Zufallsvariable
Eine Zufallsvariable oder Zufallsgröße ist eine Funktion, die den Ergebnissen eines Zufallsexperiments Werte zuordnet. Der konkrete Wert für ein Elementarereignis wird als Realisation der Zufallsvariable bezeichnet.
Betrachtet man ein Zufallsexperiment Münzwurf, so kann man beispielsweise eine Zufallsvariable definieren, indem man dem Elementarereignis „Kopf“ den Wert 0 und dem Elementarereignis „Zahl“ den Wert 1 als Realisation zuordnet.
Während früher der Begriff Zufallsgröße der übliche deutsche Begriff war, hat sich heute (ausgehend vom englischen random variable) der etwas irreführende Begriff Zufallsvariable durchgesetzt. Man sollte jedoch beachten, dass Zufallsvariable keine Variablen im üblichen Sinne der Mathematik, sondern (messbare) Funktionen sind.
Definition
Als Zufallsvariable bezeichnet man eine messbare Funktion von einem Wahrscheinlichkeitsraum in einen Maßraum.
Eine formale mathematische Definition lautet wie folgt:
- Es seien ein Wahrscheinlichkeitsraum und ein Maßraum. Eine -messbare Funktion heißt dann eine -Zufallsvariable auf .
In dieser Sprachregelung verständigt man sich natürlich darauf, dass aus dem Kontext klar ist, welcher Wahrscheinlichkeitsraum auf und welcher Maßraum auf gemeint ist.
Abhängig vom Maßraum vereinfacht sich die Definition spezieller Zufallsvariablen:
- Als reelle Zufallsvariable bezeichnet man eine Funktion , die jedem Elementarereignis einer Ergebnismenge eine reelle Zahl zuordnet.
- X: Ω → R mit X(ω) = x
- Der Bildraum ist die Menge ausgestattet mit der Borelschen σ-Algebra. Damit die Messbarkeitsbedingung erfüllt ist, wird noch folgendes verlangt
- Das bedeutet, dass alle Elementarereignisse, deren Realisation unterhalb eines bestimmen Wertes liegt, ein Ereignis bilden müssen.
- Ist der Bildraum die Menge mit der Borelschen σ-Algebra, so heißt ein n-dimensionaler Zufallsvektor.
- Ist der Bildraum die Menge der komplexen Zahlen, versehen mit der durch die kanonische Vektorraumisomorphie zwischen und "geerbten" Borelschen σ-Algebra, so heißt eine komplexe Zufallsvariable. Die Messbarkeit von ist genau dann erfüllt, wenn Realteil und Imaginärteil als reelle Zufallsvariablen messbar sind.
Mathematische Attribute für Zufallsvariablen
Verschiedene mathematische Attribute, die in der Regel denen für allgemeine Funktionen entlehnt sind, finden bei Zufallsvariablen Anwendung. Die Häufigsten werden in der folgenden Zusammenstellung kurz erklärt:
- diskret
- Eine Zufallsvariable wird als diskret bezeichnet, wenn sie nur endlich viele oder abzählbar unendlich viele Werte annimmt. Beispiel: Würfelspiel.
- konstant
- Eine Zufallsvariable wird als konstant bezeichnet, wenn sie nur einen Wert annimmt: X(ω)=c für alle ω. Sie ist ein Spezialfall der diskreten Zufallsvariable.
- stetig
- Für die Stetigkeit einer Zufallsvariable gelten die selben Bedingungen wie für allgemeine Funktionen.
- kontinuierlich
- andere Bezeichnung für stetig.
- unabhängig
- Zwei Zufallsvariablen sind unabhängig, wenn ihre Ereignisräume stochastisch unabhängig sind.
Funktionen von Zufallsvariablen
Wenn eine Zufallsvariable X auf dem Ergebnisraum Ω und eine messbare Funktion f: R → R gegeben ist, dann ist auch Y = f(X) eine Zufallsvariable auf dem selben Ergebnisraum, da die Verknüpfung messbarer Funktionen wieder messbar ist. Die gleiche Methode, mit der man von einem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, P) nach (R, dFX) gelangt, kann benutzt werden, um die Verteilung von Y zu erhalten. Die kumulierte Verteilungsfunktion von Y lautet
Beispiel
Es sei X eine reelle Zufallsvariable und Y = X2.
Dann ist
Fallunterscheidung nach y:
y < 0:
y ≥ 0:
Weiterführendes
Im Zusammenhang mit Zufallsgrößen sind insbesondere wichtige Kennzahlen, wie der Erwartungswert, die Varianz oder höhere mathematische Momente von Interesse.
Zeitlich zusammenhängende Zufallsgrößen können auch als Stochastischer Prozess aufgefasst werden.
Ein Folge von Realisationen einer Zufallsvariablen nennt man auch Zufallssequenz.
Die Wahrscheinlichkeiten der möglichen Werte einer diskreten Zufallsvariable bilden eine Wahrscheinlichkeitsverteilung. Die Wahrscheinlichkeit, beim Würfeln mit zwei Würfeln die Gesamtaugenzahl Z zu erreichen, folgt zum Beispiel der Wahrscheinlichkeitsverteilung P(Z)=(6-|7-Z|)/36.
Für die Beschreibung stetiger Zufallsgrößen verwendet man Wahrscheinlichkeitsdichten und/oder kumulative Wahrscheinlichkeitsverteilungen, da einem einzelnen Ereignis keine Wahrscheinlichkeit größer Null zugeordnet werden kann. Für stetige Zufallsgrößen ist vielmehr die Betrachtung von Intervallen sinnvoll.
Literatur
- Karl Hinderer: Grundbegriffe der Wahrscheinlichkeitstheorie, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York 1980, ISBN 3540073094
- Erich Härtter: Wahrscheinlichkeitsrechnung für Wirtschafts- und Naturwissenschaftler. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1974, ISBN 3525031149
Weblinks
- Zufallsgrößen und -prozesse von Ralf Hoppe