Serapions Ensemble
Das Serapions Ensemble wurde 1973 von Ulrike Kaufmann und Erwin Piplits gegründet und war zunächst als fahrendes Theater unterwegs. Nach vier Jahren des Tingelns entschlossen sich die Gründer 1977 das stillgelegte „Vindobona Kino“ am Wiener Wallensteinplatz in ein Theater umzuwandeln. Elf Jahre, von 1977 bis 1988, wurde das Theater in der Wiener Vorstadt vom Serapions Ensemble bespielt. Internationale Tourneen des Ensembles gingen von dort aus.
Geschichte
Im Jahr 1987 mietete sich das Ensemble in den großen Saal der Börse für landwirtschaftliche Produkte ein. Der Saal war eine Kriegsruine und unbenützbar. Das Ensemble adaptierte ihn bis Juni 1988 als Theater und nannte den Saal „Odeon“. Weitere Objekte wurden dazugemietet, und das Odeon wurde zu einer Produktionsstätte ausgebaut.
Heutige Situation
Nachdem das Serapions Ensemble aufgehört hat zu reisen, wurde das Ensemble internationaler. Zur Zeit besteht das Serapions Ensemble aus elf Mitgliedern: eine Österreicherin, fünf Kubaner, ein Brasilianer, eine Kolumbianerin, eine Portugiesin, eine Südkoreanerin und ein Argentinier. Es wird nicht mehr getingelt.
Das Serapiontische Prinzip
Bei der kunstschaffenden Umsetzung von Gedanken und Ideen geht es um die Verwandlung eines Inneren ins Äußere, um die Übertragung eines Geistigen ins Wirkliche und die Umsetzung von Seelischem in Körperliches, Bildnerisches; eine Beseelung von Materie.
Der Kunstschaffende wird daher im Sinne des Serapiontischen Prinzips in Demut (Demut = Mut zu dienen) eine Haltung einnehmen gegen Egoismus, Opportunismus, Unaufrichtigkeit, Dummheit, Brutalität, kleinbürgerliches Verhalten in allen Spielarten, unter welcher Maske auch immer. Er wird jeder Bevormundung, Ideologisierung, jedem Dogma durch seine Arbeit entgegenwirken.
Der Name Serapion stammt einerseits aus der Mystik der drei Abraham-Religionen. Die Seraphime gehören neben den Thronen und den Cherubimen zur höchsten Hierarchie der Engel und werden als feurige Schlänglein verstanden. Seraph = Schlange.
Andererseits leitet sich der Name Serapion aus dem Ägyptischen ab und ist die präzisierte Version des Begriffes „Osiris Apis“. Osiris, der Stier. In diesem Falle der liegende Stier, aus dem das Getreide wächst, ein Vegetations- und Fruchtbarkeitsgott. Das Serapeion war ein Getreide-Heiligtum in Memphis (Ägypten) und nahezu in jedem griechischen Temenos (Tempelbezirk) gab es ein Serapeion. Ptolemaios I. schuf mit Serapis eine griechisch-ägyptische Mittlergottheit, die sich im gesamten Mittlemeerraum verbreitete. In den christlichen Legenden erscheint Serapion als Einsiedler, der von Diokletian in die Wüste verbannt wird, weil er seiner Wahrheit nicht abschwören wollte. Als Anachoret hat er in der europäischen Literatur (Balzac, Hoffmann, Lunz) Heimat gefunden.
Das Emblem
Das Emblem des Serapions Ensemble verweist auf die Arbeitsphilosophie des Serapions Theater: Aus der Art von Lebens –und Arbeitsgestaltung ergibt sich auch eine relativ hermetische Geschlossenheit des Serapions Theater. Es mischt sich nicht mit der übrigen Theaterszene und folgt keinen Trends, sondern wächst gleichsam im Bauch eines im Souterrain gelegenen Saales allmählich heran. Diesen Zustand bringt ein als Markenzeichen gewähltes Symbol zum Ausdruck. Der Drache Ouroboros, der sich selbst verschlingt, Gut und Böse auflöst und dabei ein weiteres Bild umschließt. Ein auf einem Goldschatz sitzendes Kind. „Non nisi Parvules“ ist das Motto zu diesem Emblem. Nur für die Kleinen oder Armen, für jene jedenfalls, die diesen Schatz nicht missbrauchen würden (Erwin Piplits, Ausschnitt aus dem Serapions Ensemble Buch)
Produktionen des Serapions Ensembles 1973–2010
1973–1977
- „DIE STRADAFÜßLER“ nach einer Episode aus der Pinkafelder Chronik
- „DER GRASGRÜNE STEINFRESSER“ von Barbara Frischmuth
- „ZIRKUS DER DINGE“
- „KARIUS UND BAKTUS“
- „DER HEISERE DRACHE“ von Benny Andersen
- „VINETA“ von Jura Soyfer
- „NONSENS, ODER DER HUT MACHT DEN MANN“ mit Gedichten von Ernst Jandl u.a.
