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Psychoanalyse

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Unter der Psychoanalyse (griechisch ψυχανάλυση, psichanálissi - wörtlich die Auflösung der Seele im Sinne von die Untersuchung, Enträtselung der Psyche) werden verschiedene Konzepte zur Untersuchung seelischer Vorgänge sowie Untersuchungen verschiedener Phänomene der kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklung zusammengefasst. Sie hat ihre Wurzeln in der Naturwissenschaft, Medizin, Philosophie und Kunst.

Definition

Die Psychoanalyse ist

  • ein von Sigmund Freud entwickeltes Untersuchungsverfahren seelischer Vorgänge mit dem Ziel, die nicht bewusste Bedeutung von Worten, Handlungen und Vorstellungen zu ergründen.
  • eine Therapiemethode für psychische Störungen. Im Rahmen der klassischen Therapie nach Freud, auch Psychoanalyse oder Analyse genannt, wird versucht, die Widerstände, Übertragungen oder geheime Wünsche des Patienten durch Deutung offenzulegen, bewusst zu machen und damit einer möglichen Veränderung zugänglich zu machen. Dies findet im Rahmen einer sich entwickelnden Beziehung im Verlauf der Therapie statt, die Freud selbst nicht systematisch in seinen Theorien berücksichtigte, die jedoch praktisch immens bedeutsam ist.
  • ein mehrschichtiges System von Theorien über Auswirkungen unbewusster psychischer Abläufe auf das Fühlen, Denken und Handeln von Menschen. Die Bausteine dieser Theorien stammen aus der Untersuchung seelischer Vorgänge und der Therapie psychischer Störungen.

Neben Sigmund Freud sind Karl Abraham, Alfred Adler, Siegfried Bernfeld, Helene Deutsch, Paul Federn, Otto Fenichel, Sandor Ferenczi, Ernst Hartmann, Ernest Jones, Carl Gustav Jung, Hermann Nunberg, Sandor Rado, Otto Rank, Wilhelm Reich, Theodor Reik, Herbert Silberer, Wilhelm Stekel, Viktor Tausk als wichtige Analytiker der ersten Generation zu nennen. Die Theorie der Psychoanalyse wie auch sein Handeln im Zuge der Etablierung seines Ansatzes in den verschiedenen gesellschaftlichen Feldern gebar viele Kritiker und Dissidenten, darunter auch ehemalige Mitarbeiter (Alfred Adler, Carl Gustav Jung und Wilhelm Reich). Einige Thesen Freuds (Penisneid und Todestrieb) gelten heute als Relikt der pessimistisch geprägten Weltanschauung des Bürgertums im ausgehenden 19. Jahrhundert.

Grundlagen

  • Naturwissenschaft: Gustav Theodor Fechner, Physiker und Philosoph, machte wichtige Aussagen zur Psychophysik: "Unter Psychophysik soll hier eine exacte Lehre von den functionellen oder Abhängigkeitsbeziehungen zwischen Körper und Seele, allgemeiner zwischen körperlicher und geistiger, physischer und psychischer Welt verstanden werden. Zum Gebiet des Geistigen, Psychischen, der Seele rechnen wir überhaupt das, was durch innere Wahrnehmung erfasslich oder daraus abstrahierbar ist, zu dem des Körperlichen, Leiblichen, Physischen, Materiellen das, was durch äußere Wahrnehmung erfasslich oder abstrahierbar ist." (Fechner 1889, 8). Von ihm stammen Gesetze über Druckausgleich bei Flüssigkeiten (Hydraulik), über Energiegleichgewichte und Energieaustausch im Körper (Ökonomie, Energieerhaltung, Ladung, Besetzung usw.).
  • Philosophie: Arthur Schopenhauer und Friedrich Nietzsche thematisierten beide explizit unbewusste Kräfte wie Wille (zum Beispiel Schopenhauers Wille zum Leben) und Triebe (zum Beispiel Libido). Johann Friedrich Herbart (1776-1841), Philosoph und Pädagoge, war der erste, der sich ausführlich mit der Bedeutung der Triebe und dem Unbewussten auseinandersetzte. Eduard von Hartmann (1842-1906) beschäftigte sich mit der Philosophie des Unbewussten.
  • Dichtung: Bei Goethe findet sich die erste deutsche Verwendung des Wortes Unbewusstes in seinem Gedicht An den Mond 1777).

Die Psychoanalyse wurde von Sigmund Freud zu Beginn des 20. Jahrhunderts als erste umfassende Theorie des Unbewussten entwickelt. Der Begriff wurde schon von Ernst Mach, Johann Christian Reil, Carl Gustav Carus, Eduard von Hartmann und Friedrich Wilhelm Hagen benutzt.

Freud untersuchte Fehlleistungen und auch Überlieferungen wie Mythen, Märchen, Witze, Bräuche und populäre Glaubensformen, für deren Herausbildung er annahm, dass ubiquitäre psychische Funktionsweisen bei allen Menschen wirksam wären. Die Funktionsweise psychischer Vorgänge leitete er hauptsächlich aus dem Traum ab, den er als imaginäre Wunscherfüllung verdrängter Kindheitsträume auffasste. Als Zugang zum Unterbewussten wird die Traumdeutung und das Studium von Fehlleistungen empfohlen.

