Luftschlacht um England
Die Luftschlacht um England, international bekannt als Battle of Britain, war eine Serie von Luftgefechten in englischem Luftraum, die von der deutschen Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg von Mitte 1940 bis Anfang 1941 gegen die Royal Air Force (RAF) geführt wurden. Britische Historiker legen die Schlacht auf den Zeitraum vom 10. Juli bis zum 10. Oktober 1940 fest. Deutsche Historiker legen das Ende der Schlacht dagegen auf den Mai 1941, bis die deutschen Bomberflotten zum Größtenteil für die Operation Barbarossa abgezogen wurden.
Erklärtes Ziel des Deutschen Reichs in der Luftschlacht um England war die Vorbereitung einer Invasion Englands - dem Unternehmen Seelöwe - vor allem durch die Vernichtung der Kampfkraft der Royal Air Force. Hitler hoffte jedoch, England zur Einstellung der Kampfhandlungen zwingen zu können, ohne die Invasion tatsächlich durchführen zu müssen.
Der Begriff „(Luft-)Schlacht um England“ wurde vom britischen Premierminister Winston Churchill geprägt, der am 18. Juli 1940 in einer Rede vor dem Unterhaus erklärte:
- „Was General Weygand die 'Schlacht um Frankreich' nannte ist vorbei, jetzt wird die Schlacht um Britannien beginnen.“
Die Luftschlacht um England war die erste zentrale Schlacht, die komplett in der Luft ausgefochten wurden und der erste große Einsatz von strategischen Bombenangriffen.
Hintergrund
Am 1. September 1939 hatte das Deutsche Reich Polen angegriffen und somit den zweiten Weltkrieg in Europa begonnen. Frankreich und Großbritannien erklärten Deutschland daraufhin den Krieg.
In mehreren Blitzkriegen konnte Deutschland 1940 den Alliierten massive Verluste zufügen und während des Westfeldzugs die Beneluxländer und weite Teile Frankreichs besetzen. Die englischen Truppen auf dem Festland wurden bei Dünkirchen in Belgien eingekesselt und konnten in der Operation Dynamo gerade noch vor der Vernichtung gerettet werden. Die Rettung der Truppen förderte die britische Moral und war absolut unabdingbar für eine Verteidigung der britischen Inseln. Am 22. Juni wurde ein Waffenstillstand im Westen unterzeichnet. England stand nun als einzige große Nation im Kampf gegen Deutschland.
Hitler ging davon aus, dass Briten sich nun geschlagen geben würden und man eine Landung vermeiden könne. Doch die Briten gaben sich nicht so schnell geschlagen, so dass Hitler den Befehl zur Vorbereitung der Operation Seelöwe gab. Um diesen Plan durchführen zu können, war sich der deutsche Generalstab sicher, müsse man erst die Luftherrschaft über England gewinnen.
Aus heutiger Sicht wird der Plan zur Landung in England als unrealistisch angesehen und die Vorbereitung diente wohl eher der Einschüchterung Englands. So standen vor allem zu wenig Transportmöglichkeiten zur Verfügung. Mit den Luftangriffen sollte wohl eher die Kampfmoral der Engländer geschwächt werden, ähnlich wie die massiven Luftangriffe der Alliierten ab 1942 auf Deutschland.
Deutsche Strategie
Hermann Göring glaubte in der Luftschlacht das Können seiner Truppen unter Beweis stellen zu können. Zuvor war im Rahmen der Blitzkrieg-Taktik die Luftwaffe stark an der Heer angegliedert und wurde vor allem taktisch eingesetzt.
In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen hatten viele Theoretiker, wie William L. Mitchell oder Giulio Douhet, den Luftkrieg überdacht und massive und uneingeschränkte Bombardierungen als strategisches Mittel entwickelt. Dies sollte den im ersten Weltkrieg so verlustreichen Bodenkrieg verkürzen.
