Deutschland umsonst
Deutschland umsonst, Untertitel: Zu Fuß und ohne Geld durch ein Wohlstandsland, ist ein Reisebericht von Michael Holzach, der 1982 erschien und bald zum Bestseller und Kultbuch der Aussteigerkultur wurde.
Inhalt
Ohne Geld wandert der erst 33-jährige, aber bereits bei ZEIT und GEO arrivierte Reporter Michael Holzach quer durch Deutschland und zurück - „durch eine Welt, in der sich alles um Mark und Pfennig dreht.“[1] Angewiesen auf seine Füße, einen guten Riecher und die Mitleid erregenden Augen seines Hundes Feldmann, trotzt er sechs Monate lang sommerlicher Hitze und herbstlichem Dauerregen und erlebt die Welt der Sesshaften aus einer ungewöhnlichen Perspektive.
Die Reise führt ihn von Hamburg durch die Lüneburger Heide, das Weserbergland und Sauerland über das Ruhrgebiet bis an die österreichische Grenze zu einer kleinen Alm im Allgäu. Von dort läuft er weiter nach München und kehrt über Kitzingen, Schweinfurt und entlang der damaligen innerdeutschen Grenze nach Hamburg zurück.
Bauern lassen den Vagabunden, teils gratis, teils gegen Frondienste, in ihren Scheunen schlafen. Andere jagen ihn erbarmungslos vom Hof. Tippelbrüder lehren ihn die Künste des Bettelhandwerks. Sträflinge im Ruhrgebiet erbarmen sich seiner und teilen ihre Essensrationen mit ihm. In der Lüneburger Heide nimmt ihn ein riesiger Panzer ins Visier. Eine stolze Dorfschönheit verliebt sich in den hochgewachsenen Wandervogel, entführt ihn auf einen nächtlichen Schützenball und weint sich an seiner Schulter aus. Bei einem Nato-Manöver in der Bielefelder Senne wird er für eine Ration dicker Bohnen mit Speck zum Doppelagenten. Im Kloster beherbergt man ihn „wie den Heiland selbst“.[2] Zigeuner geben ihm zu essen, hocken mit ihm Gitarre zupfend am Lagerfeuer. Ein Pfarrer dagegen missachtet das Gebot der Nächstenliebe und ruft die Polizei. Auf einer Kirmes in Heilbronn arbeitet er, unter der Fuchtel und den misstrauischen Augen einer keifenden Alten, in einer Schießbude. Beim Wanderzirkus füttert er die Tiere. In Übernachtungsasylen erfährt er von Obdachlosen, was es heißt, tippeln zu müssen und „langsam zu krepieren“.
Die Orientierungspunkte seiner Reise sind bezeichnenderweise zugleich die wichtigsten Stationen seiner eigenen Vergangenheit: das Landschulheim und Internat in Holzminden, dem er sowohl auf dem Hin- als auch auf dem Rückweg einen Besuch abstattet, das Studentenwohnheim in Bochum, die Villa seines (inzwischen verstorbenen) Vaters in Bergisch-Gladbach und die Wohnung seiner (derzeit nach Sylt verreisten) Mutter in München.
Form
175 Tage über Landstraße, Wald und Wiesen; auf der Flucht vorm Routineleben die nichtalltägliche Begegnung mit dem deutschen Alltag und der eigenen Einsamkeit; Abenteuer, Glück, Unglück und Entbehrungen – all das fügt sich im Spannungsfeld von bürgerlicher Welt und verlorenen Existenzen zu einer Dokumentation mit durchaus literarischen Qualitäten; zu einer Suche nach sich selbst einerseits und zur Retrospektive auf das Leben der 80er Jahre andererseits: Gastarbeiterproblematik, AKW-Proteste, NS-Vergangenheit werden lebendig. Der Autor übt eine sehr persönliche Gesellschaftskritik und stellt dabei auch seinen eigenen, letztlich das Schicksal von Randgruppen mit deren Beschreibung zugleich ausbeutenden Journalistenberuf immer wieder in Frage.
Darüber hinaus erfährt der Leser zwar viel Originelles über die verschiedenen regionalen Landschaften Deutschlands und deren typischen Menschenschlag. Da aber Michael Holzach ohne Geld unterwegs ist und seine Zeit hauptsächlich darauf verwenden muss, sich und seinem Hund Kost und Logis zu beschaffen, wird das Buch vorwiegend zur Beschreibung seiner Obdachlosigkeit, während die Wanderschaft selbst etwas in den Hintergrund tritt.
Textausgabe
- Michael Holzach: Deutschland umsonst. Zu Fuß und ohne Geld durch ein Wohlstandsland. Hamburg: Hoffmann & Campe (1982). ISBN 3-455-08706-X