Gefängnis
Gefängnis ist die früher übliche amtliche Bezeichnung für ein Gebäude zur sicheren Unterbringung von Strafgefangenen oder Untersuchungsgefangenen, in der Umgangssprache ist Gefängnis immer noch der führende Begriff für jede Art von strafrechtlich verordnetem Freiheitsentzug. Offiziell heißen Gefängnisse heute in Deutschland Justizvollzugsanstalt (Abkürzung: JVA), in der Schweiz Strafanstalt und in Österreich Strafvollzugsanstalt.

Bauweise von Gefängnissen
Ein Gefängnis ist in aller Regel ein Gebäude, das von einer gesicherten, hohen Mauer umgeben ist. Innerhalb der Mauer befindet sich einer oder mehrere Zellentrakte, in denen die Gefangenen untergebracht sind. Die Fenster der Zellen sind im geschlossenen Vollzug vergittert, im offenen Vollzug möglicherweise unvergittert. In der Regel sind die Insassen in Einzelhafträumen untergebracht. Siehe auch Strafkolonie.
Im Laufe der Geschichte hat sich der Aufbau von Gefängnissen stark verändert. Zu Beginn hatten Gefängnisse mehr Ähnlichkeiten mit Verliesen und kalten, stinkenden Kellerräumen als mit den heutigen Gebäuden. Die einzelnen Gefängniszellen sind voneinander durch Mauerwerk oder durch Eisengitter abgetrennt, und ein langer Korridor dient als Zugang zu den einzelnen Zellen.

Hervorzuheben ist das sogenannte Panopticon- oder Bentham-Design, welches Ende des 18. Jahrhunderts in England entworfen wurde. Hauptbestandteil dieser Idee war, dass alle Zellen kreisförmig angeordnet sind und dass jede Zelle von einem zentralen Punkt einsehbar ist (siehe Bild). So kann eine geringe Zahl von Aufsehern eine möglichst große Zahl von Insassen beaufsichtigen. Ebenfalls bekommen die Gefangenen das Gefühl, ständig kontrolliert zu werden - weil sich der Wärter nur umzudrehen braucht, um eine andere Person zu beobachten. Das Verhältnis zwischen effektiv ausgeübter Kontrolle und Selbstkontrolle der Häftlinge ist besonders günstig.
Diese Bauweise, obwohl eigentlich für das Beaufsichtigen von Fabrikarbeitern entworfen, hätte 1811 zum ersten Mal in einem Gefängnisbau verwendet werden sollen. Das Projekt wurde abgebrochen, aber die Panopticon-Idee beeinflusste einige Gefängnisbauten der viktorianischen Zeit. Eine Abwandlung des Prinzips bestand darin, dass von einem zentralen Punkt aus alle sternförmig verlaufenden Korridore eingesehen werden können.
Die Strafanstalt Pentonville Prison, London [1] oder die Luftaufnahme des Gefängnisses im bekannten Film A Clockwork Orange zeigen die Merkmale eines Panopticon-Baus.
Volkstümliche Bezeichnungen
Für Gefängnis hat sich im Laufe der Jahre im Volksmund eine Vielzahl von Bezeichnungen geprägt, wie zum Beispiel: Knast (vom jiddischen "knassen" für "bestrafen") , schwedische Gardinen, Kittchen, Gitter und Bau, in Österreich auch Häfen. In der Schweiz wird das Gefängnis auch "Kiste" genannt.
In vielen Städten haben sich für die dortigen Gefängnisse im Volksmund gebräuchliche Bezeichnungen etabliert, die oft auf die Örtlichkeit zurückgehen, an denen sich die Gefängnisse befinden:
- Santa Fu im Hamburger Stadtteil Fuhlsbüttel
- Moabit im Berliner Stadtteil Moabit
- Klingelpütz in Köln, geht auf den Namen einer Straße zurück, an dem sich bis 1968 ein Gefängnis befand.
