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Karakorum (Stadt)

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Karakorum auch Quara Quorum (mongolisch: Schwarze Berge) ist eine Ruinenstätte am Fuße des Changai-Gebirges (Mongolei).

Geographie

Sie liegt im Tal des Orchon-Flusses in der Nähe der heutigen Stadt Harhorin, etwa 320 km westlich von Ulan-Bator. In diesem Flusstal befinden sich in der Nähe auch kulturgeschichtliche Zeugnisse noch viel älterer Reiche. Dazu zählen Grabstätten alttürkischer Khane, die Ruinen der ostuigurischen Hauptstadt Char balgas (744 bis 840 n. Chr.) und die der anderen Hauptstädte verschiedener Steppen- und alttürkischer Reiche.

Geschichte

Gründung

1220 gründete Dschingis Khan diese Stadt zur Festigung seiner Macht am Ufer des Orchon. Dieser Fluss war und ist die Lebensader der ganzen Region, und an seinem Ufer lagen schon vor Dschinghis Khan die Zentren großer vergangener Steppenreiche. Durch seine Stadtgründung gerade an dieser Stelle stellte er sich bewußt in die Tradition seiner Vorgänger.

Aufstieg

Karakorum entwickelte sich zur ersten Hauptstadt des Mongolenreiches, und wurde ab 1235 von Ugedai Khan mit einer Befestigungsanlage versehen. Dieser nachfolgende Khan wandelte die mongolische Raubnation u.a. durch die Einführung von Staatskanzleien und den Bau eines Khanpalstes in dieser Stadt zu einem dauerhaft organisiertem Staatswesen. Für die Mongolen ist Karakorum noch heute die Keimzelle und Geburtsstätte ihres Nationalstaates.

Zur Ausübung der den Nomaden bisher unbekannten Tätigkeiten holten sich die Großkhane fremde Handwerker und Künstler in ihr Land, vor allem aber hierher in diese neue Hauptstadt. Die Mongolen eigneten sich die Kenntnisse der Fremden nicht an, sondern sie ließen sie für sich arbeiten. Die fremden Handwerker und Künstler kamen teils freiwillig zu ihnen, teilweise wurden sie jedoch auch hierher verschleppt.

Blüte

In Karakorum zeigten auch die Dschinghis Khan nachfolgenden, grausam kriegerischen und tyrannischen Khane ihr zweites, völlig andersartiges Gesicht. Durch ihre tolerante Haltung allem Neuen und Unbekanntem gegenüber wurde ihre Hauptstadt im 13. Jahrhundert nicht nur die Schaltzentrale der Reichsverwaltung und ein Zentrum des Handels und Kunsthandwerks, sondern auch zu einem Schmelztiegel unterschiedlicher Religionen, Kulturen und Völker. Das berichtet auch der flämische Franziskanermönch Wilhelm von Rubruk, der 1253 im Auftrag von Papst Innozenz IV. und König Ludwig IX. nach Karakorum gereist war und dort im April 1254 ankam: "Es gibt da zwei Stadtviertel, das der Sarazenen, wo der Wochenmarkt stattfindet. Das andere ist das Stadtviertel der Nordchinesen, die durch die Bank Handwerker sind. Ferner sind da zwei Götzentempel und zwei Moscheen, sowie am äußersten Ende der Stadt eine nestorianisch-christliche Kirche."

Für die Versorgung der Einwohner von Karakorum wurde außerhalb der Stadt eine intensive Landwirtschaft betrieben. Ein von Chinesen angelegtes umfangreiches Bewässerungssystem machte die Steppe dafür urbar. Über weitverzweigte Handelswege, insbesonders der Seidenstraße, wurden diejenigen Güter herangeschafft, mit denen die Bevölkerung sich nicht selbst versorgen konnte. So entwickelte sich Karakorum auch zu einer mächtigen Handelsmetropole, wie auch durch archäologische Funde jetzt bewiesen ist.

Niedergang

Den Status als Haupstadt des Mongolenreiches verlor sie unter Kublai Khan, der Peking als Hauptstadt wählte. Als die Chinesen 1368 die mongolische Yuan-Dynastie stürzten, flohen die Mongolen in die nördliche Steppe und machten Karakorum wieder zu ihrer Hauptstadt, bis diese dann 1388 von den wiedererstarkten Chinesen vollständig zerstört wurde. Dennoch behielt die Stadt ihre Bedeutung als nationales Symbol. Im Jahre 1415 beschloss eine mongolische Reichsversammlung den Wiederaufbau. Die Stadt verfiel endgültig im späten 16. Jahrhundert und wurde zum Steinbruch für das 1586 errichtete buddhistische Kloster Erdene Dsu, welches nachweislich zum Teil aus den Steinen der alten Hauptstadt aufgebaut wurde.

Ausgrabungen

Von einer sowjetisch-mongolischen Expedition in den Jahren 1948/1949 und in weiteren Grabungskampagnen unter mongolischer Führung wurden Teile der Stadt und des Palastes Ugedai Khans ausgegraben. Seit 2000 graben Archäologen vom Deutschen Archäologischen Institut Bonn unter der Leitung von Prof. Dr. Hans Georg Hüttel und Dr. Ernst Pohl vom Institut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie zusammen mit mongolischen Wissenschaftlern im Bereich des Khanpalastes und des Handwerkerviertels im Stadtzentrums.

Mit modernsten Methoden wurde ein digitales Geländeprofil des gesamten vermuteten Stadtareals erstellt und nach diesen Ergebnissen in einem weltweit einmaligem Projekt ein Modell der kompletten ehemaligen Stadtanlage erstellt.

Bei Grabungen im Handwerkerviertel wurden eine eiserne Schmiede-, eine Silber- und Goldschmiedewerkstätte, eine Bronzegießerei und je eine Werkstätte zur Glasherstellung und Knochenverarbeitung nachgewiesen. In diesem Areal wurde auch ein Stück einer Straße mit einer am Rande der Steinpflasterung befindlichen Dehnungsfuge aus Holz freigelegt. Diese Fugen sollten die Volumenänderungen des steinernen Straßenbelags bei den in der zentralasiatischen Steppe üblichen starken Temperaturschwankungen ausgleichen. Aus Lehmziegeln gemauerte Wasser- oder Abwasserkanäle hat man ebenfalls entdeckt. Funde von Münzen der verschiedensten Länder beweisen einen regen überregionalen Handel. Grabungsergebnisse im Bereich des vermuteten Khanpalastes bestätigen die Laage und deuten darauf hin, dass der Palast nach seiner Zerstörung durch die Chinesen schon bald wiederaugebaut und als buddistisches Kloster genutzt wurde. Diese Befunde deuten auch auf eine viel frühere Anwesenheit buddistisch, lamaistischer Mönche als bisher vermutet. Im Fundament eines alten Tempels fand man einen zweiten mongolischen Dolmetscherstein, mit einem kurzen Text in chinesischer Schrift auf der einen und dem gleichen Text in mongolischer Längstschrift auf der anderen Seite. Weitere archäologische Grabungen sind für die Zukunft jeweils in den wenigen Sommermonaten geplant.

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