Freud, Breuer und Hypnose

Mit dem 14 Jahre älteren Wiener Familienarzt Josef Breuer wandte Freud in seiner 1886 eröffneten nervenärztlichen Praxis neben Elektrotherapie auch Hypnose an. Das war für ihn eine Brücke zum Unbewussten, die Verdrängtes und Vergessenes als Ursache für spätere Störungen zugänglich machten sollte. Breuer ruft Freud 1892 zu einem Fall, der unter dem Pseudonym Anna O. (Bertha Pappenheim) in die Annalen der Psychoanalyse eingehen sollte: Eine Patientin, die bis dahin einen völlig geschlechtslosen Eindruck auf die beiden Ärzte gemacht hatte, zeigte alle Symptome eines (hysterischen) Geburtsvorgangs, worauf Breuer, erschreckt, fluchtartig das Haus verlässt. Freud unter dem Eindruck dieser Behandlung: "So wurde ich dazu geführt, die Neurosen ganz allgemein als Störungen der Sexualfunktion zu erkennen und zwar die so genannten Aktualneurosen als direkten toxischen Ausdruck, die Psychoneurosen als psychischen Ausdruck dieser Störungen." ... (Freud, S. [1930] 1982, Bd. 9, 220).

Entwicklung der Psychoanalyse aus der Hypnose:

  1. Hypnose mit Zielsuggestionen (mit hypnotischem Auftrag)(1887 [1950], Briefe an Fließ, Brief Nr. 2. In Aus den Anfängen der Psychoanalyse
  2. Hypnose mit dem analytischen Ansatz: Das Wachrufen von Erinnerungen mit Katharsis (1889).
  3. Hypnose mit Einsicht durch Interpretation (1892).
  4. Freie Assoziation und Traumdeutung mit Einsicht durch Interpretation und Analyse von Übertragung und Widerstand (1912). (nach Frank & Frank, 1977, S. 63).

Die Hypnose als Behandlungsform wurde aber aus folgenden Gründen nach und nach aufgegeben:

  • Nur ein Teil der Menschen ist hypnotisierbar.
  • Heilungserfolge waren begrenzt.
  • Traumatisierende Erfahrungen, die unter Hypnose zugänglich waren, konnten von den Patienten außerhalb der Hypnose nicht wiederbelebt werden.

Die Traumatheorie

Nicht nur in der Behandlung, auch in der theoretischen Erklärung für psychische Erkrankungen vollzieht Freud nach der Frühphase der Psychoanalyse eine tiefgreifende Änderung. So hat er vor ca. 1897 die so genannte Traumatheorie verfochten. In seiner Praxis kamen im Laufe der Behandlung eine große Anzahl von sexuellen Missbrauchsgeschichten zum Vorschein. Freud vertrat unter dem Eindruck der überaus zahlreichen Berichte von Patienten, die solche Erfahrungen gemacht hatten, eine Zeitlang die Theorie, dass die psychischen Erkrankungen hauptsächlich auf psychosexuelle Traumatisierungen zurückzuführen seien. In allgemeiner Form nennt man die Erklärung für psychische Erkrankungen aus so genannten Traumatisierungen (nicht nur sexueller Art) die Traumatheorie.

Vielfach werden heute zwei Formen von schädigenden Erfahrungen in der Kindheit angenommen:

  1. Traumatische Erfahrungen, das heißt: einzelne oder wiederholt vorkommende Erfahrungen und Erlebnisse, die durch Inhalt und Schwere für das Kind nicht verarbeitbar sind (z.B. die Erfahrungen schwerer körperlicher Misshandlungen). Das führt zu den so genannten Traumata-Neurosen.
  2. Die eher schleichenden Dauerschädigungen durch das Milieu (zum Beispiel Familien, in denen über Gefühle nicht geredet wird, Familien in schwierigen sozialen Verhältnissen, Armut usw.) führen zu so genannten Milieuneurosen.

Die Triebtheorie

Später wandte sich Freud von der Traumatheorie ab (von Einzelfällen abgesehen) und sah in erster Linie die Triebkonflikte in der individuellen psychosexuellen Reifung als krankheitsverursachend. Dies ist die Basis der so genannten Triebtheorie. Ein wesentlicher Grund für diese Wandlung liegt nach Freuds eigener Auskunft in der „Einsicht, dass es im Unbewussten ein Realitätszeichen nicht gibt, sodass man die Wahrheit und die mit Affekt besetzte Fiktion nicht unterscheiden kann“ (Brief an Fließ).

Freud revidierte seine Theorie der Triebe mehrfach:

  • Erste Phase, 1905 - 1914: Dualistisches Modell: "Von besonderer Bedeutung für unseren Erklärungsversuch ist der unleugbare Gegensatz zwischen Trieben, welche der Sexualität, der Gewinnung sexueller Lust dienen, und den anderen, welche die Selbsterhaltung des Individuums zum Ziele haben, den Ich-Trieben." (Freud, [1910], 1982, 209).
Ich-Triebe oder Selbsterhaltungstriebe: Triebtypus, dessen Energie das Ich im Abwehrkonflikt verwendet. Die Ich-Triebe funktionieren nach dem Realitätsprinzip.
Sexualtriebe (Libido): Die Energie der Sexualtriebe ist die Libido. Die Libido kann gemäß ihres Besetzungsobjektes in Ich-Libido und Objektlibido unterteilt werden.
  • Zweite Phase, 1914 - 1915: Kein dualistisches Triebmodell, stattdessen nimmt Freud in dieser Phase einen libidinösen Trieb an, der in zwei Ausprägungen erscheint, in einer aggressiven und einer im weitesten Sinne sexuellen Form.
  • Dritte Phase, ab 1920: Eros und Todestrieb. Triebe werden durch die Qualitäten "Quelle", "Objekt", "Ziel" und "Drang" beschrieben.

Theorien der Psychoanalyse

Phasentheorie

Die Phasentheorie schlägt die psychoanalytische Entwicklungspsychologie.

