Mittelwert
Der Mittelwert ist ein Begriff aus der Mathematik bzw. Statistik. Es sind zwei verschiedene Bedeutungen dieses Begriffs gebräuchlich, die sich allerdings überschneiden.
Zum einen nennt man den Erwartungswert einer Zufallsvariablen Mittelwert.
Zum anderen bezeichnet der Mittelwert, auch Mittel genannt, eine Durchschnittsbildung von verschiedenen Zahlenwerten. Diese Bedeutung wird hier erläutert.
Mittelwerte sind verschiedene mathematisch definierte, meist statistische, Kenngrößen, die sich aus einer Reihe von Beobachtungswerten, etwa Messwerten einer Stichprobe, berechnen lassen. Aufgabe des Mittelwertes ist es, Aufschluss über den Durchschnittswert vorliegender Werte zu geben. Es gibt verschiedene Arten von Mittelwerten, wie z.B. geometrisches Mittel und arithmetisches Mittel.
Im folgenden seien gegebene Messwerte, beispielsweise reelle Zahlen, deren Mittelwert berechnet werden soll.
Arithmetisches Mittel
Das arithmetische Mittel (auch Durchschnitt) ist der am häufigsten benutzte Mittelwert und wird deshalb auch als Standardmittelwert bezeichnet.
Liegen von einem Merkmal n Beobachtungen vor, errechnet sich das Mittel der Stichprobe als
Beispiel für das arithmetische Mittel von 50 und 100:
Liegen die Beobachtungen als klassierte Häufigkeit vor, kann man das arithmetische Mittel näherungsweise mit den Klassenmitten bestimmen.
Das arithmetische Mittel einer Stichprobe ist nach vielen Kriterien eine geeignete Schätzung für den Erwartungswert der Verteilung, aus der die Stichprobe stammt.
Geometrisches Mittel
Das geometrische Mittel ist die n-te Wurzel aus dem Produkt der Messwerte; es ist ein geeignetes Lagemaß für Größen, von denen das Produkt anstelle der Summe interpretierbar ist, z. B. von Verhältnissen oder Wachstumsraten.
Beispiel für das geometrische Mittel zwischen 3 und 300:
Im Gegensatz zum arithmetischen Mittel ist das geometrische Mittel offensichtlich nur für nichtnegative Zahlen definiert.
Beispiel: Das Mittel aus einer Verdopplung und nachfolgender Verachtfachung einer Bakterienkultur ist eine Vervierfachung (nicht eine Vermehrung um den Faktor 5).
Harmonisches Mittel
Das harmonische Mittel ist ein geeignetes Lagemaß für Größen, die durch einen Bezug auf eine Einheit definiert sind, z.B. von Geschwindigkeiten (Strecke pro Zeiteinheit) oder Ernteerträgen (Gewicht oder Volumen pro Flächeneinheit)
Beispiel für das harmonische Mittel zwischen 5 und 20:
Mit dieser Formel ist das harmonische Mittel zunächst nur für von Null verschiedene Zahlen definiert. Geht aber einer der Werte gegen Null, so existiert der Grenzwert des harmonischen Mittels und ist ebenfalls gleich Null. Daher ist es sinnvoll, das harmonische Mittel als Null zu definieren, wenn mindestens eine der zu mittelnden Größen gleich Null ist.
Verallgemeinerter Mittelwert
Für positive Zahlen definiert man den verallgemeinerten Mittelwert als
Die Notation ist nicht einheitlich, alternativ sind auch Schreibweisen wie , oder üblich. Genauso wie die Schreibweise ist anscheinend auch die Aussprache uneinheitlich; möglich sind Varianten wie -tes Mittel, Mittel der Ordnung oder vom Grad oder Mittel mit Exponent .
Mittels geeigneter Wahl des Parameters k können unter anderem die drei obigen Mittelwerte erzeugt werden:
- k -> : ,
- k = 1: Arithmetisches Mittel,
- k -> 0: Geometrisches Mittel,
- k = -1: Harmonisches Mittel,
- k = 2: Quadratisches Mittel oder Effektivwert (in der Elektrotechnik),
- k -> : .
Das harmonische Mittel lässt sich auch indirekt berechnen als .
In der Statistik spielen diese verallgemeinerten Mittelwerte keine besondere Rolle, sie stehen allerdings über die einfache Formel
mit den Stichprobenmomenten um Null in Beziehung.
In der Mathematik spielen diese verallgemeinerten Mittelwerte vor allem wegen der Ungleichung der verallgemeinerten Mittelwerte eine Rolle: Für -∞ ≤ s ≤ t ≤ ∞ gilt die Ungleichung:
Diese Ungleichung lässt sich z.B. beweisen, indem man setzt und und in die Hölder-Ungleichung mit einsetzt.
Für die Spezialwerte -1, 0, 1, 2 gilt:
.
Dieser Spezialfall lässt sich auch mit der Cauchy-Schwarzsche Ungleichung, die ja ein Spezialfall der Hölder-Ungleichung ist, beweisen.
Gewichtetes Mittel
Das gewichtete Mittel wird verwendet, wenn man Mittelwerte aus Stichproben der gleichen Grundgesamtheit mit verschiedenen Stichprobenumfängen miteinander kombinieren will:
Die Gewichte sind die Umfänge der Teilstichproben oder, in anderen Anwendungen, ein Maß für die Zuverlässigkeit des jeweiligen Wertes, der dementsprechend den Mittelwert mehr oder weniger stark beeinflusst. Das Gewicht kann aus der Standardabweichung des Wertes berechnet werden..
Verallgemeinerter Mittelwert (f-Mittel)
Sei f eine auf einem reellen Intervall streng monotone stetige (und daher invertierbare) Funktion und
Gewichtsfaktoren. Dann ist für das mit den Gewichten gewichtete f-Mittel definiert als
- .
Offensichtlich gilt
Für erhält man das arithmetische, für das geometrische, und für das verallgemeinerte Mittel mit Exponent .
Winsorisiertes oder gestutztes Mittel
Kann man davon ausgehen, dass die Daten durch "Ausreißer", d.h. einige wenige zu hohe oder zu niedrige Werte kontaminiert sind, so sortiert man die Beobachtungswerte nach aufsteigender Größe, schneidet eine gleiche Anzahl von Werten am Anfang und am Ende der Folge ab und berechnet von den übrigbleibenden Werten den Mittelwert. Ein 10% winsorisiertes Mittel erhält man, wenn man 5% der Gesamtzahl aller Werte am unteren und 5% am oberen Ende auslässt.
Das "a-Mittel"
Für einen gegebenen reellen Vektor
mit
wird der Ausdruck
wobei über alle Permutationen σ von { 1, ..., n } summiert wird, als "a-Mittel" [a] der nichtnegativen reellen Zahlen x1, ..., xn bezeichnet.
Für den Fall a = (1, 0, ..., 0), ergibt das genau das arithmetische Mittel der Zahlen x1, ..., xn; für den Fall a = (1/n, ..., 1/n) ergibt sich genau das geometrische Mittel.
Für die a-Mittel gilt die Muirhead-Ungleichung
Mittelwert einer Funktion
Der Mittelwert der Funktion mit dem Gewicht ist
- .
Auch dieser Mittelwert lässt sich für eine Funktion , die in einem die Bildmenge von umfassenden Intervall streng monoton und stetig ist, auf das f-Mittel verallgemeinern:
Gleitende Durchschnitte
Gleitende Durchschnitte werden in der dynamischen Analyse von Meßwerten angewandt. Sie sind außerdem ein gängiges Mittel der technischen Analyse in der Finanzmathematik. Mit gleitenden Durchschnitten kann das stochastische Rauschen aus zeitlich voranschreitenden Signalen herausgefiltert werden. Jedoch muß beachtet werden, daß die meisten gleitenden Durchschnitte dem echten Signal hinterherlaufen. Für vorausschauende Filter siehe z.B. Kalman-Filter.
Gleitende Durchschnitte benötigen normalerweise eine unabhängige Variable, die die Größe der nachlaufenden Stichprobe bezeichnet, bzw. das Gewicht des vorangehenden Wertes für die exponentiellen gleitenden Durchschnitte.
Gängige gleitende Durchschnitte sind:
- Arithmetische gleitende Durchschnitte (Simple Moving Average, SMA)
- Exponentiell gleitende Durchschnitte (Exponential Moving Average, EMA)
- Doppelt exponentiell gleitende Durchschnitte (Double EMA, DEMA)
- Dreifach, n-fach exponentiell gleitende Durchschnitte (Triple EMA, TEMA)
- Linear gewichtete gleitende Durchschnitte (linear abfallende Gewichtung)
- Quadratisch gewichtete gleitende Durchschnitte
- Weitere Gewichtungen: Sinus, Triangular, ...
In der Finanzliteratur können außerdem sogenannte adaptive gleitende Durchschnitte gefunden werden, die sich automatisch einer sich ändernden Umgebung (andere Volatilität/Streuung etc.) anpassen:
- Kaufmann's adaptive moving average (KAMA)
- Variable Index Dynamic Average (VIDYA)
Sonstige Mittelwerte
Sonstige Mittelwerte, die in einem eigenen Artikel beschrieben werden sind der Modus (eigentlich kein Mittelwert, sondern der häufigste Wert) und der Median, der robust gegenüber extremen Abweichungen, sogenannten Ausreißern, ist.
Siehe auch
- Median, Modus, Stochastik, Varianz, Wahrscheinlichkeitsverteilung, Stage migration, Ungleichung vom arithmetischen und geometrischen Mittel, Effektivwert