Zum Inhalt springen

Bewusstsein

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 6. August 2005 um 16:11 Uhr durch 84.155.122.85 (Diskussion) (Weblinks). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Bewusstsein wird als die Fähigkeit verstanden, zu erleben, im engeren Sinne zu erkennen und damit auch kraft Beobachtung, Urteil und Verhalten sich selbst im Kontrast und in seiner Beziehung zu seiner Umwelt wahrzunehmen (siehe auch Selbstbewusstsein) und sich als Individuum zu verstehen. Als Bewusstsein werden auch mentale Zustände bezeichnet, die mit einem bestimmten Erlebnisgehalt (Qualia) verknüpft sind, wie beispielsweise Schmerz, Wut oder Farbempfindung. Ein naturwissenschaftliches Verständnis des Bewusstseins liegt nicht vor. Selbst eine allgemein anerkannte präzise Definition von Bewusstsein ist bisher nicht gelungen.

Einführung

Das Phänomen des Bewusstseins zählt zu den größten ungelösten Fragen von Philosophie und Naturwissenschaft überhaupt. Aus naturwissenschaftlicher Sicht lautet sie, wie es prinzipiell möglich sein kann, dass aus einer bestimmten Anordnung und Dynamik von Materie ein Bewusstsein, wie es der Mensch an sich erlebt, entsteht. Selbst eine lückenlose Aufklärung sämtlicher physiologischer Gehirnprozesse scheint diese Frage nicht beantworten zu können. Würde das physiologische Geschehen vollständig kausal unser Verhalten determinieren, dann wäre Bewusstsein funktionslos und überflüssig. Verhalten wäre kein Tun, sondern ein Geschehen. Es bleibt offen, warum ein Mensch nicht einfach funktionieren kann, ohne dass er es bewusst erlebt. Bei genauerem Hinsehen erweist sich sogar die Frage als offen, worin das Rätsel des Bewusstseins eigentlich besteht. Und schließlich ist es anders als bei anderen Problemen völlig ungeklärt, anhand welcher Kriterien eine Lösung des Problems überhaupt als solche erkennbar sein könnte.

Um den offensichtlich nicht-ontologischen Charakter des Bewusstseins herauszustellen (obgleich das Bewusstsein genauso offensichtlich gehirnbasiert ist: ohne Gehirn kein Bewusstsein), mag es von Interesse sein, an eine Bemerkung von Leibniz zu erinnern, der sich vorstellt durch eine gehirnartige Maschine zu schreiten:

"(...) so wird man bei ihrer Besichtigung nichts als gewisse Stücke, deren eines an das andere stößt, niemals aber etwas antreffen, woraus man eine Perception oder Empfindung erklären könnte." (Monadologie, §17)

Das Gehirn untersuchend finden wir eine graue Masse, können Neuronenströme und Aktivitätspotentiale messen, aber das Bewusstsein selbst - unsere subjektiven Empfindungen von Schmerz bis Liebe - können wir dort nicht finden; selbst dann, wenn bestimmte Vorgänge im Gehirn ausgemacht sind, die immer dann aktiv sind, wenn ein Mensch Schmerz im linken Zeh empfindet - den Schmerz im linken Zeh selbst, wie es sich anfühlt würde man dort nicht finden.

Emil Du Bois-Reymond, einer der Begründer der experimentellen Physiologie, stellte 1872 im Rahmen eines berühmten Vortrages mit dem Titel "Über die Grenzen des Naturerkennens" (siehe Ignoramus et ignorabimus) fest:

"Ich werde jetzt, wie ich glaube, in sehr zwingender Weise dartun, dass nicht allein bei dem heutigen Stand unserer Kenntnis das Bewusstsein aus seinen materiellen Bedingungen nicht erklärbar ist, was wohl jeder zugibt, sondern dass es auch der Natur der Dinge nach aus diesen Bedingungen nicht erklärbar sein wird."

Diese pessimistische Prognose ist trotz aller informationstheoretischen und gehirnphysiologischen Erkenntnisse in der jüngeren Vergangenheit bis heute nicht widerlegt.

Im Gegensatz zu Maschinen, die über Sensoren Veränderungen wahrnehmen und entsprechend reagieren, registriert der Mensch beispielsweise Schmerz zusätzlich als eine bewusste Wahrnehmung dieses Reizes. Lichtwellen werden beim Menschen nicht nur als Wellen registriert, sondern vom Gehirn als Farben dargestellt und damit erlebt.

Man wird durchaus die Ansicht vertreten können, dass es sich bei dem (vom ontologischen Gehirn aus betrachtet) nicht-ontologischen Phänomenen "Bewusstsein", "Seele", "Geist", "Psyche", "Vernunft", "Verstand", "Vorstellung", "Anschauung", "Denken", "Empfindung", "Gefühl" und dergleichen, - grob gesprochen - um das Gleiche, wenn auch nicht um dasselbe handelt. Die aufgezählten Termini wären dann vielleicht "Bewusstseinsprovinzen" zu nennen, die alle als Begriffe oder Zeichen auf Bewusstsein (als Oberbegriff) designieren, die aber in ihrer Bedeutung nicht deckungsgleich sind, das hieße: sie haben neben dem Oberbegriff Bewusstsein einen jeweils eigenen und anderen Konnotationsbereich.

Verschiedenes

Bewusstsein ist eng mit der Fähigkeit des Erinnerns verbunden, da nach zeitweiligem Bewusstseinsverlust die Identität des Individuums erhalten bleibt. Siehe auch: Störungen des Bewusstseins

Während des Schlafes geht meist ein Großteil des Bewusstseins verloren, respektive ist das im Traum erlebte normalerweise nicht steuerbar. Jedoch gibt es die Möglichkeit, das Bewusstsein im so genannten Klartraum mit Hilfe so genannter Realitychecks innerhalb eines Traums wieder zu aktivieren und diesen dann zu steuern. Der Traum selbst zählt zum unbewussten Teil des Denkens, auch wenn uns beim Aufwachen noch Teile des letzten Traumes bewusst werden können.

Das "Bewusstsein des eigenen Bewusstseins" ist eine höhere (ausschließlich menschliche?) Stufe, also nicht mit jederlei Bewusstsein verbunden - siehe dazu Selbstbewusstsein.

Bedeutung in den Wissenschaften

Das „Bewusstsein“ ist für unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen bedeutsam. Zu nennen sind hier vor allem die philosophische Anthropologie (siehe etwa Handeln), die Biologie (siehe etwa die kognitive Neurobiologie), die Informatik (siehe unten), die Linguistik (siehe unten), der Maschinenbau (siehe etwa Robotertechnik), die Pharmazie (siehe unten), die Philosophie (siehe etwa Philosophie des Geistes,Neurophilosophie,Kybernetik, Reflexion (Philosophie), Subjekt), die Psychologie (siehe etwa Lernpsychologie, Neuropsychologie, Psychoanalyse, Wille) und die Soziologie (siehe etwa soziales Handeln).

Eine Wissenschaft des Bewusstseins versucht, das Bewusstsein empirisch-naturwissenschaftlich zu untersuchen.

Philosophie

Bewusstsein zeigt sich als vom Geist projizierte Selbstreflexion in der Außenwelt.

Neurobiologie

Die Neurobiologie versucht das menschliche Bewusstsein als eine Funktion des Gehirns zu beschreiben. Dieser Ansatz beruht auf der Beobachtung, dass sich das Bewusstsein durch im Gehirn wirkende chemische Substanzen oder durch von aussen induzierte Hirnströme (transkranielle Magnetstimulation, TMS) beeinflussen lässt, und dass Geisteskrankheiten oft bewusstseinsverändernd wirken. Die moderne Gehirnforschung geht davon aus, dass mit dem (Gehirn-)Tod das Bewusstsein erlischt.

Biologie

Ob das Bewusstsein einen evolutionären Vorteil darstellt, wird diskutiert. Dass es nämlich einen Unterschied macht, ob und wer ein Bewusstsein hat oder nicht, zeigt sich daran, dass (nur?) der Mensch die Frage aufwerfen kann, wer es besäße. (Siehe Selbstbewusstsein.)

Die Frage, inwieweit andere Primaten, Wale und Delphine, oder Graupapageien Bewusstsein haben, wird kontrovers diskutiert. Neuere Forschungen scheinen zu belegen, dass Delphine sich in Spiegeln selbst erkennen können.

