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Diktatur des Proletariats

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Die Diktatur des Proletariats war ursprünglich ein Begriff der französischen Sozialisten um Auguste Blanqui: "Frankreich voller bewaffneter Arbeiter, das ist der Sozialismus." 1852 verwandte ihn Karl Marx zum ersten Mal um die nicht mehr traditionell staatliche Herrschaft der Arbeiterklasse zu bezeichnen, mit der der Übergang von einer bürgerlichen Gesellschaft zu einer staats- und klassenlosen Gesellschaft vollzogen wird.

Er beinhaltete zunächst keine besonderen Vorstellungen von Organisation und Machtausübung. Marx und Engels bezeichneten im Nachhinein die "Pariser Kommune" von 1871, die aus einer Wahl hervorgegangene und basisdemokratisch agierende Stadtverwaltung, als realisierte Diktatur des Proletariats.

In sozialistischen Ländern wurde der Begriff nach dem Zweiten Weltkrieg nur noch selten verwendet und später durch die Bezeichnung sozialistische Demokratie ersetzt.

Bedeutung im Marxismus-Leninismus

In der marxistisch-leninistischen Lehre gelten die drei Staatstypen Sklavenhalterstaat, Feudalstaat und Kapitalistischer Staat als Diktaturen einer wohlhabenden Minderheit über eine unterdrückte Mehrheit. Der Staat wird hierbei als Machtinstrument der wirtschaftlich herrschenden Klasse angesehen, der die niederen Klassenschichten durch diverse Mittel wie z.B. Armee, Polizei oder Gerichte unterdrückt und ausbeutet. Der Bürgerliche Staat wird auch als Diktatur der Bourgeoisie bezeichnet.

Dem stellte namentlich Lenin die Diktatur des Proletariats gegenüber, angeblich durch die direkte Machtausübung der Massen "millionenfach demokratischer als die demokratischste bürgerliche Demokratie". Sie wurde in einer sozialistischen Revolution errungen und diente als Stützpfeiler für die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft.

Noch unmittelbar vor der Revolution von 1917 verstand Lenin in "Staat und Revolution" die Diktatur des Proletariats als eine kurze Übergangsphase bis zum "Absterben des Staates". In der russischen Revolution waren die Räte (Sowjets) der Arbeiter, Bauern und Soldaten auch für kurze Zeit in einer solchen Situation.

Demgegenüber wurde die Repression zur Verteidigung der Sowjetmacht und der zentralistische bürokratische Staat später von Stalin mit der Theorie von der ständigen Festigung, Vervollkommnung und Entwicklung der Diktatur des Proletariats gerechtfertigt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam der Begriff Diktatur in Verruf. Aus diesem Grund wurde die tautologische Bezeichnung Volksdemokratie eingeführt (in der DDR; auf der zweiten Parteikonferenz der SED 1952 beschlossen), die insofern falsch war, da Demokratie bereits Volksherrschaft bedeutet. Erst ab 1963 (sechster Parteitag der SED) verwendete man den Ausdruck Sozialistische Demokratie.

Wahlmöglichkeiten in einer Sozialistischen Demokratie

Die sozialistische Demokratie realisiert(e) sich sowohl in Einparteiensystemen (Sowjetunion, China, Nordkorea und Kuba) oder in Mehrparteiensystemen (DDR, Polen, Tschoslowakei, Ungarn), wobei die "führende Rolle" durch eine kommunistische Partei in der Verfassung festgelegt war/ist.

Sie reglementierten über den Staat auch die Größe der anderen Parteien und stellten vor Wahlen gemeinsame Listen auf ("Demokratischer Block", "Nationale Front der DDR"). Gegenkandidaturen konnte es daher nicht geben; die Streichung einzener Kandidaten konnte also immer noch als Zustimmung zum Ganzen ausgezählt werden und wurde deshalb auch kaum praktiziert.

Durch die "führende Rolle" der kommunistische Partei wurde der Marxismus-Leninismus zur geistigen Grundlage des Landes, wodurch andere Elemente, wie z.B. das Christentum - in Bulgarien auch der Islam - öffentlich abgelehnt und zu Zeiten auch diskriminiert oder kriminalisiert wurden. Lediglich in Krisensituationen verhielten sich die bestehenden christlichen, bäuerlichen u.ä Parteien oppositionell. Es gab keine klare Gewaltenteilung, nur eine formal unabhängige Rechtsprechung und keine juristischen Berufungsmöglichkeiten (Verwaltungs- und Verfassungsgerichtsbarkeit). Die sozialistische Demokratie bzw. die Diktatur des Proletariats stand/steht somit - auch bei Ähnlichkeiten parlamenterischer Formen - im Gegensatz zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Die sozialistische Demokratie scheiterte schon vor dem offiziellen Ende der kommunistischen Ostblockstaaten, als Massendemonstrationen sie beimWort nahmen ("Wir sind das Volk!") und revolutionäre Ereignisse den Weg zu einer parlamentarischen Demokratie frei machten (freie Wahlen in der DDR am 18. März 1990).