Geschichte Ruandas
Ruanda gehört zu den ganz wenigen Staaten Schwarzafrikas, die es mit ungefähr gleichen Grenzen bereits vor der Kolonialzeit gab.
Frühe Geschichte
Die heute zahlenmäßig nur noch sehr gering vorhandenen Twa waren vermutlich die frühesten Einwohner Ruandas. Über ihre Geschichte ist aber fast nichts bekannt. Das Volk der Hutu stellt die Masse der Einwohner. Sie wurden im 14. oder 15. Jahrhundert von den kriegerischen Tutsi (im Deutschen früher Watussi-Krieger genannt) unterworfen. Die Tutsi sind ein Volk, das wohl nilotischen Ursprungs ist, heute jedoch die gleiche Bantusprache Kinyarwanda wie die Hutu spricht. Sie stellten als Minderheit die staatliche und militärische Macht, während die Hutu als Bauern arbeiteten. Bereits in vorkolonialer Zeit kam es immer wieder zu Aufständen der Hutu gegen die ihnen verhasste Tutsi-Minderheit, von der sie sich unterdrückt und ausgebeutet fühlten.
Kolonialzeit
Ruanda war von 1890 an durch den Helgoland-Sansibar-Vertrag bis Ende des Ersten Weltkrieges völkerrechtlich Bestandteil von Deutsch-Ostafrika. Das Gebiet wurde aber erst spät in die Deutsche Kolonie eingegliedert und kontrolliert. Im Jahre 1894 hält sich Oberleutnant Gustav Adolf Graf von Götzen für zwei Monate als erster Europäer in Ruanda auf. Erst im Jahre 1908 wird Richard Kandt kaiserlicher Resident in Ruanda. Es waren nie mehr als ein gutes Dutzend deutscher Kolonialbeamten in diesem Gebiet eingesetzt. Im Jahre 1916 wurde das Gebiet ohne Widerstand von den Belgiern besetzt.
Nach Ende des ersten Weltkrieges wurde das Gebiet des heutigen Ruandas als Völkerbundsmandat an Belgien gegeben. Daher ist bis heute noch die Amtssprache französisch.
Ab 1946 war Ruanda Treuhandgebiet der UNO. Seit November 1959 traten die Spannungen der Hutu und Tutsi offen zu Tage. Mehrere 100 Personen wurden dabei getötet, einige vertrieben und zirka 10 000 gingen ins Exil, bis die belgischen Kolonialherren wieder die Ordnung herstellen konnten. 1960 gewann eine Hutu-Partei, die Parmehutu (Parti du Mouvement de l'Emancipation des Bahutus), die ersten Kommunalwahlen mit einem Erdrutschsieg.
Danach erfolgte der sogenannte "Staatsstreich von Gitarama": Alle Bürgermeister und Gemeinderäte wurden zu einer Konferenz nach Gitarama eingeladen. Nur wenige wussten im Vorhinein, dass auf dieser Versammlung eine Übergangsverfassung beschlossen werden sollte. Auch ein provisorisches Parlament und ein Übergangspräsident, der ein Interimskabinett bestimmte, wurden gewählt. Dieses Ereignis führte zur Ausrufung der Republik Ruanda durch die von der Parmehutu angeführten Regierung im Januar 1961. Die Belgier waren nun vor vollendete Tatsachen gestellt, was, zum Missfallen der UNO, wenige Tage später zur Anerkennung der neuen Regierung durch Brüssel führte.
Im März desselben Jahres reagierte die UNO: In Ruanda sei eine ethnische Diktatur einer Partei errichtet worden und die Entwicklungen der vorangegangenen 18 Monate hätten den Übergang von einem repressiven Regime zu einem anderen gebracht. Es bestünde die Gefahr, dass die Tutsi-Minderheit wehrlos Missbräuchen ausgesetzt sei. Die Situation sei ziemlich beunruhigend.
Am 25. September 1961 wurden Parlamentswahlen abgehalten, die die Parmehutu mit 77.7% gewann. Im Oktober wählte die Nationalversammlung den Hutu Grégoire Kayibanda als Präsidenten. Am 1. Juli 1962 wird Ruanda offiziell unabhängig. Zu dieser Zeit lebten schon 350 000 Ruander, vor allem Tutsis, im Ausland.
