Richtlinien für die Verwaltungsführung im Bunde
Richtlinien für die Verwaltungsführung im Bunde
Die Schweiz hat mit Wirkung vom 1. Januar 1975 „Richtlinien für die Verwaltungsführung im Bunde“ (Rili) erlassen (Verwaltungsvorschriften). Mit ihnen sollten die Voraussetzungen für ein optimales Zusammenwirken aller Kräfte innnerhalb der Schweizerischen Bundesverwaltung geschaffen werden, um die Erkenntnisse von Hochschulen und aus der Wirtschaft in der Verwaltung nutzbar zu machen. Sie wurden in Kraft gesetzt vom Schweizerischen Bundesrat, dem höchsten und zentralen Regierungsorgan der Schweiz. Unterschrieben haben sie der damalige Bundespräsident Brugger und Bundeskanzler Huber, die höchsten Regierungsrepräsentanten des Staates. Die Richtlinien richten sich an Führungskräfte aller Ebenen in der Schweizer Bundesverwaltung und regeln diesen gegenüber verbindlich, wie sie sich im Umgang mit ihren Mitarbeitern verhalten sollen und was ihre Aufgaben sind.
Inhalt
Die Rili sind in neun Hauptabschnitte gegliedert, denen eine Einleitung vorangestellt ist.
Einleitung
Die Einleitung umreisst allgemein die Ziele, die mit den Rili verfolgt werden. Hauptzweck ist, Voraussetzungen für ein „optimales Zusammenwirken aller Kräfte“ in der Bundesverwaltung zu schaffen. Grundlage hierfür ist vor allem die Anwendung des kooperativen Führungsstils.
Hauptabschnitt A: Zweck und persönlicher Geltungsbereich
Hauptabschnitt A befasst sich mit Zweck und persönlichem Geltungsbereich der Rili.
Sie sollen dazu beitragen, die Führung zu erleichtern, ein gutes Arbeitsklima zu schaffen und die gesamte Verwaltungstätigkeit im Sinne eines zeitgemäßen Führungsstils möglichst effizient zu gestalten. Ihr Zweck ist es unter anderem:
- den Vorgesetzten Grundsätze und Methoden der Führung aufzuzeigen und
- den Mitarbeitern/innen zu ermöglichen, sich entsprechend ihren menschlichen und fachlichen Qualitäten zu entfalten, aktiv am Führungsprozess mitzuwirken und ihre Aufgaben sachgerecht zu erfüllen.
Sie richten sich insbesondere an die Vorgesetzten aller Instanzen und sind für diese verbindlich. Diese müssen die Rili verinnerlichen und vorleben.
Hauptabschnitt B: Führung
Hauptabschnitt B definiert, was unter Führung zu verstehen ist.
Führung bedeutet, das Handeln aller an einer Aufgabe Beteiligten auf die gesetzten Ziele auszurichten. Der Begriff der Führung umfasst die Fähigkeit zum Überblicken des Handlungsbereiches, den Willen, Mitarbeitern positiv zu beeinflussen, Prioritäten zu setzen und klare Ziele anzuvisieren, Koordinierung sicherzustellen und eine effiziente Kontrolle auszuüben, ohne dass die Mitarbeitern den Eindruck haben müssen, der Chef/die Chefin traue ihnen nichts zu.
Hauptabschnitt C: Der kooperative Führungsstil als Grundprinzip für erfolgreiches Verwaltungshandeln
Hauptabschnitt C sieht in dem kooperativen Führungsstil ein Grundprinzip für erfolgreiches Verwaltungshandeln.
Er bedeutet:
- Konsequente Förderung von Initiative und Selbständigkeit
- Aktive Mitwirkung aller Beteiligten am Führungsprozess
- Überzeugende Motivierung der Zielsetzung und Begründung der Entscheidung
Weitere Grundprinzipien sind:
- Vorausschauendes Denken
- Bestandsaufnahme der Verwaltungstätigkeit (in einem Soll/Ist-Vergleich ist festzustellen, ob Soll und Ist übereinstimmen, d.h. was ist, was soll sein. Stimmen Soll und Ist nicht überein, muss das Ist mit entsprechenden Massnahmen zum Soll geführt werden.