Die Deutschen teilten ihre Truppen in drei Luftflotten für den Angriff ein: Luftflotte 2 unter Generalfeldmarschall Albert Kesselring mit dem Ziel den Südosten und London anzugreifen; Luftflotte 3 unter Generalfeldmarschall Hugo Sperrle mit dem Ziel den Westen, die Midlands und den Nordwesten anzugreifen; Luftflotte 5 unter Generalfeldmarschall Hans-Jürgen Stumpff war in Norwegen stationiert und sollte den Norden Englangs und Schottland angreifen. Gegen Ende der Luftschlacht griff auch eine itelienische Einheit, das Corpo Aereo Italiano in die Kämpfe ein.
Zunächst sollten die Jäger und die Luftverteidigung von der Küse an angegriffen und geschwächt werden, dies sollte in den ersten vier Tagen der Luftschlacht geschehen. In einem weiteren Schritt sollten innerhalb von vier Wochen vor allem Produktionsanlagen für Jäger und andere Flugzeuge angegriffen werden.
Doch die englische Verteidigung war stärker als erwartet und die Befehlshaber der Luftflotten wollten die Strategie unterschiedlich umsetzen. Während Kesselring vor allem direkt London bombardieren wollte, wollte Sperrle sich zunächst auf die britischen Luftbasen konzentrieren. Göring unternahm nichts, um diese Differenzen beizulegen, was dafür sorgte, dass das Vorgehen der Loftflotten ziemlich unkoordiniert war.
Die Deutschen hatten auch kaum geheimdienstliche Informationen über die britische Luftverteidigung und die wenigen bekannten Informationen wurden oft ignoriert. So waren die deutschen Piloten selten darüber im klaren, wie stark die britischen Kräfte waren, gegen die sie kämpften.
Verlauf der Luftschlacht
Kanalkampf: 10. Juli - 11. August 1940
Obwohl bereits auch bei Tage Ziele an der englischen Küste angegriffen wurden, konzentrierten sich in dieser Phase die Angriffe der Luftwaffe auf Konvois im Ärmelkanal, in der Themsemündung sowie auf Marineeinrichtungen entlang der Küste. Bei Nacht wurden Ziele im Landesinneren bombardiert. Sowohl die Luftwaffe als auch die RAF nahmen diese Gelegenheit wahr, ihre Taktik und Kampfkraft zu vergleichen.
Angriffe auf küstennahe Ziele: 12. August - 23. August 1940
Am 12. August kam es schließlich zu einem Großangriff auf Radarstationen bei Portland und Dover, bei dem über 200 Bomber beteiligt waren. Auch einige küstennahe Stützpunkte der britischen Abfangjäger wurden von Bombern und Jagdflugzeugen angegriffen.
Mit dem 13. August, dem „Adlertag“, begann eine Serie von Großangriffen auf die Einrichtungen der RAF, im speziellen den Stützpunkten der 11 Fighter Group unter der Führung des charismatischen Luftmarschalls Keith Park. Auch küstennahe Radarstationen und Einrichtungen der Marine waren immer wieder das Ziel der Angriffe.
Angriffe auf Flugplätze und Flugzeugwerke in Südengland: 24. August - 6. September 1940
Je mehr die Ziele ins Landesinnere rückten, desto schwieriger wurde die Situation für die Angreifer. Ein großes Handicap der deutschen Messerschmitt Bf 109 war ihre für den Einsatz als Begleitschutzjäger unzureichende Eindringtiefe. Ab Erreichen der englischen Küste hatten die Piloten der Bf 109 noch einen Treibstoffvorrat für etwa 30 Minuten Kampfzeit. Mussten sie Bomber 15 Minuten (ca. 100 Kilometer) weit ins Landesinnere begleiten, blieb praktisch kein Treibstoff für einen Kampf gegen die britischen Jagdflugzeuge.
Die eigentlich zum Langstrecken-Begleitschutz vorgesehene zweimotorige Messerschmitt Bf 110 verfügte zwar über die nötige Eindringtiefe, erwies sich aber für diese Aufgabe als völlig ungeeignet und erlitt schwere Verluste. Dennoch kamen die Stützpunkte der 11 Fighter Group, zuständig für die Verteidigung Südenglands und London, in schwere Bedrängnis.
