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St. Pauli-Elbtunnel

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Schema des Alten Elbtunnels

Der 1911 eröffnete St. Pauli-Elbtunnel – in Abgrenzung zum 1975 eröffneten Neuen Elbtunnel auch Alter Elbtunnel genannt – ist 426,5 Meter lang und verbindet mit seinen zwei Tunnelröhren die Hamburger Innenstadt bei den St. Pauli-Landungsbrücken (Nordeingang) mit Steinwerder (Südeingang). Er unterquert die Norderelbe und wird noch heute als öffentlicher Verkehrsweg genutzt. Er galt bei seiner Eröffnung als technische Sensation und steht seit 2003 unter Denkmalschutz. Der Alte Elbtunnel wurde 2007 für die Auszeichnung als Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland nominiert.

Planung

Nordeingang des alten Elbtunnels (links) mit Landungsbrücken (rechts)
Blick vom Tunnelgrund auf die Nordkuppel und Fahrkörbe
Übergang zwischen Zugangsbauwerk und Tunnelröhren auf Steinwerder
Weitwinkelaufnahme einer Röhre
Informationstafel
Damit man immer weiß, wo man gerade ist.

Um die zunehmenden Verkehrsströme auf der Elbe in den Griff zu bekommen, wurde seit Ende des 19. Jahrhunderts über eine dauerhafte technische Lösung zur Elbquerung nachgedacht. Hintergrund war das enorme Wachstum des Hamburger Hafens und dessen damit einhergehenden Verlagerungen auf die der Stadt gegenüberliegende Elbseite. Man erhoffte sich davon weniger Behinderung der Schifffahrt durch kreuzende Hafenfähren und eine verbesserte Anbindung der großen Werften auf Steinwerder, wie Blohm & Voss, AG Vulcan und der Reiherstiegwerft sowie der Umschlagsplätze der neu entstandenen Hafenbecken im Bereich des Freihafens. Die seit 1888 bestehenden Fährlinien der HADAG konnten den bei Schichtwechsel entstehenden Strom der Arbeiter nicht bewältigen. Insgesamt waren 1895 im Hamburger Hafen 20.000 Werft- und 25.000 Hafenarbeiter beschäftigt. Hinzu kam, dass viele sich die Fähren finanziell nicht leisten konnten oder der Betrieb witterungsbedingt, zum Beispiel im Winter bei Schnee und Eis, eingeschränkt war.

Als technische Lösungen waren zunächst auch eine bewegliche Brücke oder eine Schwebefähre in der Diskussion. Beide Lösungen hätten den Schiffsverkehr behindert und wurden daher wieder verworfen. Eine ebenfalls untersuchte Lösung mittels Hochbrücke hätte eine lichte Höhe von 55 Meter haben müssen und wäre dadurch sehr teuer geworden. