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Rüstungsindustrie

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Die Rüstungsindustrie ist ein Wirtschaftszweig der Waffenherstellung. Ihre Produkte sind für die Gewaltanwendung oder die Gewaltandrohung, überwiegend durch politische Akteure, vorgesehen oder sollen diese unmittelbar ermöglichen. Ausgangspunkt für die Entwicklung der Rüstungsindustrie, die sich in Europa und den Vereinigten Staaten ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer eigenständigen Industrie entwickelte, waren Kanonengießereien und Büchsenmacher.

Geschichte

Die Rüstungsindustrie entwickelte sich im Laufe der Industrialisierung in Westeuropa im 19. Jahrhundert stetig weiter. Am Anfang standen einzelne Betriebe wie Kanonengießereien oder Büchsenmacher, traditionell meist in staatlicher Regie, allmählich entwickelten sich große und sehr vielseitige private Großbetriebe wie zum Beispiel Rheinmetall und Krupp in Deutschland, Schneider in Frankreich, Škoda in Österreich-Ungarn, Bethlehem Steel in den USA. Neben der Produktion von Handfeuerwaffen gewann die Herstellung von Geschützmaterial immer mehr an Bedeutung.

Die Aufrüstung der kaiserlichen Marine vor dem Ersten Weltkrieg sicherte in Deutschland den aufstrebenden Firmen Aufträge und Ausbau ihrer Kapazitäten. 1898 beschloss der Reichstag ein neues Flottengesetz, welches den weiteren Ausbau festlegte. Der Marinebedarf bildete vor 1914 den technologisch und innovativ am weitesten vorangetriebenen Rüstungssektor.

Herstellung von Panzerfahrzeugen im Dritten Reich

Nach dem Ersten Weltkrieg, der als enormer Schrittmacher für neue Rüstungszweige (Luftfahrtindustrie, Kraftfahrzeugindustrie, Panzer, Chemische Waffen) gewirkt hatte, wurden der Rüstungsindustrie Deutschlands im Versailler Vertrag enge Grenzen gesetzt, da die Waffenproduktion international überwacht und der Waffenexport vollständig verboten wurde. Der Nationalsozialismus bescherte ihr mit seiner Aufrüstungs- und Kriegspolitik ein enormes Wachstum. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Rüstungsindustrie 1945 im Rahmen der Demilitarisierung Deutschlands aufgelöst. In der Bundesrepublik Deutschland erlebte sie im Rahmen von Westintegration und Wiederbewaffnung in der Mitte der 1950er Jahre eine neue Blüte.

In der Vergangenheit nahmen Rüstungsindustrielle mehrfach Einfluss auf das politische Geschehen, um die Bedingungen für ihren Wirtschaftszweig zu verbessern. Dabei kam es auch zu illegalen Schmiergeldzahlungen von Rüstungslobbyisten, wie in den Fällen des Waffenhändlers Karlheinz Schreiber, des ehemaligen Staatssekretärs und Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz Ludwig-Holger Pfahls und weiteren Politikern.

In den Reihen der Friedensbewegung, der Friedensforschung aber auch der Gewerkschaften werden seit den 1980er Jahren Konzepte der Rüstungskonversion entwickelt, wie der Übergang von militärischer zu ziviler Produktion gestaltet werden kann. Diese Konzepte werden zur Zeit nicht umgesetzt, es ist eher der gegenläufige Trend zu beobachten. Durch die Aufrüstung im Zuge des Krieg gegen den Terror expandiert die Rüstungsindustrie. Unternehmen, die militärische und zivile Produkte herstellen, versuchen teilweise den zivilen Anteil zu verkaufen (z. B. BAE Systems will seinen Airbusanteil verkaufen) um den militärischen Anteil zu erhöhen. Allerdings ist die Anzahl der im deutschen Rüstungssektor Beschäftigten insgesamt rückläufig; sie sank von etwa 290.000 im Jahre 1990 auf 80.000 im Jahre 2002.[1]

Kategorisierung

Französische Fregatte Courbet der La-Fayette-Klasse

Die Rüstungsindustrie kann in drei Hauptkategorien aufgeteilt werden.

  • Unternehmen zur Herstellung von schwerem Gerät
Diese Unternehmen stellen Panzer, Artillerie, Kriegsschiffe und sonstiges schweres Kriegsgerät her. Ihre Produkte sind fast ausschließlich zum militärischen Einsatz bestimmt.
  • Unternehmen zur Herstellung von leichtem Gerät
Diese Unternehmen stellen Gewehre, Pistolen, sonstige leichte Waffen, Feldausrüstung und Infanterieausrüstung her. Ihre Produkte finden teilweise auch eine zivile oder polizeiliche Verwendung.
Diese Unternehmen stellen atomare, biologische und chemische Waffen her. Sie befinden sich meist im staatlichen Besitz oder unter staatlicher Kontrolle.