Psychologie

Menschliches Verhalten wird von bewussten und unbewussten Vorgängen (nie bewusst gewordenen oder verdrängten Bewusstseinsinhalten und Instinkten) beeinflusst, wobei die Trennlinie schwer zu ziehen ist. Experimentelle Psychologie und Entwicklungspsychologie, die sich mit dem Lernverhalten von Kleinkindern befassen (zum Beispiel Elizabeth Spelke, Steven Pinker), deuten auf ein sich früh entwickelndes Bewusstsein hin.

Das Bewusstsein steuert keineswegs ausschließlich das Verhalten, denn dieses geschieht auch unbewusst - siehe dazu unter anderem den Artikel Psychoanalyse

Informatik

Aus Sicht der Informatik und der kognitiven Neurobiologie kann Bewusstsein auch wie folgt definiert werden:

Ein System verfügt über Bewusstsein, wenn es selbständig aufgrund von Informationen aus dem Umfeld fähig ist, sich zwischen verschiedenen Verhaltensmöglichkeiten zu entscheiden, bevor eine davon umgesetzt wird. Voraussetzung für den Entscheidungsprozess ist, dass das System einen Ausschnitt aus der Wirklichkeit über seine Sinne wahrnimmt und sich daraus ein Bild dieser Welt – ein Modell - konstruiert, das das System selbst enthält. Umgangssprachlich schlägt sich das in der Formulierung „sich seiner selbst bewusst sein“ nieder (Hofstadter, Dennett). In diesem Modell wird die Auswahl getroffen, das heißt eine der möglichen Verhaltensweisen wird bestimmt, bevor diese dann realiter umgesetzt wird. Bewusstsein ermöglicht damit vorausschauendes Denken.

Gemäß dieser Definition verfügen Säugetiere, Vögel, Fische und sogar einige Wirbellose über Bewusstsein. Die Definition ist nicht beschränkt auf biologische Wesen; die Frage, ob sie über Bewusstsein verfügen, kann auch bezüglich Maschinen (zum Beispiel Computer mit neuronalen Netzen und hochentwickelte Roboter) gestellt werden. Siehe dazu auch: Künstliche Intelligenz (KI).

Linguistik

Die Tatsache, dass Menschen sich (traditionellerweise im Gegensatz zu allen anderen Tieren) durch Sprache ausdrücken können, verleitet dazu, Sprachvermögen und Bewusstsein gleichzusetzen. Es gibt jedoch sprachlose Menschen (Kleinkinder, Kaspar Hauser, Unfallopfer, Demenzpatienten, geistig Schwerbehinderte), denen man trotz noch nicht erworbener oder verlorener Sprache Bewusstsein zuspricht. Auch ändert sich das Bewusstsein nicht durch den Erwerb einer neuen Sprache. Bewusstsein ist daher eine der Voraussetzungen für den Spracherwerb; fehlende Sprachfähigkeit ist jedoch kein Hinweis auf fehlendes Bewusstsein.

Hier muss zwischen Sprachvermögen und Sprachkompetenz unterschieden werden: Sprachkompetenz und Sprachvermögen ist beispielsweise bei Gehörlosen vorhanden (vergleiche Gebärdensprache).

Sprache ist das wesentliche Mittel des Menschen, seinem Bewusstsein Ausdruck zu geben. Andere Formen sind gestalterisch und künstlerisch, zum Beispiel: Musik, Tanz, Malerei und Skulptur.

Wenn wir beim Sprechen oder Schreiben bewusst über dieses Produkt unseres Gehirns "nachdenken", reflektieren wir den "Geist" - oder das, was dahinter steht.

In einem dem Systemtheoretiker Peter Fuchs gewidmeten Gedicht von Rudi Sander mit dem Titel "Vergleich" heißt es:
Wenn dann du gingest / Durch den Ganglienwald / Und wolltest ihn vergleichen / Einer Maschinenhalle / Erkenne und begreife: / Im Hallenhirn du sähest / Vieles, gewiß, nur eines nicht: / Bewußtsein!, denn dieses / Verhält sich zum Gehirn / Gleich wie der Tanz zum Tänzer.

Pharmazie

Das menschliche Bewusstsein lässt sich durch Medikamente beeinflussen. Schlafmittel (zum Beispiel Midazolam = Dormicum) werden benutzt, um das Gehirn vom wachen Zustand (bewusst) in den Schlaf (unbewusst) zu bringen. Aufwachmittel (zum Beispiel Anexate) kehren diesen Prozess um.

