Oberleitungsbus Valparaíso
Der Oberleitungsbus Valparaíso, spanisch Trolebús de Valparaíso, ist heute der einzige Oberleitungsbus-Betrieb in Chile. Betrieben wird er von der privaten Aktiengesellschaft Trolebuses de Chile S.A., abgekürzt TCSA. Die einzige elektrifizierte Strecke ist 4,5 Kilometer lang, erschließt die Stadt Valparaíso als Durchmesserlinie in Ost-West-Richtung und wird von der Linie 802 im dichten Takt bedient. Sie ist ferner auch als Linie 8 in das örtliche Omnibus-System Plan de Transporte Metropolitano de Valparaíso (TMV) integriert. Gefahren wird montags bis samstags von 7:00 bis 21:30 Uhr, sonntags ruht der Betrieb.[1] Als Besonderheit wurde der Oberleitungsbus Valparaíso am 3. Juli 2003 vom chilenischen Staat als besonders erhaltenswertes Kulturgut eingestuft, spanisch monumento nacional genannt.[2]
Geschichte
Der Betrieb in Valparaíso wurde am 31. Dezember 1952 als zweites Obusnetz des Landes eröffnet, in der Hauptstadt Santiago de Chile verkehrten schon seit 1947 O-Busse. In Valparaíso löste der Oberleitungsbus dabei die schon seit 1863 verkehrende Straßenbahn ab. Weitergenutzt wurde hingegen deren 1903 gebautes Depot an der Avenida Independencia. Zunächst verkehrten die Oberleitungsbusse nur zwischen Plaza Barón und Plaza Victoria (durch die Avenida Pedro Montt), erst am 7. Januar 1953 ging die Gesamtstrecke bis Plaza Aduana in Betrieb. Im Februar gleichen Jahres folgte schließlich die Eröffnung der zweiten Route durch die Avenida Colón.

Traditionell wurden die beiden chilenischen Obus-Netze von der gleichen Gesellschaft geführt. Dieses Staatsunternehmen firmierte zunächst unter Empresa Nacional de Transportes (ENT), ab 1953 dann als Empresa de Transportes Colectivos del Estado (ETCE). Ende der 1970er-Jahre sank das Interesse des chilenischen Staates am Weiterbetrieb der beiden Obus-Netze, die Folge war die Betriebseinstellung in Santiago de Chile am 18. Juni 1978 und in Valparaíso am 30. November 1981.
Jedoch gelang es einigen Geschäftsleuten den Obus-Betrieb in Valparaíso schon am 26. April 1982 wieder aufzunehmen. Hierzu gründeten sie die private Gesellschaft mit beschränkter Haftung Empresa de Transportes Colectivos Eléctricos LTDA., abgekürzt ebenfalls ETCE. Auch der Obus in Santiago de Chile ging 1991 nochmal in Betrieb, schon 1994 erfolgte aber die endgültige Einstellung. Seither ist das Verkehrsmittel Oberleitungsbus in Chile nur noch in Valparaíso anzutreffen.
Im Jahr 2000 musste die ETCE ihr bisheriges Trolleybusdepot an der Avenida Independencia aufgeben. Als Ersatz diente fortan ein provisorisches Gelände an der Avenida España, welches jedoch nicht an das Fahrleitungsnetz angeschlossen war. Um umständliche Schleppfahrten zu vermeiden, stellte man die im Einsatz befindlichen Trolleybusse nachts entlang der Strecke ab. 2006 musste auch dieses Areal aufgrund eines Grundstücksverkaufs wieder aufgelassen werden. Nach einem kurzen Intermezzo auf einem Gelände in der zehn Kilometer entfernten Kleinstadt Placilla – und damit noch weiter abseits der Oberleitungsinfrastruktur gelegen – sind die Trolleybusse seit 2008 wieder in ihrem angestammten Depot aus der Straßenbahnzeit untergebracht.
Am 10. Mai 2007 erklärte sich die Obus-Betreibergesellschaft wegen wirtschaftlicher Probleme für bankrott und kündigte die Einstellung des Betriebs für den 15. Juni 2007 an. Insbesondere musste diese sich gegen die von der Stadtregierung geförderte Konkurrenz in Form von dieselgetriebenen Midibussen verschiedener privater Unternehmer durchsetzen. Deren Linienstruktur wurde im Januar 2007 neu organisiert, sie zeichnen sich durch einen günstigeren Fahrpreis, ein größeres Netz und höhere Geschwindigkeiten aus, wenngleich sie weniger Komfort bieten. Doch bereits zuvor gab es finanzielle Schwierigkeiten, so musste der Obus-Betrieb beispielsweise schon 2002 in Folge nichtbezahlter Stromrechnungen drei Wochen lang eingestellt werden.[3]

Nach der Zahlung von Subventionen durch die Regierung kurz vor Ablauf der Frist ist der Bestand des Obusbetriebs jedoch vorerst bis 2013 gesichert. In diesem Zusammenhang wandelte sich die Gesellschaft, ebenfalls 2007, von einer GmbH in eine AG. Gleichzeitig änderte sie ihren Namen von ETCE in TCSA. Jedoch musste aufgrund der weiterhin angespannten Finanzsituation die ehemals zweite Obus-Linie mit der Nummer 801 zum 1. September 2007 eingestellt werden. Sie verlief großteils identisch zur bestehenden Route, lediglich in Fahrtrichtung Plaza Aduana verkehrte sie nicht via Avenida Colón sondern auf direktem Weg durch die Avenida Pedro Montt.
Heute beschäftigt die Trolleybusgesellschaft zusammen 60 Mitarbeiter. Das Unterwerk befindet sich in der Calle Aldunate, nahe dem zentralen Plaza Victoria. Es stammt von Westinghouse Electric und arbeitet nach dem Ignitron-Prinzip.
Fahrzeuge




Zur Betriebseröffnung 1952 beschaffte die ENT von der Pullman Palace Car Company aus den Vereinigten Staaten 30 Solowagen des Typs Pullman Standard. Sie waren die letztproduzierten O-Busse dieses Herstellers überhaupt und erhielten in Valparaíso die Betriebsnummern 701 bis 730. Die elektrische Ausrüstung dieser Serie stammt von General Electric (GE). Von ihnen sind noch die fünf Wagen 709, 714, 715, 721 und 723 in Betrieb, sie wurden 2003 unter Denkmalschutz gestellt.
In den 1970er-Jahren wurden immer mehr Wagen aus Santiago de Chile nach Valparaíso transferiert, dort wurden sie in Folge von Streckeneinstellungen zunehmend überflüssig. Wie viele Exemplare im Laufe der Jahre insgesamt an Valparaíso abgegeben wurden, ist nicht überliefert. Hierbei handelte es sich um in der zweiten Hälfte der 1940er-Jahre produzierte Wagen einer zusammen 100 Exemplare umfassenden Serie. Sie stammen ebenfalls von der Pullman Palace Car Company, unterscheiden sich jedoch äußerlich etwas von den für Valparaíso beschafften Fahrzeugen. Ihre Elektrik stammt ebenfalls von GE. Elf Wagen dieser Serie (801, 802, 804, 806, 818, 821, 822, 824, 832, 859 und 888) wurden 1986 neu karrosiert, erkennbar an den abweichenden Front- und Seitenfenstern. Von diesen Oldtimern sind noch acht Stück im Einsatz, darunter sieben modernisierte (801, 802, 806, 821, 832, 859 und 888) sowie ein nicht-modernisierter (814). Die 800er-Wagen gelten als die ältesten planmäßig eingesetzten Oberleitungsbusse der Welt, auch sie stehen unter Denkmalschutz.
1991 beschaffte die ETCE anläßlich der bevorstehenden Wiedereröffnung des Hauptstadtbetriebs acht fabrikneue Solo-Obusse aus der Volksrepublik China. Die Wagen vom Typ Shenfeng SYD-60C entstammten einer Gemeinschaftsproduktion von Norinco sowie der Shenyang Bus Manufacturing Factory und wurden unter den Betriebsnummern 601 bis 608 in den Bestand eingereiht. Vier von ihnen gelangten später nach Valparaíso, davon befinden sich die Wagen 603 und 607 im Einsatz, während die Wagen 601 und 604 abgestellt sind. Letztere sollen mittelfristig ebenfalls einsatzbereit hergerichtet werden.
In den Jahren 1991 und 1992 erwarb die Gesellschaft schließlich insgesamt 31 gebrauchte Schweizer Trolleybusse aus den 1950er- und 1960er-Jahren, darunter erstmals auch Gelenkwagen. Die Wagen der Fabrikate Berna/SWS, FBW/SWS und Saurer/Hess stammen vom Trolleybus Schaffhausen, den Verkehrsbetrieben der Stadt St. Gallen, den Verkehrsbetrieben Zürich und der Transports Publics Genevois. Die Gebrauchtwagen erreichten Chile wie folgt:
22. September 1991 | Zürich | 105, 107, 109, 111, 129 und 132 |
Januar 1992 | Genf | 32 und 96 |
Zürich | 73 | |
9. April 1992 | St. Gallen | 142, 143, 144, 146 und 147 |
25. November 1992 | Genf | 602, 603, 604, 605, 611, 612, 613 und 621 |
6. Dezember 1992 | Genf | 607, 615, 616, 617, 643 und 644 |
Schaffhausen | 102, 103 und 203 |
Ein Teil der Schweizer Wagen war dabei für die 1991 wiedereröffnete Linie in der Hauptstadt bestimmt und kam nie zum hier behandelten Betrieb. Heute sind in Valparaíso noch folgende acht Fahrzeuge vorhanden:
- aus Genf: 99 (ehemals 607), 612 und 617
- aus Zürich: 105, 503 (ehemals 129) und 504 (ehemals 132)
- aus Schaffhausen: 102 und 203
Wagen 105 ist dabei mit Baujahr 1959 der weltweit älteste Gelenktrolleybus im regulären Fahrgastbetrieb. Insgesamt besitzt die TCSA somit 25 O-Busse, davon sind 23 einsatzbereit. Für den planmäßigen Linienbetrieb werden 19 Kurse benötigt. Ferner dient der ehemalige St. Galler Wagen 142 seit dem 17. November 2008 als Wartehalle und Souvenir-Verkaufsstelle an der Endhaltestelle Plaza Barón.[4] Für die Instandhaltung der Oberleitung steht außerdem ein Turmwagen zur Verfügung.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Stabilisierung des Betriebsablaufs
- ↑ Valparaíso – Stabilisierung des Betriebsablaufs
- ↑ Blickpunkt Straßenbahn 6/2002
- ↑ Ganz neue Verwendung!