- JVA Bochum (Krümmede)
- St. Adelheim in München-Stadelheim
- Stein im Stadtteil Stein von Krems an der Donau
Bekannte Gefängnisse
- Abu-Ghuraib-Gefängnis im Irak
- Alcatraz bei San Francisco (USA)
- JVA Stuttgart-Stammheim
- Fuhlsbüttel I und II in Hamburg
- Gelbes Elend in Bautzen
- Zuchthaus Waldheim, (Waldheimer Prozesse)
- Fort Leavenworth in den USA
- Camp X-Ray in der Guantanamo Bay
- Bastille, ehemaliges Staatsgefängnis in Paris
- Newgate, ehemaliges Gefängnis in London
Alltag im Gefängnis
Gefängnisse dienen dazu, dass die Strafe an sich überhaupt eine Freiheitsstrafe ist: Häftlinge dürfen das Gefängnisgebäude nicht verlassen, ihre Bewegungsfreiheit ist also eingeschränkt. Das heißt, ein Aufenthalt im Gefängnis ist kein Verzicht auf (bescheidenen) Komfort, sondern nur ein Zwang, sich für eine bestimmte Zeit im Gefängnisgebäude aufzuhalten. Je nach Land ist es üblich, dass Häftlinge die Gelegenheit erhalten, in ihrer Freizeit Spiel und Sport betreiben zu können. TV-Apparate in den Zellen sind die Regel. Auch gibt es Gefängnisbüchereien und andere Möglichkeiten zum Zeitvertreib. Die Unmöglichkeit von Ehe- und Familienleben während der Haftzeit ist eine der schwersten Einschränkungen für die Gefangenen.
Anders als im (inzwischen abgeschafften) Zuchthaus, wo die Häftlinge mit Zwangsmitteln zur harten körperlichen Arbeit (z.B. Steinbrucharbeiten, Torf stechen) angehalten wurden, ist es im Gefängnis zwar nicht üblich, Zwangsarbeit zu leisten, die Gefangenen sind aber sehr wohl zur Arbeit verpflichtet. In Deutschland, sofern sie sich in Strafhaft befinden oder oder unter im Alter unter 21 sich in Untersuchungshaft befinden, da Jugendliche aus erzieherischen Gründen arbeiten müssen. Viele Gefangene arbeiten z. B. in der Wäscherei, in der Schneiderei (jailwear), Werkstätten auf dem Gefängnisgelände oder in der Küche der Einrichtung mit, um Geld zu verdienen und häufig Schulden zu tilgen. Über einen Teil dieses Lohnes (3/7 in Deutschland, das sog. Hausgeld) kann der Gefangene frei verfügen (zum Beispiel für Einkäufe im Gefängniskiosk, für Zigaretten etwa), 4/7 (Überbrückungsgeld) dienen (in Deutschland) als Rücklage für die Zeit nach der Entlassung. Ähnliche Regelungen gibt es in Österreich und der Schweiz.
Ein üblicher Tagesablauf sieht etwa wie folgt aus:
Dieser Tagesablauf kann aber von Anstalt zu Anstalt varieren, so dass der Aufschluss erst um 6.30 stattfindet, der Einschluss aber bereits um 16.00 erfolgen kann.
Der Sinn von Gefängnissen
In den verschiedenen politischen und philosophischen Anschauungen genießt das Gefängnis als Institution mehr oder weniger Wertschätzung. Vertreter der politischen Linke/Sozialdemokraten sind eher gegen Gefängnisse eingestellt, während die Bürgerlichen und Rechtsparteien das Gefängnis befürworten. Weil die Bewegungsfreiheit zu den unerlässlichen Grundrechten jedes Bürgers gehört, braucht das Gefängnis als Strafmittel eine besonders gut abgestützte rechtliche, moralische und ethische Rechtfertigung.
Zu beachten ist, dass sich die Diskussion über die Berechtigung von Gefängnisstrafen hauptsächlich innerhalb der drei Eckpunkte Rache, Wiedergutmachung und Freiheit des Individuums abspielt. Es wird wohl nie möglich sein, eine Strafe einzuführen, welche allen drei Maximen gerecht wird.
Argumente für Gefängnisse
- Prävention: Gefängnisse sind dazu da, um gefährliche Menschen von der Gesellschaft fernzuhalten. Ohne jeden Zweifel existieren in jeder Gesellschaft Individuen, die von ihrer Psyche her nicht oder nur kaum daran gehemmt werden, andere Menschen an Eigentum oder Leib und Leben zu schädigen.
- Einsicht: Im Gefängnis hat jeder Straftäter genügend Zeit, um in sich zu kehren und die Unrechtmäßigkeit einzusehen. Viele Menschen begehen nach der Haftentlassung keine Straftaten mehr.
- Abschreckung: Die Aussicht auf eine lange Haftstrafe hält Menschen davon ab, Verbrechen zu begehen.
- Legitime Rache und Blitzableiterfunktion: Da Selbstjustiz (z.B. "Lynchen") nichts anderes bedeutet als dass eine weitere Straftat begangen wird, ist Selbstjustiz natürlich verboten. Aber es ist verständlich, dass sich der Staat stellvertretend für die Opfer eines Verbrechens rächt; das Selbstvertrauen der Opfer wird gestärkt. Der Staat federt quasi die Wut der Opfer ab.
