Zum Inhalt springen

Art (Biologie)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 6. August 2005 um 02:30 Uhr durch RobotQuistnix (Diskussion | Beiträge) (Bot: Ergänze: he, vi). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Eine Art ist eine Population von Lebewesen, deren Individuen auf Grund von Vererbung Ähnlichkeiten in Bau- und Leistungsmerkmalen aufweisen. Sie sind in diesen Merkmalen von Individuen anderer Arten unterscheidbar. Das Fremdwort für den Begriff Art ist Spezies (von lat. species, die Art).

Für die Systematik ist Art eine Ebene in der Hierarchie des klassifikatorischen Systems der Lebewesen. Hier können Arten in verschiedene Unterarten, Rassen, Varietäten, oder Formen bestehen. Der Art übergeordnet ist das Taxon Gattung.

Der Begriff "Art" ist ein theoretisches Konzept. Versuche einer klaren Definition waren bisher nicht eindeutig und allgemeingültig erfolgreich. Im Folgenden sind die wichtigsten Definitionskonzepte dargestellt. Diese Artkonzepte werden in der Biologie noch immer heftig diskutiert. Ihre Verwendung in der wissenschaftlichen Praxis hängt zumeist von der biologischen Teildisziplin und vom Forschungsgegenstand ab.


Morphologisches (typologisches) Artkonzept

Arten sind Gruppen von Organismen, die sich bezüglich morphologischer Merkmale eindeutig voneinander unterscheiden lassen.
Eine Population wird derjenigen Art zugerechnet, deren Typusbeschreibung mindestens 75 % der Individuen entsprechen.

Eine auf Grund dieses Konzepts definierte Art wird als Morphospezies bezeichnet.

Hauptprobleme dieses Konzepts:

Beispiel Paläontologie: Ein Fund von Fossilien zweier Individuen in der gleichen Fundschicht, also praktisch zeitgleich lebend, unterscheiden sich stark voneinander:

  • Sie können jetzt zwei verschiedenen Arten zugeordnet werden, wenn man der Meinung ist, dass sie stark genug von einem morphologischen Typus abweichen. Sie können aber auch der gleichen Art zugeordnet werden, wenn man der Meinung ist, dass in dieser Art auch eine größere Variationsbreite, die die Funde mit einschließt, angenommen werden kann.
  • Die Unterschiede können aber auch auf einen deutlichen Sexualdimorphismus (Unterschiede in der Erscheinung der Männchen und Weibchen) innerhalb einer Art zurückzuführen sein.

Diese Probleme werden mit zunehmender Zahl der Funde und damit Kenntnis der tatsächlichen Variationsbreite geringer, lassen sich aber nicht vollständig beseitigen.

Bei rezenten Lebewesen lassen sich neben den morphologischen Merkmalen auch ethologische, anatomische, physiologische, biochemische und molekulare Merkmale zur Bestimmung heranziehen. In weiten Bereichen, z.B. in der Mikrobiologie oder bei den Nematoden versagen morphologische Artabgrenzungen weitgehend.

Chronologisches Artkonzept

Auch dieses Konzept findet vorwiegend in der Paläontologie Anwendung und ist letztlich nur eine Erweiterung des morphologischen Artkonzeptes um den Faktor Zeit:

Eine Art wird durch eine Sequenz zeitlich aufeinander folgender Populationen charakterisiert, deren Individuen innerhalb einer bestimmten morphologischen Variationsbreite liegen.

Dieses Konzept ist dann gut anwendbar, wenn praktisch lückenlose Fundsequenzen vorliegen.

Biologisches (populationsgenetisches) Artkonzept

Eine Art (Biospezies) besteht aus mindestens einer Population, deren Genpool gegen andere Populationen generativ durch Fortpflanzungsisolation (reproduktive Isolation, siehe Biologische Evolution) isoliert ist.
Angehörige einer Art sind abgesehen von geschlechtspezifischen Merkmalen morphologisch oder physiologisch nur in einzelnen Merkmalen unterscheidbar und können unter natürlichen Bedingungen fruchtbare Nachkommen erzeugen.
Ernst Mayr 1969: Eine Art ist eine reproduktive Gemeinschaft von Populationen (reproduktiv isoliert von anderen), die eine besondere Nische in der Natur einnimmt.