Theater am Wallensteinplatz
- 1978 „IN SEINEM GARTEN LIEBT PERLIMPLIM BELISA“ von Garcia Lorca
- 1978 „DIE VERWANDLUNGEN DES HERRN JAKOB“
- 1979 „DAS MARTYRIUM DES PIOTR O’HEY“ von Slawomir Mrozek
- 1979 „MAN AND ARTEFAKT“, mit Dieter Kaufmann
- 1979 „BAL MACABRE“ in Meyrink’s Manier
- 1980 „DER GAULSCHRECK IM ROSENNETZ“, frei nach Fritz von Herzmanovsky-Orlando
- 1980/81 „VERWUNSCHEN“
- 1981 „BAL MACABRE“, 2. Version
- 1981/82 „SUCCUBUS – Tolldreiste Szenen“
- 1982 „BAL MACABRE / VERWUNSCHEN“ (Wiederaufnahme)
- 1982/83 „DOUBLE & PARADISE“
- 1983 „HEIL’GE HOCHZEIT“, frei nach Richard Wagners „Ring des Nibelungen“
- 1984/85 „PATT“
- 1985 „BAL MACABRE“ (Wiederaufnahme)
- 1985 „DOUBLE & PARADISE“ (Wiederaufnahme)
- 1985 „SUCCUBUS“(Wiederaufnahme v. „Tolldreiste Szenen“/Augarten)
- 1986 „PATT“ (Wiederaufnahme)
- 1986 „ANIMA“ (Auff. am Dammhaufen)
- 1986/87 „A BAO A QU“
- 1987 „ANIMA“ (Wiederaufnahme)
- 1988 „A BAO A QU“ (Wiederaufnahme)
Theater Odeon
- 1988 „AXOLOTL VISIONARR“
- 1989 „PAN HOFFMANN“
- 1989 „HEIL´GE HOCHZEIT“ (Wiederaufnahme)
- 1990 „KISPOTLATSCH“
- 1990/91 „KARACHO“
- 1991 „NU“
- 1992 „KOMMT UND SEHT … GUERNICA“ (Remise, Wiener Festwochen)
- 1992/93 „(WI MONAMI)“
- 1993/94 „EINEN SCHATTEN HALTE ICH UMARMT ...“ nach Tankred Dorst
- 1995 „17+4“
- 1996 „SELTSAME UNRUHE“ (Gemeinschaftsproduktion mit Wiener Festwochen)
- 1997 „LAZARUS“ (Auftragsarbeit Osterklang)
- 1997 „XANADU“
- 1999 „MARIE MAGDELEINE“ (Auftragsarbeit Osterklang)
- 1999 „MARCO POLO“ (Auftragsarbeit Neue Oper Wien)
- 1999/2000 „NEMO, NEMO LOQVITVR“
- 2000/01 „NI MÁS, NI MENOS“
- 2001 „NUNAKI
- 2002 „CIAO MAMA“
- 2002 „PERSEPHONE“
- 2004 „SERAPION, MON AMOUR“
- 2005 „XENOS“
- 2007 „COM DI COM COM“
- 2008 „ALCIONE“, mit Lorenz Duftschmid und Philipp Harnoncourt
- 2009 „FOLLOW ME - Masque of Temperaments“, mit Lorenz Duftschmid
- 2009/10 „SCHOOL OF NIGHT“
- 2010 „ENGEL AUS FEUER“, mit Philipp Harnoncourt
Das Buch zum Serapions Theater: "Verwandlung und Wirklichkeit"
Theater ist eine Kunst des Augenblicks. Wenn das Bühnenlicht am Ende einer Vorstellung erlischt, dann ist etwas Unwiederholbares zu Ende gegangen. Dennoch liegt hier ein Buch über das Serapions Theater vor. Ein Buch, in dem das Flüchtige festgehalten ist wie Spuren auf dem Weg. Von dieser Arbeit, diesem Leben in der Arbeit am Theater, von den Wandlungen und Beweggründen, den Anregungen und deren Umsetzungen wird in diesem Buch erzählt. Auch von den Inhalten der einzelnen Geschichten und davon, wie Inhalt und Umsetzung einander bestimmen. Das Serapions Theater macht sich unter anderem die Verknüpfung des Disparaten und die Verpflichtung zum wahrhaft Geschauten zum Inhalt. Verknüpfung von Literatur, bildender und darstellender Kunst, Musik und Wahrnehmungen der Besonderheiten des Lebens sind die Mittel, mit denen das Serapions Theater arbeitet. 300 meist farbige Bilder mit begleitenden Texten führen durch intensive 25 Arbeitsjahre. Erschienen bei Böhlau Verlag Wien.
Weblinks
Literatur
- Piplits, Erwin (1998): "Verwandlung und Wirklichkeit". Böhlau Verlag