Beispiel: Die Beschauquote bei der Einfuhr von Waren soll mindestens 5 % betragen. Eine Erhebung der Beschauzahlen ergibt, dass das Zollamt A 10 %, das Zollamt B 1 % und das Zollamt C 3 % der Waren beschaut. A kann es bei 10 % belassen, B muss die Beschauquote um 4 % und C um 2 % erhöhen.)
- Prioritätenbildung Prioritätenliste (z.B. Priorität 1: Erhebung der Verbrauchsteuern; Priorität 2: Erhebung der Zölle; Priorität 3: Einfuhrumsatzsteuer; Priorität 4: Nachprüfungsverfahren im Bereich Präferenzen; Priorität 5: Einhalten der Verbote und Beschränkungen bei der Einfuhr etc.)
- Exakte Zielsetzung (z.B. 5 % Mindestbeschauquote)
- Kosten/Nutzenanalyse (Controlling)
- Kontrolle und Koordinierung des Vollzuges einer getroffenen Entscheidung
- Delegation
- Gegenseitige Information
- Lob und Tadel
Hauptabschnitt D: Die Delegation von Aufgaben
Hauptabschnitt D beschäftigt sich mit der Delegation von Aufgaben.
Delegieren heisst, einem Mitarbeiter Aufgaben zur selbständigen Bearbeitung zu übertragen. Der Mitarbeiter kann die dafür erforderlichen Handlungen vornehmen und trägt dafür die Verantwortung. Der Vorgesetzte darf nur ausnahmsweise direkt intervenieren. Delegation bietet Gelegenheit, Nachwuchskräfte zu fördern und zu erproben. Sie steigert Selbständigkeit und Initiative der Mitarbeiter. Diese fühlen sich ihren Fähigkeiten entsprechend eingesetzt und empfinden die Kompetenzübertragung als Vertrauensbeweis. Ihr Verantwortungsbewusstsein wird dadurch gestärkt. Die Delegation dient der notwendigen Entlastung des Vorgesetzten. Sie macht ihn frei, um seinen Führungsaufgaben nachzukommen. Dennoch behält der Vorgesetzte die Verantwortung für das Ganze.
Hauptabschnitt E: Führungsaufgaben
Hauptabschnitt E definiert die Führungsaufgaben.
Dazu zählen:
- Bestandsaufnahme (Soll/Ist-Abgleich), s.o.
- Planung
- Bildung von Prioritäten
- Setzen von Zielen
- Entscheidung
- Einleitung der zu ihrer Verwirklichung notwendigen Massnahmen
- Kontrolle und Koordination des Vollzuges.
Hauptabschnitt G: Mitarbeiterführung
Hauptabschnitt G beschreibt, wie Mitarbeiter zu führen sind und nennt die wichtigsten Aufgaben der Personalführung.
- Gegenseitiges Vertrauen ist Voraussetzung und Grundlage einer fruchtbaren Zusammenarbeit und damit einer erfolgreichen Führung.
- Der Vorgesetzte pflegt den persönlichen Kontakt mit seinen Mitarbeitern.
- Die Führung durch Zielsetzung ist eine wirksame Methode kooperativer Führung. Er legt in einer Aussprache mit den Mitarbeitern die zu erreichenden Ziele für eine bestimmte Periode fest. Am Schluss der Periode wird in einem Mitarbeitergespräch gemeinsam festgesellt, ob die Ziele erreicht wurden. Wurde das Ziel nicht erreicht, muss geklärt werden, warum das Ziel nicht erreicht wurde.
Weitere wichtige Aufgaben der Personalführung durch Vorgesetzte sind:
- die richtige Auswahl der Mitarbeiter
- der ihren Fähigkeiten entsprechenden Einsatz
- ihre Förderung
- die Pflege der menschlichen Beziehungen. Der Vorgesetzte kümmert sich persönlich um das Wohlergehen seiner Mitarbeiter.
- das Mitarbeitergespräch
- Anregungen anzuhören und ernst zu nehmen
- Förderung der Gemeinschaftsarbeit (Dienstbesprechungen)
- die Besprechung der Arbeitsergebnisse
- die Beurteilung der Mitarbeiter
- die Behandlung von Meinungsverschiedenheiten und Lösung von Konflikten (Mobbing, Bossing, Staffing, d. h. Mobbing durch hierarchisch Untergeordnete)
Hauptabschnitt H: Die Kriterien für die Auswahl von Vorgesetzten
Hauptabschnitt H nennt die Kriterien für die Auswahl von Vorgesetzten.
Entscheidend ist die Fähigkeit, die Achtung und das Vertrauen der Mitarbeiter zu gewinnen, diese für ihre Aufgaben zu begeistern und sie zu selbständigem, initiativem Denken und Handeln anzuspornen. Er muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
- klares Denken, Sinn für die grossen Zusammenhänge und geistige Beweglichkeit.
- Sachkenntnis
- Verantwortungsbewusstsein und Verantwortungsfreude
- geistige Unabhängigkeit und Mut
- echter Humor
- Sinn für Gerechtigkeit und Verständnis für die Mitarbeiter
- seine persönlichen Interessen der Sache unterordnen
- Sicherheit
- Durchsetzungsvermögen
- Organisationstalent
- mit Untergebenen und höheren Vorgesetzten umgehen können
- Bereitschaft, für seine Mitarbeiter einzustehen
- Selbstdisziplin
Hauptabschnitt J: Persönliche Pflichten eines Vorgesetzten
Hauptabschnitt J definiert die persönlichen Pflichten eines Vorgesetzten.
Als Vorgesetzter muss er
- die Führungsaufgaben unter vollem Einsatz seiner Person erfüllen. Er wirkt durch sein Beispiel.
- Er bietet seinen Mitarbeitern Anregungen.
- Er entfaltet seinen eigenen Führungstil unter Beachtung diesr Rili.
- Er gibt sich, wie er ist.
- Er behält über die eigene Zuständigkeit hinaus das Ganze im Auge.
- Er verlangt klare und präzise Antworten. Er muss fragen können.
- Er lässt die Lage reifen, ohne Entscheidungen auf die lange Bank zu schieben.
- Er nimmt zu verantwortende Risiken auf sich.
- Er stellt klare Forderungen.
- Er erträgt Kritik, lobt und tadelt.
- Er resigniert nicht trotz Enttäuschungen und Rückschlägen.
- Er weiss um die Unvollkommenheit menschlichen Handelns inklusive seines eigenen.
als Mitarbeiter muss er
- sich für die Erfüllung seiner Aufgaben einsetzen,
- selbständig und initiativ handeln und Verantwortung übernehmen,
- seine Vorgesetzten beraten, sie entlasten und ihre Zeit nicht unnötig beanspruchen,
- sich seinem Vorgesetzten unterordnen, ohne zum unkritischen Ja-Sager zu werden.
als Kollege muss er
- alle an der Lösung einer Aufgabe Beteiligten rechtzeitig kontaktieren und kooperieren,
- für umfassende und gegenseitige Information sorgen,
- sich als Kollege gerieren,
- die Leistungen der Kollegen würdigen.
Quellen
- Richtlinien für die Verwaltungsführung im Bunde, erlassen vom Schweizerischen Bunderat, Bern, 1974. Vertrieb der Handausgabe durch die Eidgenössische Drucksachen- und Materialzentrale, Bern
Literatur
- H. P. Duric: Richtlinien für die Verwaltungsführung im Bunde. In: Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern. 1976, S. 267 ff.
- H. P. Duric: Richtlinien für die Verwaltungsführung im Bunde. In: Verwaltung, Organisation, Personal. 1982, S. 64 ff.