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Mietskaserne

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Toreinfahrt in die Hackeschen Höfe in Berlin

Als Mietskasernen bezeichnet man große, meist 5-geschossige Mietshäuser aus der Zeit der Industrialisierung für die untere Bevölkerungsschicht. Diese Mietskasernen wurden von vermögenden Personen so gebaut, dass sie eine möglichst hohe Anzahl von Wohnungen auf dem gegebenen Grundstück hatten und damit den Gewinn maximierten. Dabei wurden die Bauvorschriften ausgereizt oder sogar ignoriert. Grundlage dieser Bauvorschriften bildete in Berlin der von James Hobrecht ins Leben gerufene Hobrecht-Plan.

Typische Mietskasernen

Mietskasernen existierten in Deutschland vor allem in Berlin und Hamburg, wo die großen Grundstücke großflächig überbaut wurden. Ansonsten wurde dieser Gebäudetyp im damaligen Deutschland im Westen seltener als im Osten errichtet. In Österreich wurde er besonders in Wien unter der Bezeichnung Zinshaus gebaut. An das repräsentative Vorderhaus schlossen sich mehrere aneinandergebaute Hinterhäuser an, so dass dazwischen nur noch enge, meist rechteckige Höfe frei blieben, die nur durch Durchfahrten unter den Häusern zugänglich waren. Eine Abfolge von drei oder vier Höfen war keine Seltenheit. Als ganz besonders extremes Beispiel gilt der Meyers Hof in der Berliner Ackerstrasse.

Diese Anordnung hatte den Stil von Kasernen, daher auch die Namensgebung. Die Innenhöfe beherbergten oft noch Gewerbebetriebe im Erdgeschoss und wurden in vielen Fällen genau so groß konzipiert, dass gerade mal eine pferdegezogene Feuerwehrspritze darin wenden konnte. Laut Baupolizeiordnung mussten dies genau 5,34×5,34 Meter sein.

Hofplan der Hackeschen Höfe

Die Gestaltung der Vorderhäuser lehnte sich an Bürgerhäuser an und sie boten für die Bewohner, Facharbeiter und Kleinbürger oder sogar die Eigentümer akzeptable bis gute Wohnverhältnisse. Die Wohnungen in den Hinterhäusern waren dagegen mangels Licht und Luft ungesund, besonders die Wohnungen im Tiefparterre und Dachgeschoss. Dennoch mussten die Bewohner 25 bis 30% ihre Einkommens für die 2 bis 3-Zimmer-Wohnungen ausgeben, die aus einer Wohnküche und einem oder zwei Zimmern bestanden. Oft wurden die zusätzlichen Räume der beengten Wohnungen wieder untervermietet oder ein Bett an einen Schlafgänger vermietet. Dieser durfte nachts ein Bett in der Wohnung benutzen. Die Familie lebte hauptsächlich in der Wohnküche.

Die Wohnqualität in den Hinterhäusern war, vor allem im Gegensatz zu den Vorderhäusern, sehr schlecht. Badezimmer gab es höchstens nur in den Komfortablen Wohnungen der Vorderhäuser, während häufig eine Toilette auf dem Gang von mehreren Wohnparteien benutzt wurden. Zum Waschen holte man sich entweder einmal in der Woche eine Badewanne in die Küche oder ging in die Badeanstalt. Es kam auch vor, dass etwa 30 Personen in einer Wohnung lebten. Je nach Bezahlung hatte man nur einen Schlafplatz im Flur oder als Familie konnte man sich ein Zimmer mieten.

Um die Untervermietung einzudämmen, wurden bei späteren Bauten für die Arbeiter die Küchen bewusst klein gehalten, damit die Familie auch die übrigen Räume der Wohnung benutzen musste, z.B. so ausgeführt beim sozialen Wohnungsbau in Stuttgart bei den Siedlungen Ostheim und Südheim (allerdings sind dies keine Mietskasernen).

Gründe für das Entstehen der Mietskasernen in Berlin war die durch starken Zuzug verursachte Wohnungsnot, Ausweisung großer Baugrundstücke und eine Bauordnung, die eine sehr dichte Überbauung ohne Abstände gestattete.

Eine Reaktion auf die beengten Wohnverhältnisse war die Gartenstadtbewegung und ab den 1920er Jahren ein genossenschaftlicher Wohnungsbau, in Wien die Gemeindebauten.


Kreuzberger Eckhaus (Bau um 1875) in der Nähe des Landwehrkanals

Siehe auch

Literatur

  • Adolf Damaschke: Die Bodenreform. Grundsätzliches und Geschichtliches. Berlin, 1902
  • Johann Friedrich Geist, Klaus Kürvers: Das Berliner Mietshaus. (Drei Bände in denen auf über 1.500 Seiten die Entwicklung Berlins in den vergangenen 300 Jahren nachgezeichnet wird. Eine Pflichtlektüre, wenn man zur Berliner Historie arbeitet.)