Thesaurus philopoliticus
Thesaurus philopoliticus (auch Thesaurus Philo-Politicus, deutscher Titel „Politisches Schatzkästlein“ und nach der Neuauflage 1638 Sciographia cosmica) ist eine Sammlung von Kupferstichen bzw. Radierungen mit Stadtansichten Veduten, die Daniel Meisner als Poeta laureatus und Eberhard Kieser als Kupferstecher und Verleger ab 1623 in Frankfurt am Main veröffentlichten.
Inhalt




Der vollständige Titel der ersten Ausgabe von 1623 lautet – lateinisch und deutsch: „THESAURUS PHILO-POLITICUS. Das ist: Politisches Schatzkästlein guter Herren und bestendiger Freund.“ Im Gegensatz zu den damals bekannten Sammelwerken mit historischen Stadtansichten, wie zum Beispiel der Cosmographia von Sebastian Münster (Basel ab 1544), legten Autor und Verleger zunächst weniger Wert auf die Stadtansichten als vielmehr auf die Emblemszenen im Vordergrund jeder Abbildung und auf die daran anknüpfenden Sinnsprüche in Versform. Mit diesen Sinnsprüchen und emblematischen Darstellungen wollten sie "den Leser belehren, erbauen und zu einem besseren Wandel führen". Gleichzeitig sollte der Zeitgenosse über die Ansichten bedeutender europäischer Städte informiert werden, wozu ein möglichst wirklichkeitsgetreuer Kupferstich und kurze Erläuterungen dienten.
Jeder Stadtansicht ist ein symbolhaftes Emblem mit erläuterndem Sinnspruch beigefügt. Das einzelne Blatt in der Größe von jeweils etwa 10 x 15 cm trägt eine lateinische Überschrift, die auf das dargestellte Emblem hinweist. Unter dem Städtebild erklärt ein lateinisches Distichon und ein sinngemäß übersetzter deutscher Vierzeiler noch einmal die Bedeutung des Emblems. Nicht immer ist ein Sinnzusammenhang zwischen der dargestellten Stadt und dem abgebildeten Emblem nebst Text erkennbar. Text und Bild jedes Emblems für die abgebildeten Städte hatte zunächst Daniel Meisner gestaltet. Nach seinem Tod (1625) übernahm diese Aufgabe Johann Ludwig Gottfried, Pfarrer in Offenbach am Main, der auch die lateinischen und deutschen Verse verfasste; für das zweite Buch gewann hierfür Kieser seinen Schwager Dr. iur. Heinrich Kornmann.
Die Kupferstiche bzw. Radierungen führten namhafte Künstler aus, zum Teil nach der Natur und zum Teil nach Vorlagen aus den damals bekannten älteren Sammlungen von Stadtansichten, insbesondere aus der Cosmographia von Sebastian Münster und aus dem Sammelwerk Civitates orbis terrarum von Georg Braun und Franz Hogenberg (Köln ab 1572). Viele Kupferstiche tragen das persönliche Signet des Künstlers.
Die künstlerischen und kompositorischen Besonderheiten dieser Stadtansichten mit Emblemszenen und Sinnsprüchen können am besten an einem Beispiel deutlich gemacht werden: Der 1625 gedruckte Kupferstich „Freyburg im Breißgauw“ enthält als Emblem im Vordergrund ein ungleiches Paar, das in der Bildmitte im Vordergrund postiert ist; dargestellt wird ein bärtiger Mann in der zeitgenössischen Kleidung eines Philosophen, der in seiner Rechten ein Sonnensymbol und in seiner Linken eine Wanduhr hält, und hinter ihm der Tod als Sensenmann, der gerade mit seiner Sense zur Maht ausholt. Zu diesem Emblem für die Vergänglichkeit alles Irdischen gehören die Texte:
„OMNIS DIES, OMNIS HORA, QUAM NIHIL SUMUS, OSTENDIT“ (Überschrift)
„Quam nihil in vita sumus hac, quam turba misella /
Unus quisque dies, quaelibet hora probat.“
„Daß wir nichts sein in diesem Lebn,
Ein Elend Volck, mit´m Todt umbgebn:
Solchs beweiset, fein klar und rundt,
Ein jeder Tag, ja jede Stundt.“
In der Erläuterung zum 2. Teil des I. Buches heißt es dazu wörtlich:
„Der Alte Philosophus, welcher in einer Hand die Sonn / in der andern aber ein Uhrwerck hat / hinder welchem auch der Todt mit einer Sensen daß Gras abmehet / gibt zu verstehen / daß ein jeder Tag vnd Stund / gnugsam zu erkennen gebe / wie wir doch so gar nichts auff Erden seyen.“
Ausgaben
Die erste Ausgabe des Thesaurus philopoliticus enthält in zwei Büchern mit je acht Teilen insgesamt 830 Kupferstiche. Jeder der acht Teile beginnt mit einem illustrierten Titelblatt, einer Widmung an eine bekannte Persönlichkeit und einer erläuternden Beschreibung der in diesem Teil behandelten Städte und Embleme.
