Zum Inhalt springen

Fritz Levy

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 15. März 2004 um 17:00 Uhr durch GregorHelms (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Fritz Levy, der letzte Jude von Jever

Fritz (eigentlich Friedrich)Levy wurde am 6. Mai 1901 als Sohn einer jüdischen Viehhändlerfamilie in Jever geboren. Er absolvierte als Klassenbester 1918 das Abitur am Städtischen Mariengymnasium. Er studierte einige Semester Tiermedizin in Berlin, mußte aber das Studium abbrechen, da sein Vater Julius Levy bei einem tragischen Unfall ums Leben kam.

Fritz Levy übernahm den väterlichen Viehhandel und Schlachtereibetrieb, der sich in Jever auf dem Eckgrundstück Schlosserstraße / Bismarckstraße befand. "Mit den Nazis war das zunächst halb so wild." schreibt Fritz Levy in seinen Lebenserinnerungen. "Davon haben wir Juden erst 1933 etwas bemerkt."

Er besucht die Propagandaversammlungen der Jeverschen NSDAP. Als er von Saalordnern auf das Schild "Für Juden verboten!" hingewiesen wird, antwortet er: "Da steht doch für Juden ... ich bin aber doch nur ein einzelner Jude!" Es kommt zu handgreiflichen Auseinadersetzungen, in denen der "blonde und blauäugige Jude von Jever" sich mit seinen starken Fäusten teilweise erfolgreich zur Wehr setzt. Am 16. Juni 1938 morgens kurz vor sieben Uhr wird Fritz Levy von zwei Polizisten verhaftet. Sie bringen ihn nach Wilhelmshaven. Von hier aus geht es mit einem Sammeltransport in das KZ Sachsenhausen bei Oranienburg. Überraschenderweise wird er jedoch nach einem halben Jahr wieder entlassen. Der Amtsrichter Kropp aus Jever hatte sich für ihn eingesetzt.

Am 16. Dezember 1938 trifft er wieder in seiner Heimatstadt ein. "Die Stadt" - so Levy - "hatte sich innerhalb eines halben Jahres total verändert." Vom 9. auf den 10. November war wie überall in Deutschland auch die Synagoge der 149 Mitglieder zählenden jüdischen Gemeinde durch Brandanschlag der Nazis total zerstört worden. Die Mehrzahl der jüdischen Mitbürger war entweder verschleppt worden oder hatte ins Ausland flüchten können. Die jüdischen Geschäfte wurden geschlossen.

Fritz Levy will auswandern. Er denkt zunächst an Argentinien. Ein Einwanderungsantrag, den er beim argentinischen Konsulat in Bremen stellt, wird abschlägig beschieden. So buchte er für 1200 Reichsmark einen Platz auf dem nächstbesten Schiff: Es war der Frachtdampfer Oder, der ihn nach Shanghai in China brachte.

Shanghai war damals eine autonome Stadt, in der viele europäischen Handelsgesellschaften ihre Niederlassung hatte. Bereits seit dem 19. Jahrhundert existierte in Shanghai eine große jüdische Gemeinde (Sepharden). Anfang des des 20. Jahrhunderts waren weitere Juden aus Rußland zugezogen, die eine zweite Gemeinde bildeten. Viele Juden aus Deutschland haben hier in der Zeit des III. Reiches Zuflucht gefunden.

Fritz Levy findet im Europäerviertel Shanghais Wohnung und Arbeit als "Quicktransporter". Mit Fahrrad und Anhänger fährt er Waren aus. In den Zeitungen liest er von den Massenvernichtungen in deuteschen Konzentrationslagern. "Aber so etwas konnte man einfach nicht glauben, wenn man solange wie ich in Deutschland gelebt hat." schreibt Levy in seinen Lebenserinnerungen.

Nach Kriegsende in Europa kommen die Amerikaner nach Shanghai. Sie stellen Fritz Levy für 50 Dollar im Monat als Kraftfahrer ein. 1949 reist er über Canberra / Ausstalien nach San Franzisco / USA. Noch in Canberra stellt er über eine amerikanische Organisation den Antrag, sein von den Nazis beschlagnahmtes Vermögen zurück zu erhalten. Er hat anfangs vor, in den USA zu bleiben. "Das Heinweh" so Fritz Levy - "ließ mich aber nicht zur Rughe kommen."

1951 kehr er über New York und Amsterdam nach Jever zurück. In den Händem hält er nur einen Pappkoffer mit den wichtigsten Utensilien des täglichen Bedarfs. Er erfährt erst jetzt, dass seine Mutter und Geschwister sowie sämtliche Vewandte im Konzentrationslager Theresienstadt umgekommen sind.

Die Jeveraner sind zunächst ihm gegegnüber sehr freundlich und bieten ihm Geld für den Neustart in der Heimat an. Nach kurzem Verfahren erhält er seine Immobilien zurück. Fritz Levy hat für die Jeveraner etwas zu bieten: In der Zeit der Entnazifizierung bot ein sogenannter "Persilschein" den Wiedereinstieg ins Berufsleben. Ein solcher Persilschein hatte eine besondere Wirkung, wenn er von einem Juden unterschrieben wurde. Fritz Levy stellte viele Persilscheine aus.

Erst in der Folgezeit - die Entnazifierung ist inzwischen abgeschlossen - die Ablehnung seiner "ehemals dunkelbraunen" Heimatstadt. Er entwickelt sich zum Sonderling. Der Zustand seines Hauses entspricht in keinster Weise den bürgerlichen Standards der friesländischen Kleinstadt. Die Tote seines Grundstücks werden mit Hakenkreuzen beschmiert. Manche äußern: "Fritz Levy hat man vergessen zu vergasen!" Andere bezeichnen ihn als "Schandfleck von Jever".

Fritz Levy reagiert mit Aggression und Depression. Wochenlang verbarrikadiert er sich in seinem Haus an der Bismarckstraße, dann tritt er wieder an die Öffentlichkeit, verfaßt Flugblätter, wird im Rathaus vorstellig, erhebt Anklage und wird angeklagt. Ein erster Suizidversuch erfolgt.

Zur jeverschen Jugend entwickelt Levy ein intensives Verhältnis. Er investiert Geld in das von ihnen ertrotzte Jugendhaus und wird prompt in den Beirat der Einrichtung gewählt. 1981 kandidierte er für den jeverschen Stadtrat als Einzelbewerber - und wird vor allem von jugendlichen Wählern gewählt.

Die große Presse wird auf ihn aufmerksam. Der SPIEGEL, der "Stern" und sogar die New Yorker Times berichten über "den letzten Juden von Jever". Nach den ersten spektakulären Auftritten im Stadtrat und in den Ausschußsitzungen wird es allerdings wieder schnell ruhig um ihn. Seine Freunde erinnern sich, dass der Trubel um seine Person ihn müde gemacht haben. Er kommt mit dem Leben nicht mehr zurecht und wählt 1982 den Freitod.

Elke Baur hat 1994 mit ihrem Dokumetarfilm "FRITZ LEBT!" dem letzten Juden von Jever ein Dankmal gesetzt - ebenso Peter Faecke mit seinem Roman "Ankunft eines Schüchternen im Himmel".

  • Hinweis auf den Film von Elke Baur:[[1]]

Hier finden Sie ein Bild von Fritz Levy: [[2]]