Tätowierung
Tätowierungen sind Bilder oder Text, die mit Tinte oder anderen Pigmenten in die Haut gezeichnet werden. Heute wird die Farbe durch eine Nadel unter die oberste Hautschicht gespritzt. Die ursprüngliche Methode, wie sie auch heute noch in primitiven Kulturen angewendet wird, ist ein Einschneiden der Haut und ein Einreiben der Wunde mit Tinte, Asche oder sonstigen farbgebenden Stoffen.

Wortherkunft
Auch wenn die Etymologie eher unklar ist, so kann davon ausgegangen werden, daß das Wort Tätowieren bzw. seine Vorläufer ihren Ursprung tatsächlich in der Südsee haben. Ein nachvollziehbarer Grund dafür, warum sich dieser Begriff, zumindest im englischen Sprachraum, relativ schnell durchsetzen konnte, ist möglicherweise der Umstand, daß es ein exakt gleichlautendes Wort schon seit der Mitte des 17. Jahrhunderts in der englischen Militärsprache gab. Mit diesem Wort bezeichnet man bis heute den militärischen Zapfenstreich. Diese Vermutung wird dadurch bestärkt, daß in England, neben dem zunächst gebräuch¬lichen tattaw, der Begriff tattow verwendet wurde, der sich dann zu tattoo umbildete und bis heute ausschließlich benutzt wird. Berücksichtigt man nun weiterhin, daß es in England zunächst überwiegend Soldaten waren, die sich tätowieren ließen, erscheint die oben formulierte Erklärung durchaus schlüssig. Im deutschen Sprachraum existierten lange Zeit die Begriffe Tatauieren und Tätowieren nebeneinander, bis sich schließlich, zu Beginn dieses Jahrhunderts, die Bezeichnung Tätowieren endgültig durchsetzte.
Ursprung und Entwicklung
Es kann davon ausgegangen werden, daß wahrscheinlich jedes Volk der Erde zu irgendeinem Zeitpunkt seiner Entwicklung die Sitte des Tätowierens kannte und ausübte. Strittig ist hingegen, wo sich die Tätowierung schwerpunktmäßig entwickelt hat. Immer wieder wurde versucht, die Tätowierung vom Ursprung her einem bestimmten geographischen Gebiet zuzuordnen. Die älesten Belege für das Vorkommen von Tätowierungen stammen aus dem europäischen Raum. Dieser Umstand scheint die häufig anzutreffende These, daß die Sitte des Tätowierens ursprünglich aus dem südwestasiatischen Raum stammt, sich von dort über Ägypten nach Polynesien und Australien ausgebreitet hat und schließlich nach Nord- und Südamerika weitergetragen wurde,zu widerlegen. Entgegen einer Vielzahl von Theorien, die allesamt versuchen, den Ursprung der Tätowierung in einen bestimmten geographischen Raum zu pressen, kann anhand der vielfältigen und über den ganzen Erdball verstreuten Hinweise davon ausgegangen werden, daß sich die Sitte des Tätowierens bei den verschiedenen Völkern der Erde selbständig und unabhängig voneinander entwickelt hat.
Technik
Der Vorgang der Tätowierung besteht grundsätzlich in einer Punktierung der Haut, wobei gleichzeitig mit dem Durchstechen ein Farbstoff in die Haut eingebracht wird. Hierbei ist darauf zu achten, daß der Stich weder zu oberflächlich noch zu tief angebracht wird. Im ersten Fall würde der eingelagerte Farbstoff lediglich in die Zellagen der Epidermis eingebracht werden. Dies hätte zur Folge, daß bei der fortwährenden Erneuerung dieser Hautschicht ein Abwachsen und eine Abstoßung der Farbteilchen nach außen gleichzeitig mit den Epidermiszellagen erfolgen würde. Im zweiten Fall, wenn also der Stich zu tief in die Haut vorgenommen wird, kommt es durch die auftretenden Blutungen zu einem Auswaschen der Farben. An dieser Stelle wird auch deutlich, daß die häufig sehr blutrünstigen Beschreibungen des Tätowiervorgangs in der Regel dem Reich der Phantasie entstammen.
Funktion und Bedeutung
Insgesamt bietet sich ein breites Spektrum der unterschiedlichsten Funktionen und Bedeutungen der Tätowierung. Betrachtet man die in der relavanten Literatur beschreibenen Funktionen als Mitgliedszeichen, Ausdrucksmöglichkeit für Abgrenzung und Exklusivtät, Mittel zur Verstärkung sexueller Reize, Schmuck und nicht zuletzt die der politischen Stellungnahme, so ergeben sich bei genauerem Hinsehen signifikante Übereinstimmungen dieser zunächst recht zusammenhangslos erscheinenden Bereiche. Besonders deutlich tritt zutage, daß die Tätowierung bei all den beschriebenen Funktionen eine eminent wichtige Rolle bei der Regulierung des sozialen Miteinanders hat. Egal ob es sich hierbei um die Stärkung des Gruppenzusammenhangs, die lebens- und überlebensnotwendige Hervorhebung oder Abgrenzung von anderen Individuen oder die Artikulation von politischer Kritik handelt, wirkt die Tätowierung als Vermittler oder Katalysator zwischen verschiedenen Gruppen und/oder Individuen. Auffällig ist, daß es sich bei den beschriebenen Bereichen grundsätzlich um Problemlagen oder Situationen handelt, die eine tiefe emotionale, häufig sogar existenzielle Bedeutung für das Individuum oder die Gruppe haben. Dieser Umstand beantwortet möglicherweise auch die Frage, warum die hier von der Tätowierung übernommenen Funktionen bis heute nicht durch andere, zeitgemäßere Interaktions- bzw. Kommunikationsmittel übernommen wurden. Lediglich die Tätowierung bietet eine tiefe physische und psychische Nähe zum Träger/Akteur wie die Tätowierung. So erscheint es nur konsequent, wenn sich die betroffenen Individuen ihrer -entgegen aller Opportunität und Vernunft- bedienen. Handelt es sich bei den betreffenden Individuen ohnehin um Personen oder Gruppen, die kein ernsthaftes Interesse -oder keine Hoffnung- auf eine Veränderung der augenblicklichen Situation haben, wird die Wahl einer Tätowierung als adäquates Ausdrucksmittel um so nachvollziehbarer. Als Fazit bleibt festzuhalten, daß der Tätowierung auch heute eine, wenn auch nur für eine begrenzte Anzahl von Individuen, wichtige Bedeutung innerhalb der Sozialbeziehungen zukommt. Diese Funktion kann sie nur deshalb erfüllen, weil sie immer sowohl einen intra- als auch einen interpersonellen Charakter hat.
Literatur
Frank-Peter Finke, "Tätowierungen in modernen Gesellschaften", Osnabrück 1995