Die acht Teile des ersten Buches erschienen von 1623 bis 1626 (Meisner starb bereits 1625 kurz nach Erscheinen des 5. Teils) und die acht Teile des zweiten Buches von 1627 bis 1631, jeweils im Abstand von etwa sechs Monaten. Zusätzlich zu den deutschen Ausgaben begannen ab 1625 die Arbeiten an einer lateinischen Ausgabe.
Bald nach dem Tod von Eberhard Kieser (1631) wurden die Druckplatten nach Nürnberg an den Kunsthändler Paulus Fürst verkauft, der die Kupferstiche zunächst auf 800 reduzierte und das Gesamtwerk nach landschaftlichen Gesichtspunkten neu ordnete. In der Neuauflage von 1638 mit dem neuen Titel Sciographia cosmica erschien das Werk in acht gleichen Teilen zu je 100 Blatt, geordnet nach den Buchstaben A bis H. Zuvor waren teilweise auch die Wappen der abgebildeten Städte auf den Kupferplatten hinzugefügt worden.
Nach der Auflösung des Verlages von Paulus Fürst folgte ab 1700 noch eine weitere Ausgabe bei Johann Rudolf Helmers in Nürnberg, allerdings unter erneut verändertem Titel und in verdoppeltem Format mit jeweils zwei Stadtansichten übereinander.
1992 brachte der Verlag Dr. Alfons Uhl in Nördlingen einen Neudruck der Ausgaben (Frankfurt am Main 1625–1626 und 1627–1631) als Faksimile heraus. [1]
Autoren, Künstler und Verleger
Der für die Texte verantwortliche Daniel Meisner, geboren 1585 in Komotau/Böhmen, lebte nach Abschluss seiner Ausbildung in Frankfurt-Sachsenhausen. Er führte den Titel eines Poeta Laureatus Caesareus (P.L.C.). In seiner Vorrede zum ersten Buch schildert er, dass er mehrere Winter hindurch über 50 Emblemata und Moralia politica in der Absicht zusammengestellt habe, sie für ein Stamm- und Gedenkbuch zu verwenden; er habe auch angefangen, zu jedem Emblem eine „vornehme Stadt inn: und außerhalb des H. Röm. Reichs Teutscher Nation recht Contrafacturlich anzugeben“. Meisner starb bereits 1625, als gerade der 5. Teil des I. Buches erschienen war. In dem darauf folgenden 6. Teil wurde wahrscheinlich deshalb ein Porträt von Daniel Meisner aufgenommen; es ist ein von Sebastian Furck gefertigter qualitätvoller Kupferstich, der den Poeta Laureatus vor seiner Heimatstadt zeigt.
Der Verleger des Werks, Eberhard Kieser, wurde am 2. Dezember 1583 in Kastellaun/Hunsrück geboren; sein Vater war der aus Steinselz im Elsass stammende Pfarrer Stanislaus Kieser. Nach einer Ausbildung als Goldschmied und Kupferstecher wurde er 1609 Frankfurter Bürger. Sein Verlagsgeschäft, in dem auch mehrere Kupferstecher beschäftigt waren, betrieb er in Sachsenhausen. Außer Portraits von Frankfurter Bürgern sind vor allem seine Radierungen zu einem Totentanz (nach Hans Holbein der Jüngere) bekannt geworden. Eberhard Kieser starb 1631; eine porträthafte Darstellung von ihm ist auf der Ansicht seines Heimatortes Kastellaun zu sehen.
Die Zuweisung der einzelnen Stiche an bestimmte Zeichner, Kupferstecher und Radierer bereitet bis heute z.T. noch Schwierigkeiten. Nachweislich haben an dem Werk mitgearbeitet: Sebastian Furck (S. F. fec.), ca. 1598–1655; Georg Keller (G. Keller figuravit), 1568–1634; Matthäus Merian (M. Merian fe. oder M.), 1593–1650; Johann Eckard Löffler (JEL, EL, L), 1630–1678 und andere.
Literatur
- Daniel Meisner: Thesaurus philopoliticus (Politisches Schatzkästlein); neu herausgegeben und eingeleitet von Fritz Herrmann und Leonhard Kraft; Heidelberg 1927.
- Daniel Meisner und Eberhard Kieser: Thesaurus philopoliticus oder Politisches Schatzkästlein; Faksimile-Neudruck der Ausgaben Frankfurt a. M. 1625–1626 und 1627–1631 mit einer Einleitung und einem vollständigen Register der Städtebilder von Klaus Eymann. Unterschneidheim 1972 und 2. Auflage 1974.
- Hans Georg Wehrens: Freiburg in dem "Thesaurus philopoliticus" von Daniel Meisner und Eberhard Kieser: in: Freiburg im Breisgau 1504–1803, Holzschnitte und Kupferstiche; Verlag Herder, Freiburg 2004, S. 99 ff. ISBN 3-451-20633-1.