Frühkapitalismus
Der Frühkapitalismus war eine volkswirtschaftliche Gesellschaftsform, die sich im noch vorherrschenden Feudalismus von diesem prinzipiell darin unterschied, dass das Geld und das Privateigentum von Produktionsmitteln gegenüber dem Besitz an Grund und Boden an Bedeutung gewonnen hatte. Der entsprechende Wandlungsprozeß begann im Spätmittelalter und setzte sich in der Frühen Neuzeit fort.
Kennzeichen dafür waren das in Italien aufkommende Bankwesen, das sich in ganz Europa und darüber hinaus verbreitete; sowie die zunehmende Bedeutung des Fernhandels. Dieser war abhängig von den internationalen Märkten. Wichtige Umschlagplätze dafür bildeten die europäischen Seehäfen, die noch stärker, als sie es bis dahin ohnehin schon waren, zu bedeutenden Zentren dieser Märkte avancierten.
Neben den Bank-, Kredit- und Versicherungsunternehmen entstand auch das Verlagswesen. Es entwickelte sich eine am Markt orientierte Wirtschaftsstruktur.
Der Frühkapitalismus stellte insofern ein Zwischenstadium zwischen Feudalismus und Kapitalismus dar, als der Grundbesitz immer weniger Quelle des Reichtums war und die Finanzierung des Staates immer mehr auf das Bankenwesen angewiesen war. Die Unternehmer dieser Zeit erreichten eine Monopolstellung nicht allein über den Markt, sondern oft durch Kredite an staatliche Souveräne (beispielsweise für die Finanzierung stehender Heere zur Durschsetzung deren Herrschaftsambitionen). Die großen Vermögen wurden nicht in einer Massenproduktion (die erst im Lauf der industriellen Revolution ab Mitte des 18. Jahrhunderts langsam aufkam), sondern hauptsächlich im Bankwesen, im Bergbau und die genannten Kredite bzw. dem Gewinn aus deren Zinsen aufgebaut.
Weiterhin gab es eine Tendenz zu Wirtschaftsformen in Form von Gesellschaften (z. B. Handelskompanien; ital. Compagnias). Es folgte die Trennung von privatem und beruflichen Bereich. Größere Bedeutung gewann die Finanzrechnung. Das machte sich im Aufkommen der Doppelten Buchführung, den Handlungsbüchern und den Kaufmannshandbüchern bemerkbar. Weiteres Kennzeichen war die erhöhte Effizienz in der Produktion und das verstärkte Aufkommen der durch den Geldverkehr entstehenden finanziellen und sozialen Abhängigkeitsverhältnisse. Dies entsprach dem Bild der ökonomischen Gesellschaftsformation von Karl Marx in dessen Kritik an der politischen Ökonomie, - in den Teilen, die sich auf dieses Zeitalter beziehen.
Repräsentantiv für diese Gesellschaft war die Schicht des Patriziats, das sich in den Städten zu Gilden und Zünften zusammengeschlossen hatte. Das geschah auch deshalb, um seine Interessen sowohl als städtische Oberschicht gegenüber dem Rat einer Stadt oder gegenüber dem Lehnsherrn beziehungsweise Territorialherrn Nachdruck zu verleihen. Im Überblick betrachtet förderte der Geldverkehr die Herausbildung des Bürgertums als soziale Schicht.
Die Patrizier hatten auch Einfluß auf politische Entscheidungen. Nicht selten kam es zu einer personellen Verschmelzung von Unternehmensführung und politischer Herrschaftsambition. Die Bank der Medici trat zum Beispiel als päpstliche Bank in Erscheinung, oder auch als Finanzier von Konzilien. Dies war beispielsweise auf dem Konzil von Basel/Ferrara/Florenz der Fall. Die Fugger in Augsburg wiederum fungierten als kaiserliche Hausbank. Die Peruzzi, Bardi, die Medici, die Fugger und Welser lieferten zugleich Beispiele für Unternehmerdynastien mit langfristigem und maßgebendem politischen Einfluss. Durch das Verbundensein von politischer Herrschaft infolge gesellschaftlichen Aufstieges aus dem Kaufmannsstand, über die Gilden und Zünfte in die politischen Ämter und der Unternehmensführung entstand so ein Beziehungsgeflecht, das als Patronagesystem bezeichnet wird. Zu den berühmtesten gehörte das der Medici in Florenz, die in den wichtigsten Finanz- und Umschlagplätzen in Europa durch Filialen vertreten waren. Das Mäzenatenwesen ist letztenendes ebenfalls ein teil dieses Patronagesystems.
Der Frühkapitalismus prägte sich zunächst vor allem in übernationalem und städtischen Umfeld Europas aus, während nebenher - vorrangig im ländlichen Gebiet - weiterhin der Feudalismus mit seinem Lehnswesen und der Abhängigkeit der Bauern vom Lehnsherrn die Gesellschaft der frühen Neuzeit weiterhin bestimmte. Darin lag auch eine der Ursachen für den Ausbruch des Deutschen Bauernkrieges und weitere soziale Unruhen.
Die Entdeckungen in der Neuen Welt unter Christoph Kolumbus wie auch die Weltumsegelung Magellans waren wiederum Voraussetzungen für das Entstehen eines frühmodernen Welthandels. Diese führten aber auch zu Spekulationen. Die Staatsbankrotte von Spanien, der Niederlande und Frankreich trieben zum Beispiel das Unternehmen der Welser, das selbst eine Kolonie in Venezuela besaß, in den finanziellen Ruin. Das sind nur einige der Rückwirkungen der europäischen Expansion.
Erst mit dem Anbruch der Moderne ab dem Jahrhundertwechsel vom 18. zum 19. Jahrhundert, der von England ausgehenden industriellen Revolution ab etwa 1750 und den mit ihr einhergehenden bürgerlichen Revolutionen bis Mitte des 19. Jahrhunderts setzte sich der moderne Kapitalismus mit der Überwindung der Feudalgesellschaft, beispielsweise durch die Bauernbefreiung und die Beseitigung des Zunftzwanges durch. Der vormalige dritte Stand der europäischen Gesellschaft, das revolutionäre Bürgertum entwickelte sich in seinen kapitalträchtigen Teilen zur Bourgeoisie (in ihrer marxistischen Terminologie) und löste im Lauf vergleichsweise weniger Jahrzehnte den noch herrschenden Adel und die regiernden Fürstenhäuser Europas auch in ihrer politischen Vormachtstellung nach und nach ab.
siehe: Manufaktur, Merkantilismus