  • 1 bis 9 Monate: Oral-Inkorporative Phase
  • 6 bis 12 Monate: Oral- Sadistische Phase
  • 9 bis 15 Monate: Anal-Sadistische Phase
  • 12 bis 18 Monate: Anal-Retentive Phase
  • 17 bis 60 Monate: Phallische (genitale oder ödipale) Phase

Der Ausgang der oralen Phase prägt die Lebenseinstellung mit, konkret: optimistische-pessimistische Lebenseinstellung, Geselligkeit. Heutzutage wird nicht mehr schematisch die Dauer der Stillzeit als determinierender Faktor angesehen, sondern das ausreichende Maß an Zuwendung, das affektive Klima zwischen Mutter und Kind und der Grad an Nähe und Intimität, der zustande kommt, auch die Behutsamkeit des Abstillens spielt eine wichtige Rolle.

Der Ausgang der analen Phase ist entscheidend für die Dimension Spontaneität-Impulsivität. So kann eine überrigide, verfrühte Sauberkeitserziehung zur Ausbildung der von Freud so beschriebenen analen Triade beitragen: Geiz, Ordnungsliebe und Eigensinn.

Zu Beginn seines Lebens sei das Kind nach Freud "polymorph-pervers", was nicht abwertend, sondern so gemeint ist, dass die sexuellen Triebkräfte noch völlig unorganisiert und nicht in einer stabilen Geschlechtsidentität integriert sind. Die Libidotheorie postuliert verschiedene Partialtriebe (orale, anale und phallische), die mit der psychosexuellen Reifung allmählich unter den Primat des Genitalen integriert werden.

Psychoanalytische Triebtheorien

Nochmals kurz gefasst verläuft die Triebentwicklung (Libido-Entwicklung) in drei Schritten (s.a. Phasentheorie)

Diese drei Phasen bezeichnen gleichzeitig drei Zentren der Triebentwicklung, der frühkindlichen Aufmerksamkeit und der frühkindlichen Sexualität. Die ersten beiden verschwinden nacheinander, bzw. gehen teilweise in die erwachsene Sexualität ein. Es war eins der großen Verdienste Freuds, zu erkennen, dass der Mensch von Geburt an ein sexuelles Wesen ist.

Sigmund Freud über den Trieb: "Unter einem Trieb können wir zunächst nichts anderes verstehen als die psychische Repräsentanz einer kontinuierlich fließenden, innersomatischen Reizquelle, zum Unterschiede vom Reiz, der durch vereinzelte und von außen kommende Erregungen hergestellt wird. Trieb ist so einer der Begriffe der Abgrenzung des Seelischen vom Körperlichen. (...)." (Freud, S. [1905] 1982, Bd. 5, 76). Freud beschreibt hier den Trieb als psychische Größe, jedoch ist sein Triebkonzept äußerst schwankend, uneinheitlich und von ständigen Umformulierungen gekennzeichnet. So steht auch das folgende Zitat im Widerspruch zu diesem, indem es den Trieb auf der somatischen Ebene ansiedelt: "Die ökonomische Betrachtung nimmt an, dass die psychischen Vertretungen der Triebe mit bestimmten Quantitäten Energie besetzt sind (...)." (Freud, S. [1926] 1960, Bd. 14, 302).

Wilhelm Reich hat diese zweite Auffassung folgendermaßen umschrieben: "Es ist vollkommen logisch, dass der Trieb selbst nicht bewusst sein kann, denn er ist dasjenige, was uns regiert und beherrscht. Wir sind sein Objekt. Denken wir an die Elektrizität. Wir wissen nicht, was und wie sie ist. Wir erkennen sie nur an ihren Äußerungen, am Licht und am elektrischen Schlag. Die elektrische Welle kann man wohl messen, doch auch sie ist nur eine Eigenschaft dessen, was wir Elektrizität nennen und eigentlich nicht kennen. So wie die Elektrizität messbar wird durch ihre Energieäußerungen, so sind die Triebe nur durch Affektäußerungen erkennbar." (Reich, W. 1972, 33). Aber auch schon die Frage, ob sich das Konstrukt Trieb überhaupt einer dieser Ebenen zuschreiben lässt, wird von Freud widersprüchlich behandelt. "Wir können dem 'Trieb` nicht ausweichen als einem Grenzbegriff zwischen psychologischer und biologischer Auffassung." (Freud, S. [1913] 1960, Bd. 8, 410). Diese Äußerung widerspricht dem Vorangegangenen, indem hier ausgesagt wird, dass der Trieb eben nicht der somatischen oder psychischen Ebene zugesprochen werden kann, sondern ein Grenzbegriff ist.

Freud beschreibt die zentralen Qualitäten des Triebes wie folgt: "Die Quelle des Triebes ist ein erregender Vorgang in einem Organ und das nächste Ziel des Triebes liegt in der Aufhebung des Organreizes" (Freud, S. [1905] 1982, Bd. 5, 77). "Auf dem Wege von der Quelle zum Ziel wird der Trieb psychisch wirksam. Wir stellen ihn vor als einen gewissen Energiebetrag, der nach einer bestimmten Richtung drängt. (...) Das Ziel kann am eigenen Körper erreicht werden, in der Regel ist ein äußeres Objekt eingeschoben, an dem der Trieb sein äußeres Ziel erreicht; sein inneres bleibt jedes Mal die als Befriedigung empfundene Körperveränderung." (Freud, S. [1933] 1982, Bd. 1, 530).

Auslöser ist also ein interner Reiz, der eine gewisse als unangenehm empfundene Triebspannung weckt. Diese Spannung weckt den Wunsch nach Verminderung derselben durch Befriedigung am Triebziel, meist dem Objekt.

Für diese Aufgabe stellt der Trieb einen gewissen Energiebetrag zur Verfügung. Hierbei ist wichtig, dass der Mensch dem Triebreiz als einem inneren Reiz nicht, wie meist einem äußeren Reiz, ausweichen kann. Er kann deshalb der Triebspannung nicht entgehen, ohne den Trieb zu befriedigen, wenn er die Triebbefriedigung auch eine Zeit lang aufschieben kann. Je länger der Aufschub, desto größer wird die aversive Spannung und der Wunsch nach Triebbefriedigung. Die Qualität des Triebes wird durch sein Triebziel bestimmt. In die Haupttriebe dieser Modelle lassen sich alle anderen Triebe als Unter-Triebe integrieren. "Welche Triebe darf man aufstellen und wie viele? Dabei ist offenbar der Willkür ein weiter Spielraum gelassen. Man kann nichts dagegen einwenden, wenn jemand den Begriff eines Spieltriebes, Destruktionstriebes, Geselligkeitstriebes in Anwendung bringt, wo der Gegenstand es erfordert und die Beschränkung der psychologischen Analyse es zulässt. Man sollte aber die Frage nicht außer Acht lassen, ob diese einerseits so sehr spezialisierten Triebmotive nicht eine weitere Zerlegung in der Richtung nach den Triebquellen gestatten, so dass nur die weiter nicht zerlegbaren Urtriebe eine Bedeutung beanspruchen können." (Freud, S. [1915] 1982, Bd. 3, 87).

Ein Trieb verlangt die ihm eigene Befriedigung und meist auch ein ihm eigenes Objekt, trotzdem kann eine gewisse Menge der ursprünglichen Triebenergie auf ein anderes Ziel verschoben werden und dadurch befriedigt werden, diesen Vorgang nennt Freud Sublimierung. Das Triebziel ist die Erleichterung der Erregungsspannung.

In der Triebtheorie kommt es zu entwicklungsbedingtem Verhalten und Ansprüchen, die auch unter gesunden Verhältnissen an bestimmten Punkten mit der Realität in Konflikt geraten und weitere Entwicklung bzw. Verzicht einleiten. So beobachtet man zum Beispiel häufiger, dass in der ödipalen Phase Söhne zu ihren Müttern sagen: "Wenn ich groß bin, heirate ich dich!", selbst wenn der Vater daneben steht. Der Vater als Rivale wird anfangs geleugnet, später gefürchtet. Durch die wachsenden Fähigkeiten, die Realität korrekt einzuschätzen und durch die Präsenz des Vaters kommt es dann zum Verzicht auf diese Wünsche. (Dasselbe gilt in umgekehrter Weise natürlich auch für Töchter in Bezug auf ihren Vater.) Unter pathologischen Bedingungen zum Beispiel durch einen überaggressiven Vater oder eine latent inzestuöse Mutter kann hier aber auch der Ausgangspunkt einer späteren Störungen mehr oder minder schwerer Art gelegt werden. Es gibt eine Vielzahl möglicher krankmachender Konstellationen und Bedingungen in der Familiensituation und eine genauso große Zahl von Folgen auf die Entwicklung des Kindes.

Die Triebtheorie birgt leider die Gefahr, aus dem "Kind als Opfer" das "Kind als Täter" zu machen. Auch wenn natürlich Kinder verführende Verhaltenszüge in bestimmten Phasen haben, so gehört dies zur gesunden Entwicklung, und es ist Sache der Eltern, damit verantwortungsvoll umzugehen und diese Verhaltenszüge nicht für eigene ungestillte Bedürfnisse zu missbrauchen. Dabei kann möglicher Missbrauch oft sehr unterschwellig ablaufen, ohne dass es zu sexuellen Kontakten im direkten Sinne kommt, sehr oft reichen auch von den Eltern erotisch angereicherte Phantasien bzgl. ihrer Kinder, die atmosphärisch in die Eltern-Kind-Interaktion eingehen, um die Kinder schwer in ihrer Entwicklung zu schädigen. Generell kommt es in stark triebtheoretisch ausgerichteten Analysen eher vor, dass das, was Patienten in ihrer Kindheit an schlimmen Erfahrungen, Traumatisierungen, alltäglichen Belastungen erlitten haben, zu kurz kommt gegenüber triebtheoretisch begründeten Konflikten. Wobei der Triebtheorie das Verdienst zukommt, in den unterschiedlichen Entwicklungsphasen typische und häufig auftretende Konfliktmuster erstmals systematisch erfassbar gemacht zu haben. Man kann diese Theorie auch nutzen, um die Auswirkungen von Traumata auf die psychosexuelle Entwicklung besser zu verstehen. Dabei kann man trotzdem das Kind im Patienten als Opfer einer familiären Entgleisung ansehen, dessen Anwalt der Analytiker in der Behandlung sein sollte.

Libido

Der Libidobegriff bei Freud ist ein widersprüchliches Konzept. Libido meint bei Freud keine wie bei Jung allgemeine, biologische Lebensenergie, sondern eine psychische Energie des Sexualtriebes, sie erfasst bis auf ein Trieb-Modell nie den ganzen Triebbereich. Im letzten Modell - Eros und Todestrieb - ist sie beispielsweise nur die Energie des ersten Komplexes. Hier wird die Libido bereits sehr umfassend gesehen, zumal die meisten Analytiker - vor allem in heutiger Zeit - die Existenz eines Todestriebes bezweifeln. "Die Libido als Triebenergie hat ihre Quelle in den verschiedenen erogenen Zonen; das Ich als Gesamtperson hortet diese libidinöse Energie, deren erstes Objekt es ist." (Laplanche, J. & Pontalis, J.-B., 1986, 206). Allerdings können die verschiedensten Dinge des Alltags libidinös besetzt werden, zum Beispiel durch Sublimierung, so dass die Libido auf diesem Weg doch wieder den Charakter eines relativ universalen Antriebes bekommt.

Freuds Topographisches Modell

Anregungen zu diesem Modell bekam Freud von Theodor Fechner (Drews, S. & Brecht, K., 1982, 50). Dieses Modell führte allerdings zu verschiedenen inhärenten Erklärungsschwierigkeiten, die erst im späteren Dreiinstanzen-Modell gelöst wurden.

  • Das Unbewusste (Ubw): "Freud hat die Frage des Inhalts des Systems Ubw nie unmissverständlich geklärt." (Drews, S. & Brecht, K., 1982, 51). Einerseits rechnet Freud phylogenetisch erworbene Inhalte dazu, andererseits nur das, was zuvor verdrängt wurde, und dann wieder Triebrepräsentanzen. Es bestehen hier also Widersprüche und Unklarheiten. "Die Darstellung der Widersprüche der inhaltlichen Aspekte des Ubw scheint uns an dieser Stelle angebracht, da das Problem der inhaltlichen Bestimmung des Ubw mit der Einführung des Strukturmodell auf das Es übertragen wird. Das Es jedoch wird die Matrix sein, aus der sich das Ich herausdifferenziert, und unter diesem Aspekt wäre es problematisch, als unbewusst nur zu bezeichnen, was verdrängt ist: das Ich hätte keine Entstehungsgrundlage, denn das Verdrängte entsteht ja erst auf seine Veranlassung hin." (Drews, S. & Brecht, K., 1982, 52).
  • Das System Bewusstsein (Bw): Das Bewusstsein empfängt Informationen aus der Außenwelt, das Bewusstsein hat keine Inhalte auf der Basis von Gedächtnisspuren, sondern ist quasi ein Sinnesorgan zur Wahrnehmung von psychischen Qualitäten (Drews, S. & Brecht, K., 1982, 52).
  • Das System des Vorbewussten (Vbw): Das Vorbewusste beinhaltet unbewusste, jedoch im Gegensatz zum Unbewussten bewusstseinsfähige Inhalte. Hier findet auch die Umwandlung von primärprozesshaftem in sekundärprozesshaftes statt, das heißt, hier findet die Zensur statt, aber auch die Anpassung der Triebwünsche an die Realität und deren Befriedigungsmöglichkeiten.

Das Problem dieses Systems ist, dass der Tätigkeit der Zensur kein geeigneter Ort zugewiesen werden kann. Das Problem besteht darin, "dass die Zensur und Abwehr entweder als vorbewusst-bewusste Tätigkeiten zu begreifen sind (dann müssten wir von einer Unterdrückung oder Urteilsverwerfung sprechen, die bekanntlich nicht pathogen und durch eigene Einsicht revidierbar ist) oder als unbewusster Vorgang. im zweiten Fall hat aber das Modell, weil dies in ihm nicht darstellbar ist, seine Funktion verloren. Da die therapeutische Erfahrung den unbewussten Charakter der Abwehr und der Verdrängung zwingend zeigt, lässt Freud auch das Modell der ersten Topik fallen." (Schöpf, A. 1982, 97).

Dieses Modell hat Freud 1923 vorgestellt (Freud, 1923). Sowohl das Ich als auch das Über-Ich umfassen nun bewusste und unbewusste Inhalte, nur das Es ist völlig unbewusst. Dadurch konnte das Problem der Verortung der zensierenden Instanz elegant gelöst werden.

  • Es: Völlig unorganisiertes, primäres Triebenergiereservoir, die Quelle unbewusster Triebregungen und Triebwünsche, der Ort archaischer Vorstellungen und Verhaltensmuster und der Bereich des Verdrängten. Das Es ist ein von Georg Groddeck geprägter Begriff.
  • Ich: Quasi an der Oberfläche des Es, die Instanz der Selbststeuerung, der Anpassungsfunktionen an die Realität und der Realitätsprüfung fähig. Das Ich ist aus dem Es entstanden und vertritt dieses in der Realität, es heißt, es moduliert die Triebbedürfnisse in eine realitätsgerechte Form.
  • Über-Ich: Der Bereich des Gewissens, der Werte, der verinnerlichten Vorbilder, der Ideale, der Gebote und Verbote und der moralischen Vorstellungen.

Methoden der therapeutischen Psychoanalyse

Generell geht die Psychoanalyse davon aus, dass schwere, unverarbeitbare Erfahrungen in der Kindheit verdrängt werden müssen, weil die kindliche Persönlichkeit anderenfalls darunter zusammenbrechen würde. Kein Kind kann zum Beispiel längere Zeit ertragen, von Elternteilen nicht geliebt oder gar teilweise gehasst zu werden. Die Psychoanalyse verspricht sich Heilung von der Bewusstmachung des Verdrängten, oder wie Freud es ausdrückte: "Wo Es war, soll Ich werden." Verdrängte Erfahrungen sind einer Bearbeitung und Verarbeitung durch das Bewusstsein entzogen und können nicht in die Persönlichkeit integriert werden. Dies soll in der Analyse allmählich und unter gleichzeitigem persönlichen Wachstum und persönlichem Erstarken, unterstützt von der menschlichen Hilfe der Analytiker, nachgeholt werden. Teilweise muss Trauerarbeit nachgeholt werden, alte Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster müssen, nachdem sie als Teil der persönlichen Geschichte erkannt wurden, durch neue ersetzt oder ergänzt werden. Teilweise heilt die Psychoanalyse auch dadurch, dass in der Beziehung zum Analytiker neue, korrigierende Erfahrungen gemacht werden, zum Beispiel, in dem in der Analyse zum ersten Mal die Erfahrung einer konstanten, unverbrüchlichen und haltgebenden zwischenmenschlichen Beziehung gemacht wird. Oder an der Person des Analytikers wird erlebt, dass verselbständigende und Abgrenzungs-Tendenzen keine negativen Reaktionen nach sich ziehen. Oder, dass die Person des Psychoanalytikers jemanden darstellt, der mit erotischen Anteilen einer Beziehung umgehen kann usw.

Unverarbeitete Anteile einer Lebensgeschichte oder Defizite an Nähe und Wärme schränken die Persönlichkeit ein und/oder führen zu unangemessenen Verhaltensmustern. Oft kommt es auch zu dem so genannten Wiederholungszwang. Freud erkannte, dass wir manche für uns kritischen und unverarbeitbaren Situationen unbewusst immer wieder herstellen (inszenieren), in der gleichfalls unbewussten Hoffnung, dieses Problem doch noch zu lösen. So sucht sich eine Frau, die als Kind unter ihrem kalten, unnahbaren Vater gelitten hat, oft wieder unbewusst eine solchen Ehemann aus und wiederholt mit ihm die alten Kämpfe und Konflikte. Manchmal projiziert sie auch nur diese Merkmale auf ihren Mann und bringt ihn auf unterschwellige Weise dazu, sich so uneinfühlsam wie früher ihr Vater ihr gegenüber zu verhalten. Oft ergänzen sich solche Muster bei Paaren auch auf unheilvolle Weise und führen zu einer Dynamik, aus der die Paare alleine nicht mehr herausfinden.

Eine andere Möglichkeit, wie sich solche Erfahrungen niederschlagen können, sind zum Beispiel Depressionen. Im Verständnis der Psychoanalyse sind Depressionen das Ergebnis von Beziehungsverlusten oder Beziehungsabbrüchen in der Kindheit, die aber nicht in der Schwere des Verlusts gefühlt und betrauert werden konnten, d. h. mit anderen Worten partiell geleugnet werden. Das kann zum Beispiel bei der Geburt eines jüngeren Geschwisters passiert sein, wenn sich die Eltern teilweise oder ganz von dem älteren Kind abwendeten, und niemand Augen für dessen Trauer und Wut hatte und ihm durch Verständnis und Zuwendung half, diese Situation zu verarbeiten. Manchmal können solche Depressionen auch erst aufbrechen, nachdem in der gegenwärtigen Lebenssituation ein Verlust durchzumachen war, bei dem unbewusst wieder die 'alte Wunde' aufbrach.

Das Setting

Die sog. klassische Psychoanalyse findet im Liegen statt, wobei der Analytiker außerhalb des Blickfeldes seines Analysanden saß. (Bei anderen Formen, z.B. der Fokaltherapie, sitzen sich beide gegenüber.) Der Grundgedanke der Psychoanalyse ist, dass der Analytiker als Persönlichkeit möglichst im Hintergrund bleibt, quasi eine weiße Wand, auf die der Patient alle seine frühen Beziehungspersonen, wie Vater, Mutter und Geschwister projizieren kann. Das macht der Patient in der Regel nicht absichtlich oder freiwillig, sondern unbewusst und automatisch. So erscheint der Analytiker zum Beispiel einmal unkonzentriert und wird dadurch zum Vater, der einem nie zugehört hat und sowieso kein Interesse an einem hatte. Die ursprüngliche Wut gegen den Vater richtet sich nun gegen den Analytiker(-Vater) und kann so vielleicht zum ersten Mal wirklich erlebt und gefühlt werden, weil die bedrohliche Aggressivität des tatsächlichen Vaters dies früher eventuell unmöglich gemacht hat. Ein anderes Beispiel wäre, dass dadurch, dass der Analytiker auf pünktlichem Stundenende besteht, er als versagende Mutter erlebt wird. Oder der Patient erlebt stürmische Verliebtheit in seinen Analytiker, was eine ödipale Situation wiederbelebt usw. Diesen Vorgang der Verschiebung auf den Analytiker nennt die Psychoanalyse Übertragung.

Die Übertragung

Den Vorgang des Hineinlegens früher Beziehungspartner und früher Beziehungserfahrungen in den Analytiker nannte Freud die Übertragung. Diese Übertragung ist zentraler Baustein einer jeden Analyse und wichtiger Bestandteil der Beziehung zwischen Analytiker und Analysand. Ein Beispiel: es können möglicherweise bei einem Analysanden frühe Erfahrungen der Geschwisterrivalität wiedererweckt werden durch einen weiteren Patienten, dem er im Wartezimmer begegnet oder der angesichts eines bevorstehenden Stundenendes gar ungeduldig an die Tür des Behandlungszimmers klopft und so die Stunde des Analysanden stört. Der Mitpatient wird dann vielleicht als verdrängendes Geschwister und der Analytiker als treuloser Beziehungspartner erlebt. Das kann sich zum Beispiel in heftigen Angriffen gegen den Analytiker äußern, der solchem Verhalten von Seiten des Mitpatienten nicht in ausreichendem Maße einen Riegel vorschiebe usw. Solche und generell Alltagssituationen, die in den Stunden besprochen werden, erlauben es oft, frühe Erfahrungen in Zusammenarbeit mit dem Analytiker wiederzubeleben und neu zu verarbeiten.

Man unterscheidet positive und negative Übertragung. Bei der positiven Übertragung werden positive Anteile früherer Beziehungen auf den Analytiker projiziert, bei der negativen Übertragung negative Anteile.

Die Gefühle und Vorstellungen, die der Analytiker wiederum als Reaktion auf das Verhalten der Patienten bekommt, nennt man die Gegenübertragung des Analytikers. In unserem Beispiel kann sich unser Analytiker vielleicht einen Moment lang völlig unzulänglich, nachlässig und treulos fühlen, so wie der Patient früher seine Eltern erlebt hat. Der Analytiker sollte in seiner eigenen Analyse bzw. Lehranalyse gelernt haben, eigene Gefühle und Vorstellungen von durch Patienten erzeugten Gefühlen und Vorstellungen zu unterscheiden, um angemessen damit umgehen zu können, statt mit dem Patienten unbewusst mitzuagieren.

Wenn der Patient im Analytiker aktuell vor allem Züge von sich selbst sieht, spricht man von einer Spiegelübertragung. Von komplementärer Gegenübertragung spricht man, wenn der Analytiker sich in der Rolle des früheren Beziehungspartners des Analysanden wahrnimmt, zum Beispiel in der Vater- oder Mutterrolle. Von konkordanter Gegenübertragung oder Spiegelgegenübertragung spricht man, wenn in einer Therapiesituation sich der Therapeut mit der Rolle und dem Erleben des Patienten identifiziert, sich in diesen hineinversetzt und das Erleben des Patienten nachempfindet.

Das freie Assoziieren

Die psychoanalytische Grundregel und das freie Assoziieren: Freud hat eine so genannte Grundregel aufgestellt, die dem Patienten zu Beginn der Behandlung mitgeteilt werden soll, nämlich, dass er alles, was ihm in den Stunden einfällt, mitteilen soll, auch wenn er es für bedeutungslos hält oder sich seiner Gedanken schämt. Er solle seine Gedanken nicht hemmen, sondern ihnen freien Lauf in jedwede Richtung lassen, was Freud das freie Assoziieren nannte. Freud nahm an, dass sich in dieser Form verkleidetes, unbewusstes Material äußere, und man es so für die Behandlung nutzbar machen könne. Da unbewusste Inhalte zunächst einmal als bedrohlich, peinlich oder schmerzhaft empfunden werden, setzt das Unbewusste des Patienten dem Aufdecken dieser Inhalte einen Widerstand entgegen, ein weiterer wichtiger Begriff in der Psychoanalyse. Der Therapeut geht zu Beginn der Behandlung mit dem Patienten ein so genanntes Arbeitsbündnis ein, d.h. der Patient stellt seinen Wunsch zur Gesundung, seine gesunden Persönlichkeitsanteile und seine Kooperationsbereitschaft mit dem Analytiker in den Dienst der gemeinsamen Aufgabe. Überspitzt gesagt, wird das Verdrängte von Patient und Therapeut als "unbekannte Landschaft" angesehen, die man mit vereinten Kräften gemeinsam entdeckt. Gerade die gemeinsame Beziehung wird aber durch unbewusste Konflikte immer wieder gefährdet, deshalb ist die Allianz zwischen Patient und Therapeut immer nur teilweise verlässlich und gleichzeitig ist diese Beziehung der Punkt, wo die Werkzeuge der Psychoanalyse wirksam angesetzt werden können, und wo exemplarisch die ursprünglichen Konflikte aufgearbeitet werden können. Das Übertragen alter Konflikte auf die therapeutische Beziehung nennt man, bezogen auf einzelne Störungen, auch die Übertragungsneurosen, d.h. die Lebensneurosen werden in der Behandlung zu Übertragungsneurosen. So können sich manchmal schon durch diesen Prozess Alltagsbefindlichkeiten verbessern, weil der Druck der Störung aus dem Alltag etwas herausgehalten werden kann und stattdessen seinen Raum in der Beziehung zum Therapeuten findet. Das Problem ist mit diesem ersten Schritt aber keinesfalls schon gelöst.

Bedeutung

Die Psychoanalyse spielt an Universitäten keine nennenswerte Rolle mehr, im klinischen Bereich (Therapie) besitzt sie auch heute noch eine größere Bedeutung. Sie wird heute in unterschiedlicher Form praktiziert. Nach wie vor gibt es strikt freudianisch ausgerichtete Analytiker, die in ihren Stunden fast nur schweigen und den Patienten frei assozieren zu lassen. Es gibt jedoch auch Mischformen, in denen der Analytiker einen aktiveren Part übernimmt, das klassiche Freudianische Setting (Patient auf der Couch - Analytiker außer Sichtweite) jedoch beibehalten wird.

Entscheidend für die heutige Bedeutung der Psychoanalyse in der Bundesrepublik ist die Frage der Finanzierung. Aufgrund der Methode der freien Assoziation sind Fortschritte nur sehr langsam, d.h. im Verlauf von sehr vielen Sitzungen möglich. Eine Analyse zieht sich typischerweise über drei bis fünf Jahre hin, mit meistens zwei, manchmal drei Sitzungen pro Woche. Damit stellt sie eine erhebliche finanzielle Investition dar. Prognosen über den Behandlungserfolg sind bei Psychotherapien prinzipiell schwierig und bei der Psychoanlyse teilweise umstritten. Damit ist die Finanzierung durch Krankenkassen schwierig und erfordert einen aufwändigen Antragsprozess. Privat finanzierte Analysen kommen nur für vemögende und eindeutig motivierte Personen in Betracht.