Beispiele:

  • Pferd und Esel sind zwar kreuzbar, haben aber keine fruchtbaren Nachkommen, gehören damit zu verschiedenen Arten.
  • Löwe und Tiger sind kreuzbar (sog. "hybride Katzen": Liger und Tigon) und haben unter Umständen fruchtbare Nachkommen, leben aber in verschiedenen Verbreitungsgebieten, lassen sich morphologisch voneinander abgrenzen und gehören damit zu verschiedenen Arten.

Problematik:

  • Spitzfindig könnte man frühere Generationen einer Art, die sich ja mit den rezenten Generationen nicht mehr kreuzen können, nach dem Wortlaut dieser Artdefinition als zu einer anderen Art gehörend ansehen. Eine tatsächliche Zeitbarriere zwischen gleichzeitig existierenden Populationen besteht jedoch z.B. zwischen der Frühjahrsform und der Herbstform des Landkärtchen-Schmetterlings. Sie unterscheiden sich farblich stark, kommen in unserm Klimabereich nicht mehr reproduktiv in Kontakt, können aber im Labor fruchtbar gekreuzt werden und gelten deshalb offiziell als eine gemeinsame Art.
  • Arten, die sich nur ungeschlechtlich vermehren, werden durch die Definition nicht erfasst.
  • Orchideen können sich z.T. sogar über Gattungsgrenzen hinweg fruchtbar kreuzen. Dennoch bilden diese Hybriden die quantitative Ausnahme, während die verschiedenen morphologisch beschriebenen Orchideenarten unterscheidbar bleiben und typreine Populationen bilden.
  • Individuen, die sich in einer Population nicht fortpflanzen können (zum Beispiel Arbeiterinnen bei Ameisen oder Bienen) werden scheinbar nicht erfasst. Sie haben aber nachweislich gemeinsame Eltern mit den fruchtbaren Individuen und gehören deshalb zweifelsfrei zur Artpopulation.

Phylogenetisches (evolutionäres) Artkonzept

Dieses Artkonzept schließt das biologische mit ein.

Eine Art ist eine Abstammungsgemeinschaft aus einer bis vielen Populationen in einer bestimmten Zeitspanne.
Eine Art beginnt nach einer Artspaltung und endet
  1. wenn alle Individuen dieser Art, ohne Nachkommen zu hinterlassen, aussterben oder
  2. wenn aus dieser Art durch Artspaltung zwei neue Arten entstehen.

Eine Artspaltung ist gekennzeichnet durch die (natürliche) reproduktive Isolation von Teilpopulationen, die durch geografische, morphologische, genetische oder ökologische Barrieren bewirkt wird.

Phylogenetische Anagenese ist die Veränderung einer Art im Zeitraum zwischen zwei Artspaltungen, also während ihrer Existenz.

Fossilien können zwar auch hier nur auf Grund morphologischer Merkmale einer Art zugeordnet werden, dies erfolgt aber auf der Grundlage einer Verwandtschaftsanalyse, dem Instrumentarium der phylogenetischen Systematik und nicht auf Grund einer Zuordnung zu einem abstrakten Typus oder Bauplan.

In phylogenetischen Bäumen werden die meist anhand eines oder mehrerer Gene ermittelten Verwandtschaftsbeziehungen zwischen verschiedenen Arten dargestellt.

Physiologische Definition bei Bakterien

Bakterien zeigen nur wenige morphologische Unterscheidungsmerkmale und weisen praktische keine Rekombinationsschranken auf. Deshalb wird der Stoffwechsel als Unterscheidungskriterium von Stämmen herangezogen.

Art als Taxon

Der wissenschaftliche Name einer Art (traditionell meist lateinischen oder griechischen Ursprungs) setzt sich nach der so genannten binären Nomenklatur aus dem Gattungsnamen (großgeschrieben) und dem Artnamen (kleingeschrieben) zusammen. Er wird im Text gewöhnlich kursiv gesetzt oder alternativ unterstrichen. Völlig korrekt im wissenschaftlichen Sinne wird der Artname erst dann, wenn dem Gattungs- und Artname noch die Autoren beigefügt werden, die die Art als erstes beschrieben haben. Diese Regel sollte in wissenschaftlichen Publikationen immer dann befolgt werden, wenn keine bibliografische Referenz zur Artbeschreibung erfolgt. Um Druckraum zu sparen werden die Autorennamen meist abgekürzt, beispielsweise "L." steht für Linné.