Jedoch waren die von der Luftwaffe angenommenen Verluste auf englischer Seite fehlerhaft und von der Propaganda verändert. Viele der als Totalverlust gezählten Flugzeuge der RAF waren tatsächlich nur beschädigt und die wertvollen Piloten am selben Tag wieder einsatzbereit. Die deutsche Aufklärung versagte und die Auffassung seitens der deutschen Führung entstand, dass die RAF "de facto" nicht mehr einsatzfähig sei.
Tagangriffe auf London: ab 7. September 1940

Als Reaktion auf einen Nachtangriff der RAF am 25. August auf Berlin befahl Hitler am 4. September, von nun an London anzugreifen. Als die Bombardierung der südenglischen Jägerstützpunkte eingestellt wurde, konnte sich die britische Luftverteidigung erholen und in weiterer Folge voll gegen die unzureichend ausgerüsteten Verbände deutscher Bomber und Jagdbomber entfalten.
Zur Verteidigung Londons wurde außerdem nun auch die 12 Fighter Group unter Führung von Air Vice Marshall Leigh-Mallory hinzugezogen. Damit wurden erstmals zahlenmäßig starke Verbände englischer Jäger zum Einsatz gebracht. Ab dem 29. Oktober 1940 wurden die Großangriffe auf London bei Tage eingestellt. Vereinzelte Angriffe mit Bombern und Jagdbombern wurden jedoch weiterhin geflogen. Die Nachtangriffe wurden bis Mai 1941 weitergeführt.
Ergebnis
Die Luftschlacht um England führte letztendlich zu einer Niederlage der deutschen Luftwaffe. Die Ursachen für die Niederlage lagen u.a. in verfehlten deutschen Vorstellungen über die Möglichkeiten eines strategischen Luftkrieges, schlechter Einsatztaktik des deutschen Oberkommandos, Fehlen von taktischen Bombern und Langstreckenbegleitjägern, mangelhafter Geheimdienstarbeit sowie im leistungsfähigen, radargestützten britischen Jägerleitsystem.
Außerdem erlitt die deutsche Luftwaffe in der als Abnutzungskrieg geführten Luftschlacht größere Verluste, während die Briten ihre Verluste durch eine gesteigerte Produktion von Jagdflugzeugen und eine beschleunigte Pilotenausbildung wettmachen konnten.
Die deutsche Luftwaffe tötete in den sechs Monaten ihrer Angriffe 23.002 britische Zivilisten, 32.138 wurden verletzt.
In den zwei Jahren zwischen dem Münchner Abkommen und der Luftschlacht um England arbeiteten die Briten fieberhaft am Aufbau einer modernen Jagdwaffe. Allein in den drei Monaten vor Beginn der Luftschlacht konnten die britischen Fabriken über 1.400 Jagdflugzeuge fertigstellen. Um dem dringenden Personalbedarf nachzukommen, wurden Piloten aus dem Commonwealth, Frankreich, den USA, Polen und der Tschechoslowakei unter dem Befehl der Royal Air Force eingesetzt.
Winston Churchill bemerkte über die Bedeutung der Schlacht: Nie zuvor in der Geschichte des kriegerischen Konflikts verdankten so Viele so Wenigen so viel. Damit war der legendäre Ausdruck The Few (deutsch: die Wenigen) als Synonym für die Piloten der Royal Air Force geprägt. Er spielte damit auch auf die zu Beginn der Operation bestehende wahrgenommene Unterlegenheit von eins zu drei in Hinsicht auf die Anzahl der einsatzbereiten Kampfflugzeuge an.
Die deutschen Jägerpiloten wurden in der Folge von ihrem Oberkommandeur Hermann Göring der Feigheit bezichtigt. Göring erneuerte diesen Vorwurf im weiteren Verlauf des Krieges verschiedene Male, um Niederlagen der Luftwaffe zu erklären und von seinem eigenen Versagen als Kommandeur abzulenken.
Flugzeugtypen
Die wichtigsten eingesetzten Flugzeugtypen waren:
- Luftwaffe:
- Bomber: Junkers Ju 87, Dornier Do 17, Heinkel He 111, Junkers Ju 88
- Jäger: Messerschmitt Bf 109, Messerschmitt Bf 110
- Royal Air Force: