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Intersubjektivität (Psychoanalyse)

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Die "Intersubjektive Schule der Psychoanalyse" gründet auf den Arbeiten von R.D. Stolorow, B. Brandchaft und G.E. Atwood, die unter Einbeziehung der Selbstpsychologie von Heinz Kohut eine erlebensnah orientierte Form psychoanalytischer Theorie und Behandlungspraxis formulierten, die sich in wesentlichen Punkten von der Konzeption Freuds unterscheidet. Nach Auffassung von Stolorow et al. entsteht und ereignet sich Erleben im wechselseitigen Austausch zweier Subjektivitäten - der des Patienten und der des Analytikers. Die Beobachtungsposition liegt dabei stets innerhalb des gemeinsamen Kontextes, d.h. der Analytiker versucht den Patienten aus dessen Perspektive heraus zu verstehen (Empathie) und bezieht seinen eigenen biographischen Hintergrund in die Reflexion seiner Haltung dem Patienten gegenüber mit ein (Introspektion). Dies hat maßgebliche Konsequenzen für die psychoanalytische Theorie und Praxis, die an zentralen Begriffen der Psychoanalyse deutlich werden:

Analytische Haltung

Im Freudschen Sinne wird "Analytische Haltung" als eine Form von "Neutralität" definiert und ist eng mit der Vorstellung von Abstinenz verknüpft: der Analytiker darf dem Patienten keine Triebbefriedigung gewähren, um die Ausbildung einer Übertragungsneurose zu ermöglichen. In Freuds Konzeption handelt es sich bei den psychopathologischen Phänomenen, mit denen sich die Psychoanalyse auseinandersetzt, um die Produkte verdrängter Triebabkömmlinge. Triebbefriedigung würde die Bewußtwerdung verdrängter Triebwünsche erschweren und damit dem analytischen Prozeß zuwiderlaufen. Nach intersubjektiver Auffassung wird eine solchermaßen abstinente Haltung des Analytikers, die eine bewußte Frustration der Bedürfnisse des Patienten darstellt, von diesem nicht als neutral erlebt. Der Analytiker läuft Gefahr, Konflikte zu provozieren, die ein durch die Haltung des Analytikers bedingtes Artefakt darstellen, nicht aber eine Manifestation der primären Psychopathologie des Patienten. Deshalb sollen die Interventionen (Deutungen) des Analytikers auf der Grundlage von Introspektion und Empathie von einer kontinuierlichen Einschätzung dessen geleitet sein, was den Prozeß der Entfaltung der subjektiven Welt des Patienten im Kontext der analytischen Beziehung erleichtern oder erschweren würde.



Literatur

  • Stolorow RD, Brandchaft B & Atwood GE (1996) Psychoanalytische Behandlung. Ein intersubjektiver Ansatz. Fischer, Frankfurt a.M. [amerikan. Original: [1987] Psychoanalytic Treatment. An Intersubjective Approach. The Analytic Press, Hillsdale NJ]