  • Beispiel:

Shiitake Lentinula edodes (Berk.) Pegler M. J. Berkeley hat die Art zuerst beschrieben, D. Pegler hat sie in das heute gültige System eingeordnet

Geschichtliche Entwicklung des Artbegriffes

Die Entwicklung des Artbegriffs ist eng mit der Entwicklung der Vorstellung von der Veränderlichkeit der Arten verknüpft:

Der Beginn der wissenschaftlichen Klassifizierung der Lebewesen liegt im 18. Jahrhundert bei Carl von Linné, der die Fortpflanzungsorgane (zum Beispiel Blüten) als wesentliche Merkmale nahm. Er ging (bewusst oder unbewusst) von einem idealisierten Artenbegriff aus: Nach dem Verständnis seiner Zeit stellte eine Art eine unveränderliche Einheit dar, und Linné versuchte, Standardexemplare jeder Art zu identifizieren. Die natürlich vorkommende Variabilität verstand er als Abweichungen oder Abartigkeiten.

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts verdichteten sich die Beobachtungen, dass die Arten im Laufe ihrer Naturgeschichte Änderungen durchmachen. Charles Darwins Evolutionstheorie konnte diese Beobachtungen zusammenfassend erklären. Jedes Individuum vererbt die eigenen Merkmale an die Nachkommen. Variationen innerhalb von Populationen sind hierin keine Abweichungen von einer (ideellen) Norm sondern zum Überleben der Art notwendig. Individuen mit ungeeigneten Merkmalen werden durch Selektion im Mittel weniger Nachkommen haben, und somit ihre Merkmale nicht weitergeben.
Damit wurde die gemeinsame Abstammung zum wesentlichen Merkmal der Bestimmung einer Art.

Eine Folgerung aus der Theorie von Darwin ist, dass alles Leben auf der Erde von einer (oder einer Gruppe von) primitiven Organismen abstammen muss. Daher ist nicht die Tatsache der gemeinsamen Abstammung, sondern der Verwandtschaftsgrad ausschlaggebend für die Definition einer Art.
Eine zweite Folgerung ist, dass eine Art nur zu einem bestimmten Zeitpunkt wohldefiniert ist. In der Vergangenheit können zwei Populationen, die heute als zwei Arten aufgefasst werden, eine Art gewesen sein. Beispielsweise geht man davon aus, dass der Eisbär sich vor einigen 10.000 bis wenigen 100.000 Jahren von einer in Sibirien lebenden Population des Braunbären abgespaltet hat. In der Zukunft mag sich eine heutige Art in mehrere aufspalten.


Zitate

  • "Es gibt nur zwei Art-Konzepte, alles andere sind Definitionen, wie man eine Art als systematische Einheit, also als Taxon, umschreiben soll. Die beiden Konzepte sind das typologische Artkonzept, das eine Art als etwas beschreibt, was sich deutlich äußerlich von anderen Lebewesen unterscheidet, und das biologische Artkonzept, was Arten als Gemeinschaften von Individuen bezeichnet, die potenziell fortpflanzungsfähige Nachkommen mit einander zeugen können. Andere Artkonzepte gibt es nicht." Ernst Mayr
  • "Bakterien haben keine Arten. Netzeitung: Was dann? Mayr: Das überlasse ich den Mikrobiologen. Das verstehen die ja selber noch nicht. Archaebakterien zum Beispiel tauschen Gene mit Bakterien aus, Bakterien und Archaebakterien jeweils unter einander sowieso. Muss man also alle Bakterien als große Fortpflanzungsgemeinschaft, also als eine Art bezeichnen? Bakterien haben keine Arten. Die ersten Arten, die es gibt, sind schon Eukaryonten. Warum man einen Zellkern braucht, um eine Art sein zu können, weiß ich auch nicht." Ernst Mayr


Literatur

  • Animal Species and Evolution (1963; deutsch: Artbegriff und Evolution, 1967)
  • Werner Kunz: Was ist eine Art? In der Praxis bewährt, aber unscharf definiert. Biologie in unserer Zeit 32(1), S. 10 - 19 (2002), ISSN 0045-205X


Ein Link zu einer einzelnen Art:

Ein Pressebericht, der viele wissenschaftliche Zweifel offen lässt:

Schöne Photos, die aber nichts mit "Art(Biologie)" zu tun haben, zumal die abgebildeten Arten nicht einmal benannt werden:

Siehe auch

Artbildung, Evolutionstheorie, Taxonomie