Unabhängigkeit
Als der Kongo unabhängig wurde, wurden die ehemals deutschen Gebiete ebenfalls unabhängig es bildeten sich die eigenen Staaten Ruanda und Burundi.
1959 kam es zu einer Bauern-Revolte der Hutu gegen die Tutsi-Herrschaft. Viele Tote und eine Massenflucht von ca. 150 000 Tutsi in die Nachbarländer Burundi und Uganda waren die Folge. 1961 setzten die Hutu den Mwami genannten Tutsi-König ab, der mit 60.000 Tutsi nach Burundi floh. Seit 1962 ist Ruanda eine unabhängige Republik mit einem Hutu-Führer als Präsidenten. 1963 versuchten Zehntausende zunächst geflohener Tutsis, die Macht im Lande wieder zu erlangen. Dieser Versuch wurde aber blutig niedergeschlagen. In einem grauenhaften Bürgerkrieg wurden unzählige Tutsi umgebracht. In den folgenden Jahren kam es immer wieder zu Massakern an den im Lande verbliebenen Tutsis.
Jüngste Geschichte
Bürgerkrieg und Völkermord
Hauptartikel: Völkermord in Ruanda
Erst ab 1990 forderte eine Tutsi-Rebellenarmee, die sich an der Grenze zu Uganda etabliert hatte, die Regierungsmacht der Hutu heraus. Ziel der Tutsi war die Rückkehr der Tutsi-Flüchtlinge nach Ruanda. Der Weltsicherheitsrat beschloss 1993 die Entsendung einer UN-Friedenstruppe unter der Führung von General-Leutnant Roméo Dallaire. 1994 kam der ruandische Staatspräsident Juvénal Habyarimana unter unklaren Umständen ums Leben, als sein Flugzeug abgeschossen wurde.
In Ruanda wurde allgemein unterstellt, dass Habyarimana Opfer eines von Tutsi verübten Attentats geworden sei. Es gibt jedoch ernst zu nehmende Hinweise, dass Hutu-Extremisten für das Attentat verantwortlich waren. Denn bereits seit 1990 formierten sich diese Extremisten unter dem Schutz der herrschenden Hutu-Clique namens Akazu. Diese Hutu-Clique wollte die Macht weder mit anderen Hutus noch mit den Tutsi teilen, was immer schwieriger wurde, als der Westen nach dem Sturz des Kommunismus immer lauter freie Wahlen in dem stark von Entwicklungshilfe abhängigen Land fordererte. Diese Entwicklungshilfe erreichte, wie das oft der Fall ist, weniger die einfachen Menschen, als vielmehr die regierenden Schichten.
Der Tod von Juvénal Habyarimana, der gerade von einer Reise zurückgekehrt war, in der er in einem Abkommen eine Beteiligung der Tutsi an der Macht unterzeichnet hatte, war der Auftakt zum Völkermord an den Tutsi, bei dem Milizen radikaler Hutu von April bis Juni 1994 mindestens 750.000 Tutsi und 50.000 moderate Hutu ermordeten. Die Aktion wurde durch Aufrufe im lokalen Radiosender Radio-Télévision Libre des Mille Collines, Aufrufen, Veröffentlichungen von Todeslisten in der Zeitung Kangura und durch die ehemalige Partei des ermordeten Präsidenten unterstützt, die vom Akazu-Clan seiner Frau Agathe Habyarimana beherrscht wurde. In mehreren Fällen suchten flüchtende Verfolgte Schutz in Kirchen und Schulen und wurden anschließend von katholischen Priestern und Lehrern den Milizen übergeben. Auch Hutus, die sich an den Morden nicht beteiligen wollten, wurden getötet.