Die Psychoanalyse hat Kunst und Wissenschaft massiv beeinflusst und ist teilweise zu einer wichtigen Grundlage für andere Geistes- und Sozialwissenschaften geworden wie Soziologie, Pädagogik, Literaturwissenschaft oder die Theater- und Filmwissenschaft. Zahlreiche Begriffe aus der Psychonalyse (z.B. "Verdrängung", "Fehlleistung") sind zu Begriffen des Alltags geworden.

Außerdem haben sich die Beratungsformen der Supervision aus der lehranalytischen Praxis entwickelt. Ruth Cohn übertrug die analytische Arbeit auf Gruppen und entwickelte die Themenzentrierte Interaktion.

Weitere Entwicklungen der Psychoanalyse

Die Kritik an der Psychoanalyse muss sich häufig ihrerseits den Vorwurf gefallen lassen, dass sie sich auf einen längst nicht mehr aktuellen Stand ihrer Theoriebildung bezieht. Der häufige Vorwurf einer einseitigen Zentrierung der Psychoanalyse auf die Sexualität ist, wenn überhaupt, vielleicht bis in die fünfziger Jahre gültig. Jedoch schon zuvor und bis heute hat sich das psychoanalytische Theoriemodell ständig modifiziert und erweitert. Wesentliche Erweiterungen und eigenständige Entwicklungslinien innerhalb der Psychoanalyse sind:

Film und Psychoanalyse

Freud als Begründer der Psychoanalyse lehnte es selbst ab, an der Produktion eines Filmes über dieses Thema teilzunehmen. Für ihn war das Medium Film minderwertig in dem Sinne, dass es nur eine Simulation darstellt. Dennoch ist gerade die Verbindung zwischen Traum und Film offensichtlich. Psychoanalytiker wie auch Filmtheoretiker weisen darauf hin, dass es große Ähnlichkeiten zwischen dem Traumzustand und dem Zustand des Film-Schauens gibt. Diese manifestieren sich vor allem durch

  • die Flüchtigkeit der Bilder
  • den Dämmerzustand sowohl des Schlafens als auch im Kinosaal
  • die assoziativen Verknüpfungen der Bilder bzw. Szenen
  • die Rolle des Träumenden/Schauenden als Beobachter, der nicht eingreifen kann

Wenn man die Methoden der Psychoanalyse auf den Film anwenden will, so wird der Film gewissermaßen zum Klienten bzw. Patienten; es gilt also, die verschiedenen Ebenen der Bilder, die der Film zeigt, zu durchdringen. Dabei ist es wichtig, nicht den Drehbuchschreiber oder den Regisseur als zu analysierendes Objekt zu sehen, da man nicht davon ausgehen kann, dass die Filmbilder auch dessen Traumbildern entsprechen - egal, wie autobiographisch der Film ist. Vielmehr soll es darum gehen, die Wirkungsweise des Films auf den Zuschauer zu analysieren, die verwendeten Mittel wie Licht, Musik, Bewegung, Großaufnahmen etc. daraufhin zu untersuchen, was sie beim Publikum auslösen und inwiefern sie die Freudschen Urfantasien erfüllen. Dabei spielen Vorgänge wie Identifikation und das unbewusste Verarbeiten ödipaler oder narzisstischer Strukturen eine große Rolle. Vor allem Linda Williams geht davon aus, dass Filme nur dann erfolgreich sind, wenn sie die Urfantasien ansprechen, da der Zuschauer dadurch den Film tatsächlich miterlebt und unbewusst auf sich selbst beziehen kann. Maßgeblich ist bei der psychoanalytischen Filmtheorie, dass scheinbar unwichtige oder nebensächliche Details eine weitaus größere Wirkung auf die Psyche des Zuschauers haben, als dieser bewusst erfassen kann. Wichtige Vertreter dieser Filmtheorie sind Mechthild Zeul, Christian Metz, Teresa de Lauretis und Mary Ann Douane. Gemeinhin stützt sich die psychoanalytische Filmtheorie auf die Theorien von Jacques Lacan, da auch in diesem Gebiet Freud mittlerweile z.T. als überholt gilt.

Kritik

Die Psychoanalyse hat mit dem Problem des Subjektiven zu kämpfen: mehrere Schulen vertreten verschiedene Auffassungen auch zu fundamentalen Größen. Und dort, wo allgemeine Erkenntnisse entstanden sind, lassen sie sich nicht ohne weiteres auf das Individuum übertragen; dort, wo das Individuum mehr oder weniger vollständig verstanden ist, lassen sich die Erkenntnisse nicht verallgemeinern.

Die Psychoanalyse begegnete von Anfang an zahlreicher Kritik.

In der Anfangszeit musste sie sich mit dem kirchlichen Vorwurf des Pansexualismus auseinandersetzen.

Heute kommt die Kritik insbesondere aus der wissenschaftlichen Psychologie. Ein Ansatz für die Kritik ist, dass sich die Psychoanalyse nie sonderlich um eine empirische Überprüfung ihrer Ergebnisse bemüht hat. Freud versuchte zwar, der Psychoanalyse den Anschein eines naturwissenschaftlichen Systems zu geben; jeder Versuch, Thesen zu falsifizieren, wurde aber als "Widerstand" im Sinne der Psychoanalyse gedeutet. Mit der mangelnden Überprüfbarkeit sind wesentliche Kriterien für wissenschaftliche Arbeit nicht erfüllt. Von diesem Standpunkt aus wird die Psychoanalyse als Pseudowissenschaft betrachtet. Die Wissenschaft kennt keine "geschlossenen Systeme".

Daneben gab es im Nationalsozialismus wie auch im Stalinismus eine politisch motivierte Ablehnung des psychoanalytischen Lehrgebäudes, in NS-Deutschland bezog man sich hierbei auf Alfred Hoche.

Literatur

Siehe auch


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