Argumente gegen Gefängnisse
- Fehlende Bildung: Eine gute Ausbildung schützt vor Inhaftierung. In der Tat werden am wahrscheinlichsten jene Menschen kriminell, welche über keinen Schulabschluß und keine Berufsausbildung verfügen. In den Gefängnissen wird diesen Bildungsdefiziten kaum entgegengewirkt. Die angebotene Bildung erreicht zumindest keine nennenswerte Quantität, wobei aber Bildungs- und Ausbildungsbemühungen in den Gefängnissen oft an mangelnder Bildungsfähigkeit als auch Bildungswilligkeit der Gefangenen scheitern.
- Kosten: In einem typischen Schweizer Gefängnis kostet jeder Gefangene pro Tag rund 200 Franken (etwa 130 €). Für Deutschland und Österreich gilt ähnliches. Kostentreibend wirkt die Bewachung, besonders bei gefährlichen Straftätern.
- Wiedergutmachung des Schadens geschieht nicht. Die Justiz bemüht sich um Lösungen, die sowohl dem Opfer als auch dem Täter möglichst gerecht werden (Opfer-Täter-Ausgleich). In vielen Fällen ist es jedoch nicht möglich, ausgleichende Gerechtigkeit zu schaffen ("ich habe dir X geklaut, also muss ich dir X zurückerstatten"), wie etwa bei Verbrechen gegen Leib und Leben.
- Psychische Krankheiten: Die Haft macht krank und das Gefängnis dient als Bewahranstalt für psychisch kranke Mitglieder der Gesellschaft. Eine Krankheit läßt sich aber nicht mit strafrechtlichen Mitteln "heilen". Häufig entwickeln sich psychische Störungen erst unter den Haftbedingungen. Viele Gefangene sind aber auch bereits bei der Inhaftierung psychisch krank. Dies trifft häufig zu bei Drogensüchtigen, die wegen Konsums illegaler Drogen inhaftiert wurden. Oft sind es psychisch Kranke, die aufgrund ihrer Labilität im Gefängnis besonders leicht in die Drogensucht abrutschen.
- Fehlende Abschreckung: Das Gefängnis schreckt kaum diejenigen ab, die ohnehin nichts mehr zu verlieren haben. Wenn jemand keine Arbeit findet (etwa wegen kaum vorhandener Bildung), durch jedes soziale Netz gefallen und/oder völlig verarmt ist, dann ist eine Gefängnisstrafe eine überlegenswerte Alternative. Im Gefängnis sind z. B. Essen und Obdach gewährleistet. Der Staat wäre also eigentlich gezwungen, die Gefängnisse so karg und unmenschlich auszustatten, daß eine Gefängnisstrafe trotzdem noch abschreckend wirkt; dies ist aber mit heutigen Vorstellungen von Menschenwürde und körperlicher Unversehrtheit nicht zu vereinbaren.
- Solidarisierung der Kriminellen und Bildung einer homogenen Masse von Verbrechern: Im Gefängnis treffen viele Menschen aufeinander, die der Kriminalität gegenüber wohlwollend eingestellt sind (oder waren). Auch können sie sich miteinander solidarisieren, da alle ein ungefähr ähnliches Lebensschicksal teilen. Dieser Effekt ist unerwünscht, schließlich sollen sie ihr schlechtes Beispiel aufgeben.
- "Hochschule des Verbrechens": Jeder Kriminelle hat, zumindest bis zu seiner Verhaftung und Verurteilung, ein erfolgreiches kriminelles Leben geführt. Da im Gefängnis Menschen mit krimineller Vergangenheit aufeinander treffen, lässt sich nicht verhindern, dass sie sich einander "Tipps und Tricks" lehren. Dies ließe sich nur durch Einführung der unmenschlichen Isolationshaft verhindern.
Man versucht Punkt 6 und 7 entgegenzuwirken, indem das Strafvollzugsgesetz vorsieht, dass Kriminelle mit leichteren Vergehen während ihrer Haftstrafe nach Möglichkeit von den eigentlichen Schwerkriminellen getrennt untergebracht werden. Aus den gleichen Beweggründen gibt es auch eine Trennung von Erst- und Mehrfachverurteilten, Erwachsenen und Jugendlichen sowie Strafgefangenen und Untersuchungsgefangenen (StVollzG § 141 Differenzierung).
