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Hermann Voss (Kunsthistoriker)

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Hermann Voss (* 30. Juli 1884 in Lüneburg; † 28. April 1969 in München) war ein deutscher Kunsthistoriker und Museumsdirektor. 1943 wurde er „Sonderbeauftrager” für die Kunstsammlung von Adolf Hitlers Führermuseums in Linz.

Werdegang

Voss studierte Kunstgeschichte an den Universitäten Heidelberg und Berlin und wurde 1907 bei Henry Thode über den altdeutschen Renaissance-Maler Wolf Huber promoviert. Ab 1908 volontierte er bei Wilhelm von Bode und Max Jakob Friedländer an den Königlich Preußischen Kunstsammlungen. Sein Interesse galt der damals wenig beachteten Kunst der späten Renaissance und des frühen Barock in Italien, was ihn von 1911 bis 1912 als Assistent an das Kunsthistorische Institut in Florenz führte.

Museumsleiter

Von 1912 bis 1921 war er Leiter der Graphischen Sammlung der Museums für bildende Künste in Leipzig und von 1922 bis 1935 Kustos und stellvertretender Direktor des Kaiser-Friedrich-Museums in Berlin. Von 1935 bis 1945 leitete er die Städtische Kunstsammlung am Nassauischen Landesmuseum in Wiesbaden. Er baute dort eine Sammlung mit Gemälden des 19. Jahrhunderts auf und machte sich einen Namen als Experte der Donauschule. Durch die Vernachlässigung der Moderne und den Verkauf vieler Werke der Entarteten Kunst ins Ausland baute er jedoch die Sammlung im Sinne der nationalsozialistischen Kunstdoktrin um. Voss stand den Nationalsozialisten jedoch kritisch gegenüber. „Als Kunstsachverständiger des Wiesbadener Polizeipräsidenten begutachtete und taxierte Voss beschlagnahmte, jüdische Kunstsammlungen. Durch seine hervorragenden Kontakte zu den einschlägigen NS-Institutionen konnte er sich in vielen Fällen das „Vorkaufsrecht“ sichern und zu „guten Konditionen“ den Bestand der Wiesbadener Galerie aufstocken.”[1]

Das Museum Wiesbaden erforscht seit August 2009 die Herkunft von insgesamt mehr als 200 Gemälden, die zwischen 1935 und 1944 von Voss für das Haus unter teilweise ungeklärten Umständen angekauft wurden. Unter anderen konnte ein Pieter de Grebber zugeschriebenes Gemälde Doppelbildnis eines jungen Paares, (1. Hälfte 17. Jahrhunderts) an die Erben seines rechtmäßigen Besitzers zurückgegeben werde.[2]

Sonderbeauftragter

Im März 1943 ernannte Joseph Goebbels Voss - auf Vorschlag von Hans Posse – zu dessen Nachfolger als Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und der Führersammlung. Seine Wiesbadener Funktion behielt er bei. Voss' regimekritische Haltung war bekannt, doch hatte er mit Martin Bormann einen wichtigen Fürsprecher. Nach einem Gespräch zwischen Goebbels und Adolf Hitler gab dieser die Anweisung „Voss mit dem Amt zu betrauen” [3] [4] Zusammen mit seinem Kunstreferenten Gottfried Reimer kaufte er mit erheblichen Geldmitteln Kunstwerke in Deutschland und im von den deutschen Truppen besetzten Ausland auf. Unter anderen war Voss an dem Ankauf der geraubten Kunstsammlung Schloss beteiligt. Für die Ankäufe wurden die Honorareinnahmen aus Hitlers Mein Kampf, die Nettoeinnahmen einer Sondermarke der Deutschen Reichspost, sowie eine Sonderspende der Deutschen Industrie (von 130 Millionen Reichsmark) verwendet. Erst die näher rückenden alliierten Truppen führten Anfang 1945 zu einem Ende der Aufkäufe.

Nach 1945

Voss, der seinen Dienstsitz in Dresden hatte, wurde nach Kriegsende von der sowjetischen Besatzungsmacht auf seinem Direktorenposten belassen. Im Sommer kehrte er an das Museum nach Wiesbaden in die Amerikanische Besatzungszone zurück, wo er sofort verhaftet wurde. Voss wurde vom 15. August bis 15. September 1945 in Altaussee von Offizieren der Art Looting Investigation Unit (ALIU) verhört. Er gab aber wenig verwertbare Informationen preis, die eine Rückführung der Werke an ihre Besitzer erlaubt hätte. Er gab zu Protokoll, dass er 5000 Neuerwerbungen in seiner zweijährigen Amtszeit getätigt hätte, eine Zahl, die Experten für überzogen hielten. „Vor allem war er darauf bedacht, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen (was ihm auch gelang) [...]” [5] Voss galt als anerkannter Experte für die Malerei des Seicento und Settecento. Er war Berater der Bayrischen Staatsregierung bei dem Verkauf von Gemälden. Zu seinem 80. Geburtstag ließ er sich mit einer Festschrift feiern, die sein (ehemaliger) Geschäftspartner, der Kunsthändler Vitale Bloch herausgegeben hatte.[6]

Schriften (Auswahl)

  • Amtlicher Katalog der Gemäldegalerie Wiesbaden. Nassauisches Landesmuseum, Wiesbaden 1935.
  • Sammlung Geheimrat Josef Cremer, Dortmund, (mit Friedrich Winkler). Wertheim, Berlin 1929.
  • Die Malerei des Barock in Rom. Propyläen-Verlag, Berlin 1925.
  • Der Ursprung des Donaustiles : Ein Stück Entwicklungsgeschichte deutscher Malerei. Hiersemann, Leipzig 1903.

Literatur

  • Kathrin Iselt: Sonderbeauftragter des Führers: Der Kunsthistoriker und Museumsmann Hermann Voss (1884–1969). Köln, Weimar, Wien, Böhlau 2010, ISBN 978-3-41220572-0 (Studien zur Kunst. 20).
  • Hanns Christian Löhr: Das Braune Haus der Kunst: Hitler und der Sonderauftrag Linz, Visionen, Verbrechen, Verluste. Akademie Verlag, Berlin 2005, ISBN 978-3-05004156-8, S. 51 ff

Einzelnachweise

  1. Kathrin Iselt: Hermann Voss - Ein Kunsthistoriker und Museumsmann im Kontext des nationalsozialistischen Kunstraubs
  2. Internetseite: Museum Wiesbaden
  3. Elke Fröhlich (Hrsg.): Die Tagebücher von Joseph Goebbels. K. G. Saur, München, Teil II; Band 7, S. 298 (Eintrag vom 8. Februar 1943)
  4. Hanns C. Löhr, Hanns Christian Löhr: Das Braune Haus der Kunst: Hitler und der »Sonderauftrag Linz«  Visionen, Verbrechen, Verluste, S. 51
  5. Birgit Schwarz: Hitlers Museum, Böhlau, 2004, ISBN 978-3-20577054-1, S. 16
  6. Internetseite des Bundesamt für zentrale Dienst und Vermögensfragen