Viele Drogen (Heroin, Kokain, LSD) haben eine bewusstseinsverändernde Wirkung (→Rauschmittel).

Kultur und Religion

Seele

In der Vergangenheit wurde der Ursprung des Bewusstseins in einer vom Körper separaten Seele (oder gar in mehreren unterschiedlichen seelischen Instanzen) gesucht. Diese Idee entstand in vielen Kulturen.

Seelenvorstellung der mosaischen Religionen

Die im antiken Griechenland entwickelten Vorstellungen haben, modifiziert durch die jüdische Vorstellung der Einheit von Leib und Seele zum christlichen Gedankengut, die Ansichten des Abendlandes entscheidend geprägt.

Seele im Hinduismus

Die individuelle Seele entspricht der hinduistischen atman/ Seelen-Vorstellung. Dieses Bewusstsein ist relativ und begrenzt. Wohingegen das absolute Bewusstsein unendlich und unbegrenzt ist, im Hinduismus als Atman (mit grossem A) bezeichnet. Das Aufgehen des individuellen, begrenzten Bewusstseins (hindu=atman) im absoluten, unbegrenzten Bewusstsein (hindu = Brahman) wird als Erleuchtung bezeichnet. Dieser Zustand transzendiert das uns "bekannte" Bewusstsein und liegt somit jenseits jeglicher Vorstellung.

Geist im Buddhismus

Anders als im abendländischen Denken und im Hinduismus geht man im Buddhismus von "Geist" als Grundlage des Bewußtseins aus. Die Vorstellung einer durch ein höheres Wesen geschöpften Seele wurde von Buddha ausdrücklich verneint. Er sprach von Anatman "Nicht-Seele". Eine individuelle Seele gibt es nur als geistiges Konzept unerleuchteter Wesen.

Literatur

  1. The Alex Studies: Cognitive and Communicative Abilities of Grey Parrots, Irene M. Pepperberg, 1999.
  2. How the Mind Works, Stephen Pinker. Norton, 1997.
  3. Intelligenz und Bewusstsein, Reihe Geo Wissen 1992 Gruner und Jahr (lit 48)
  4. Gehirn und Bewusstsein, Ernst Pöppel, VCH Verlag Weinheim
  5. Spektrum der Wissenschaft Spezial: Gehirn und Geist;
    (Reproduktion des Novemberheftes 1992 der Zeitschrift Spektrum der Wissenschaft, 11/1992)
  6. Peter Bieri: "Was macht das Bewusstsein zu einem Rätsel?", Spektrum der Wissenschaft, 10, 1992, S. 48-56.
  7. Arzt, Volker und Birmelin, Immanuel: Haben Tiere ein Bewusstsein? Bertelsmann, 1993.
  8. K. R. Popper, J. Eccles: Das Ich und sein Gehirn, 2000 Piper
  9. Daniel C. Dennett: Spielarten des Geistes, 1996, ISBN 3-570-12007-4
  10. Gerhard Roth: Das Gehirn und seine Wirklichkeit – Kognitive Neurobiologie und ihre philosophischen Konsequenzen, 1997, ISBN 3-518-28875-X
  11. Dietrich Dörner: Bauplan für eine Seele, Rowohlt Taschenbuch, 2001, ISBN 3-499-61193-7
  12. Heinrich Meier & Detlev Ploog (Hrsg.): Der Mensch und sein Gehirn. Piper, 1997.
  13. Antonio Damasio: Der Spinoza-Effekt. List-Tb., 2005.
  14. Lothar Kleine-Horst: Das Quadrialistische Acht-Welten-Modell der Wirklichkeit (AWM). In: Der Anfang des nach-naturwissenschaftlichen Zeitalters. Gedanken und Experimente jenseits der Lehrmeinungen. Köln 2004. ISBN: 3-928955-43-8
  15. David R. Hawkins: Die Ebenen des Bewusstseins. Von der Kraft die wir ausstrahlen, 1997
  16. Colin McGinn: Wie kommt der Geist in die Materie? Das Rätsel des Bewusstseins. C. H. Beck, München 2001. ISBN 3-406-47217-6

Apparat

Siehe auch: Geist, Ich, Leib-Seele-Problem, Neurophilosophie, Seele, Selbstbewusstsein, Unbewusst, Unterbewusstsein, Ken Wilber