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Aargauer Klosterstreit

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Katholiken und Liberale streiten um die Aargauer Klöster: Karikatur aus dem Satiremagazin "Guckkasten" vom 25. März 1841

Der Aargauer Klosterstreit war eine Auseinandersetzung zwischen dem Kanton Aargau und den katholisch-konservativen Kantonen der Schweiz, die ihren Ursprung in der Aufhebung aller Aargauer Klöster im Jahr 1841 hatte. Dieser Konflikt hätte beinahe einen Krieg mit Österreich zur Folge gehabt und mündete schliesslich in den Sonderbundskrieg von 1847.

Vorgeschichte

Nach der Annahme der Badener Artikel stellte die von (meist reformierten) Liberalen dominierte Regierung im Jahr 1835 die Klöster unter staatliche Verwaltung, verfügte die Schliessung der Klosterschulen und verhängte ein Verbot zur Aufnahme von Novizen. Die Verfassung von 1831 sah eine Totalrevision innerhalb von zehn Jahren vor. Die Ende 1840 neu ausgearbeitete Verfassung unterschied sich kaum von der alten und wurde in der Volksabstimmung abgelehnt. Die Liberalen störten sich an der Parität, dem Grundsatz, dass in allen Behörden gleich viele Reformierte wie Katholiken vertreten sein mussten. Der zweite Entwurf fiel in ihrem Sinne aus und wurde am 5. Januar 1841 mit 58 % angenommen. Dabei reichte die Zustimmung von 0,1 % im katholischen Wahlkreis Stetten bis 99 % im reformierten Wahlkreis Brugg.

Konservative katholische Kreise wollten sich mit dem Resultat nicht abfinden, im Freiamt, im Fricktal und in der Region Baden kam es zu Unruhen. Diese wurden von Regierungstruppen rasch unterdrückt, am 12. Januar war die Situation wieder unter Kontrolle. Lediglich bei Villmergen hatte ein kleineres Gefecht stattgefunden; dabei starben zwei Regierungssoldaten und sieben Aufständische.

Die Klosteraufhebung

Am 13. Januar 1841 forderte der katholische Seminardirektor Augustin Keller in einer Rede im Großen Rat (Kantonsparlament) die Schließung sämtlicher Klöster. Er bezeichnete sie als Ursprung allen Übels und Drahtzieher des konservativen Putschversuches. Sein Antrag auf sofortige Aufhebung der Klöster wurde mit 115 zu 19 Stimmen angenommen, bei 9 Enthaltungen, wobei der Große Rat aus 200 Mitgliedern bestand. Aufgrund der eiligst einberufenen Sitzung konnte die große Mehrheit der katholischen Grossräte an der Sitzung im reformierten Aarau gar nicht teilnehmen. Die Sitzung hätte schon am 12. Januar stattfinden sollen, war aber aufgrund der vielen (vor allem katholischen) Absenzen gar nicht beschlussfähig. Ein kantonales Rechtsmittel gegen den Entscheid gab es nicht.

Die Regierung schritt unmittelbar zur Tat und ging dabei wenig zimperlich vor. Die Nonnen erhielten eine Frist von acht Tagen, um aus den Klöstern auszuziehen, die Mönche mussten sogar innerhalb von 48 Stunden den Kanton verlassen. Geschlossen wurden die Benediktinerklöster Muri, Hermetschwil und Fahr, die Zisterzienserklöster Wettingen und Gnadenthal, die Kapuzinerklöster Baden und Bremgarten sowie das Chorherrenstift in Baden. Die Klostervermögen von insgesamt 6,5 Millionen Franken wurden eingezogen (dies entsprach dem siebenfachen der jährlichen Steuereinnahmen) und die Bestände der Klosterbibliotheken in die Kantonsbibliothek in Aarau überführt. Das Armenwesen des Klosters wurde vom Staat nur unvollständig ersetzt, so dass die von der Klosteraufhebung betroffenen Gemeinden mit großer Armut beschlagen wurden. Das Versprechen der Regierung, die Klostervermögen vollumfänglich für Kirchen-, Schul- und Armenzwecke zu verwenden, wurde effektiv nicht eingehalten, da ein Großteil unter verschiedenen Titeln (Steuerersatzkapital, Ersatz der Okkupationskosten) in die Staatskasse floss.

Auswirkungen

Nicht die Aufhebung der Klöster an sich war für die Katholiken schockierend (nach der Kantonsgründung von 1803 waren bereits mehrere Klöster säkularisiert worden), sondern die Rücksichtslosigkeit, mit der diese Maßnahme vollzogen worden war. Der Kanton Aargau hatte damit auch gegen den Bundesvertrag von 1815 verstossen, der den Fortbestand der Klöster garantierte. Die Klosteraufhebung hat auch massgeblich zur Entfremdung des Freiamts gegenüber dem Kanton beigetragen. Ein ansehnlicher Teil des geldmäßig nicht erfassbaren reichen Kulturgutes (besonders der Klosterschatz) der Klöster, das nicht an die Pfarreien verteilt werden konnte (da sich viele weigerten, dieses in ihren Augen gestohlene Gut anzunehmen), wurde samt und sonders an Händler in alle Welt veräußert. Fürst Metternich, der österreichische Staatskanzler und Garant der am Wiener Kongress festgelegten Ordnung, ließ sogar einen Plan für eine militärische Intervention ausarbeiten. Die Tatsache, dass Frankreich jeglichen Konflikt vermeiden wollte und Österreich sich auch mit anderen Problemen auseinandersetzen musste, verhinderte ein militärisches Eingreifen.

Nach langwierigen Verhandlungen stimmte die aargauische Regierung im Jahr 1843 der Wiederzulassung der vier Frauenklöster Baden, Fahr, Gnadenthal und Hermetschwil zu. Die Männerklöster hingegen blieben für immer geschlossen. Die Tagsatzung erklärte die Angelegenheit am 31. August 1843 für erledigt. Allerdings hatte dieser zuerst rein aargauische Konflikt die Gräben zwischen Katholiken und Reformierten in der ganzen Schweiz noch weiter vertieft. Die Spannungen entluden sich schließlich 1847 im Sonderbundskrieg, der in der Folge zur Gründung des modernen schweizerischen Bundesstaates führte.