 2010, 110f.
  16. Interview mit Rechtsanwalt Daniel Weidmann, Neues Deutschland, 29. Dezember 2010.