Unternehmen

Die 10 größten Rüstungsfirmen der Welt[2][3]
Unternehmen Land Rang
2008
 
2007
Umsatz
Waffen
2008
 
 
2007
Umsatz
Gesamt
2008
 
 
2007
Anteil Waffen-
geschäft in %
2008
 
 
2007
Gewinn
2008
 
 
2007
Beschäftigte
2008
 
 
2007
Datei:BAE Systems Logo.svg
BAE Systems
UK 1 2 32420 29860 34086 31426 95 95 3250 1800 106400 97500
Datei:Lockheedmartin-logo.svg
Lockheed Martin
USA 2 3 29880 29400 42731 41862 70 70 3217 3033 146000 140000

Boeing
USA 3 1 29200 30480 60909 66387 48 46 2672 4074 162200 159300

Northrop Grumman
USA 4 4 26090 24600 33887 32018 77 77 -1262 1803 123600 122000

General Dynamics
USA 5 5 22780 21520 29300 27240 78 79 2459 2080 92300 83500

Raytheon
USA 6 6 21030 19540 23174 21301 91 92 1672 1474 73000 72100

EADS
Westeuropa 7 7 17900 13100 63346 53534 28 24 2302 –610 118350 116490

Finmeccanica
Italien 8 9 13240 9850 25037 18376 53 54 996 713 73400 60750

L-3 Communications
USA 9 8 12160 11240 14901 13961 82 81 949 756 65000 64600

Thales
Frankreich 10 10 10760 9350 18543 16825 58 56 952 1214 63250 61200
Umsätze und Gewinne in Mio. US$, Angaben ohne China, Stand 2008

Waffenexport

Die größten Waffenlieferanten der Welt sind die Vereinigten Staaten von Amerika, gefolgt von Russland, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien und den Niederlanden. All diese Länder besitzen hochentwickelte Rüstungsbetriebe und stehen im gegenseitigen Konkurrenzkampf bei der Entwicklung neuer und wirkungsvollerer Waffensysteme. Die Zahlen der folgenden Tabelle entstammen der SIPRI Datenbank 2009 und sind gerundet in Milliarden US-Dollar basierend auf den Preisen von 1990 angegeben. [4][5]

Land 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008
USA 15,3 11,4 11,5 5,8 4,9 5,5 6,6 6,8 7,4 7,9 6,2
Russland 2,0 4,0 4,3 5,8 5,6 5,2 6,4 5,5 6,2 4,6 6,0
Deutschland 1,8 1,7 1,6 0,8 0,9 1,7 1,0 1,9 2,4 3,3 2,8
Frankreich 3,3 1,8 1,1 1,3 1,3 1,3 2,2 1,6 1,5 2,6 1,6
Großbritannien 1,4 1,3 1,5 1,2 0,9 0,6 1,2 0,9 0,9 1,1 1,1
Spanien 0,16 0,03 0,05 0,01 0,12 0,16 0,06 0,13 0,76 0,55 0,62
Niederlande 0,60 0,32 0,26 0,19 0,24 0,34 0,21 0,58 1,22 1,24 0,55
Angaben in Mrd. US$

Der Export und auch Import von Waffen ist von Land zu Land sehr unterschiedlich und lässt sich teils durch eine Verlagerung der Produktion ins Ausland umgehen. In Deutschland wird der Export durch das Außenwirtschaftsgesetz und Kriegswaffenkontrollgesetz reglementiert. Allerdings hat im Bundestag nur der unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagende Bundessicherheitsrat eine Kontrollfunktion, während das restliche Parlament nur nachträglich über Exporte informiert wird. Vor allem der Export von Kleinwaffen ist für die deutsche Rüstungsindustrie von Bedeutung.

Die fünf größten Waffenexportländer und ihre Hauptabnehmer
Waffenlieferanten
Anteil am
weltweiten
Waffenexport
[%]
Hauptabnehmer (Anteil am Exportvolumen des Lieferanten)
1. 2. 3.
USA 30 Südkorea (14 %) Israel (11 %) Vereinigte Arabische Emirate (11 %)
Russland 23 China (35 %) Indien (24 %) Algerien (11 %)
Deutschland 11 Türkei (14 %) Griechenland (13 %) Südafrika (12 %)
Frankreich 8 Vereinigte Arabische Emirate (25 %) Singapur (21 %) Griechenland (12 %)
Großbritannien 4 USA (23 %) Indien (15 %) Saudiarabien (10 %)
Daten aus dem Zeitraum 2005–2009[6]

Zu beachten ist, dass es keine weltweit gültigen Standards zur Erfassung und Veröffentlichung von Rüstungsexporten gibt. Das Stockholmer SIPRI-Institut beschreibt z.B. Deutschland für den Zeitraum von 2003 bis 2008 als drittgrößten Rüstungsexporteur der Welt, mit einem Marktanteil von 10 Prozent (nach den USA und Russland). Demgegenüber sieht eine Studie des International Institute for Strategic Studies (IISS) Deutschland für 2006 mit deutlichem Abstand hinter Großbritannien auf Platz 4. Der deutsche Weltmarktanteil lag nach dieser Studie für 2006 bei 3,7 Prozent (zum Vergleich: USA 51,9 Prozent, Russland 21,5 Prozent, Großbritannien 12,2 Prozent) [7].

Insbesondere die deutschen Ausfuhren an europäische Abnehmer stiegen an: Im Vergleich zum Fünfjahres-Zeitraum von 1998 bis 2003 nahmen sie laut SIPRI um 123 Prozent zu [9].

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. Michael Dauer: Deutsche Rüstungsindustrie vor dem Rohrkrepierer? In: Manager-Magazin. 5. Juli 2002
  2. Stockholm International Peace Research Institute: SIPRI Yearbook 2009, Appendix 6A. The SIPRI Top 100 arms-producing companies, 2007
  3. The SIPRI Top 100 Arms-Producing Companies, 2008, SIPRI Fact Sheet, April 2010, abgerufen am 28. April 2010
  4. SIPRI Database Waffenexporte: Arms Transfers Database
  5. Stockholm International Peace Research Institute: SIPRI yearbook 2008. Oxford University Press, ISBN 978-0-19-954895-8.
  6. Trends in International Arms Transfer 2009. SIPRI, März 2010, abgerufen am 29. April 2010.
  7. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahre 2007. S. 43f.
  8. a b Small Arms Survey Report 2009 Annexe, PDF Datei (141 KB)
  9. Tagesschau: SIPRI-Bericht, Vorlage:Tagesschau
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