Neue Regierung
Nach dem Völkermord zwangen die Génocidaires weite Teile der Bevölkerung zur Flucht in die Nachbarländer, vor allem nach Kongo, wo viele NGOs um die Betreuung der Flüchtlinge konkurrierten, jedoch trotzdem mit dem Problem zuerst überfordert waren. Die Génocidaires errichteten in den Flüchtlingslagern ein straffes Regiment und begannen auch schon wieder Angriffe auf die nun Ruanda beherrschenden Tutsi und verwandte Völker im Kongo, namentlich die Banyamulenge. Viele einfache Mitläufer des Völkermords wollten bald wieder nach Ruanda zurückkehren, was jedoch die Génocidaires ihres Schutzes in der Masse beraubt hätte. Deshalb versuchten die Génocidaires, die mittlerweile von den NGOs wie alle Flüchtlinge versorgt wurden, eine Rückkehr der Masse der Bevölkerung zu verhindern. Da jedoch die Situation im Kongo immer gespannter wurde, nicht zuletzt wegen der Angriffe auf die Banyamulenge, die sich gegen die Génocidaires wehrten, organisierte die UNO die Rückführung der Flüchtlinge.
Nach unruhigen Zeiten regiert seit 2000 mit Paul Kagame ein Angehöriger der Tutsi-Minderheit. Er wurde 2003 in einem Referendum auch von den Hutu in seinem Amt bestätigt. Die Kontrolle des Landes haben heute eindeutig die Tutsi unter der Führung der FPR inne, die 1990 von Uganda aus den Kampf um die Vorherrschaft ausgeübt hatte. Gegen sie operiert von der Demokratischen Republik Kongo aus die so genannte Interahamwe, Guerilla-Kämpfer der Hutu, die eine Installierung des alten MNDR-Regimes und damit eine Umverteilung der Macht im Sinne der Hutu anstreben. Seit im April 2000 Generalmajor Paul Kagame auch das Präsidentenamt übernahm, kehrten einige Rebellen-Führer der Interahamwe aus dem Kongo zurück und ergaben sich.
Paul Kagame ist einer der vielen Verantwortlichen für den seit 1998 andauernden "Bürgerkrieg" im benachbarten Kongo, in den jedoch fast alle Nachbarländer verstrickt sind und der deshalb auch oft als der erste afrikanische Weltkrieg bezeichnet wird. Ruandische Milizen verüben hier, ebenso wie die Streitkräfte verschiedener anderer Staaten und der von diesen Staaten unterstützten Milizen ungestört von der Weltöffentlichkeit einen Massenmord, der nach Schätzungen insgesamt etwa 5 Millionen Tote forderte. Der wahre "Hintergrund" ist neben Rohstoffen wie Gold und Diamanten das für den Bau von Mobilfunkgeräten unerlässliche Coltan, das im Osten des Kongo unter dem Schutz von Milizen, die von internationalen Konzernen bezahlt werden, gefördert wird. So soll beispielsweise die Bayer AG ein Hauptprofiteur dieses "blutigen" Geschäfts sein.
Literatur
- Richard Kandt, Caput Nili - Eine empfindsame Reise zu den Quellen des Nils, Landesmuseum, Koblenz 1991 (Erste Auflage 1904)
- Philip Gourevitch, Wir möchten Ihnen mitteilen, dass wir morgen mit unseren Familien umgebracht werden, Berichte aus Ruanda. Berlin Verlag, Berlin 1999
- Alain Destexhe, Rwanda and Genocide in the Twentieth Century, London/East Haven 1995
(Destexhe erkennt nur die Ausrottung der Armenier im Osmanischen Reich 1915, die deutsche "Endlösung der Judenfrage" und Ruanda 1994 als echte Völkermorde im 20. Jahrhundert an) - Romeo Dallaire, Shake hands with the devil, Carroll & Graf Publishers
- Christian P. Scherrer, Ethnisierung und Völkermord in Zentralafrika. Genozid in Rwanda, Bürgerkrieg in Burundi und die Rolle der Weltgemeinschaft, Frankfurt a.M./New York 1997, ISBN 3-593-35748-8.
"Ruanda" von Rudolf Decker, Broschiert - 196 Seiten - Hänssler, Erscheinungsdatum: März 2002, ISBN: 3775127097
- Reinhardt Bindseil, " Ruanda und Deutschland seit den Tagen Richard Kandts", Dietriech Reimer Verlag Berlin, 1988
Siehe auch
Weblinks
- Geschichtlicher Abriss auf der HP des Auswärtigen Amtes
- Überblick (englisch) auf der HP der Regierung Ruandas
- Weitere Hintergrund-Informationen zum Konflikt zwischen Hutu und Tutsi (Englisch)