Gefängnistypen
Es gibt geschlossene und halboffene Strafanstalten. Am bekanntesten, weil auch am berüchtigsten, sind die geschlossenen. Dazu gehören alle üblichen Gefängnisse. Die Häftlinge befinden sich rund um die Uhr in der Einrichtung. In der Halbgefangenschaft, dem offenen Vollzug, ist es dem Häftling erlaubt, tagsüber die Einrichtung zu verlassen, um einer geregelten Arbeit nachzugehen. Bei kleineren Delikten sowie bei der Resozialisierung der Gefangenen wird auf die Halbgefangenschaft zurückgegriffen. Auch liegt in halboffenen Anstalten nicht der Schwerpunkt im Wegsperren bzw. im Denkzettel verpassen, sondern in der praktischen Lebenshilfe und Vorbereitung auf das Leben in vollständiger Freiheit.
Eine andere Einteilung richtet sich nach der Straflänge. Nicht jede Justizvollzugsanstalt "beherbergt" Straftäter aller Couleur. Zudem existieren gesonderte Anstalten für Jugendliche und junge Erwachsene, Männer und Frauen.
Geschichte
Historische Gefängnistypen
Siehe Arbeitslager, Festungshaft, Gefängnisinsel, Kerker, Konzentrationslager, Verlies, Zuchthaus
Berühmte Gefangene
Einige der bedeutendsten Figuren der Kulturgeschichte haben kürzere oder längere Zeit in einem Gefängnis eingesessen. Besonders erwähnenswert sind u.a.:
- Johann Sebastian Bach (1685-1750, der große Komponist) "Als er [im Jahr1717] bei der Neubesetzung der Hofkapellmeisterstelle übergangen wurde, verlangte er vom Herzog [von Weimar] seine Enthebung. Er wurde festgenommen, vier Wochen in Haft gehalten und sodann mit allen Zeichen der Ungnade entlassen."
- Miguel de Cervantes (1547-1616, der spanische Nationaldichter) Floh 1569 vor der spanischen Justiz außer Landes, wurde 1575 von Piraten gefangengenommen und verbrachte fünf Jahre in Sklaverei, wurde Steuereintreiber, trieb wohl auch in die eigene Tasche ein und kam deshalb 1597/98 und wieder 1602 ins Gefängnis, wo er den Don Quijote zu schreiben begann.
- Evariste Galois (1811-1832, Mitbegründer der Gruppentheorie) Wurde inhaftiert wegen bewaffneter Teilnahme an einem antiroyalistischen Umzug. Starb einen Monat nach seiner Haftentlassung in einem Duell um die Tochter des Gefängniskrankenhausarztes.
- Hugo Grotius (1583-1643, der Begründer des modernen Völkerrechts) 1618 in einem Parteikampf um die Regierung der Niederlande gegen Moritz von Nassau unterlegen, zu lebenslanger Haft verurteilt. 1621 gelang es seiner Frau und seinem Dienstmädchen, als der Gefängnischef einen Jahrmarkt besuchte, Grotius von Wachsoldaten in einer Bücherkiste aus dem Gefängnis tragen zu lassen. Er floh in Frauenkleider weiter nach Paris.
- Sophus Lie (1842-1899, Mathematiker, Erforscher der Lie-Gruppen) versuchte als neutraler Norweger während des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 von Paris nach Italien zu reisen, kam aber nur bis Fontainebleau, wo er als deutscher Spion verhaftet wurde; seine mathematischen Notizen wurden für eine codierte Nachricht gehalten.
- Werner von Siemens (1816-1892, Naturforscher, Erfinder, Industrieller) in seinem erlernten Beruf Artillerieoffizier als Sekundant an einem Duell beteiligt, gemäß den Gewohnheiten der preußischen Armee zu 10 Jahren Festungshaft verurteilt, ebenso gewohnheitsmäßig nach sechs Monaten begnadigt. Bat um Verlängerung der Haft, um begonnene elektrochemische Experimente zu beenden, was als Undank gegen königliche Gnade angesehen und scharf abgelehnt wurde.
Siehe auch
Weiterführende Informationen
Literatur
- Kurt Brandenberger: Zellen der Gefahr. In: Nachrichtenmagazin FACTS, 18. November 2004 (Reportage über den Alltag in der Lenzburger Strafanstalt)
- Michel Foucault: Überwachen und Bestrafen: Die Geburt des Gefängnisses. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-518-27784-7
- Helmut Ortner: Gefängnis. Eine Einführung in seine Innenwelt. Geschichte, Alltag, Alternativen. Beltz, Weinheim 1988, ISBN 3-407-55706-X
- Wacquant, Loïc, Elend hinter Gittern, UVK 2000
Wikilinks
Siehe auch Arrest, elektronische Fußfessel, Isolationshaft, Karzer,
Weblinks
- http://www.knast.net
- http://www.strafanstalt-lenzburg.ch
- http://www.justizvollzug-bayern.de/JV
- http://www.haeftling.de/ Kleidung hergestellt von Häftlingen (jailwear)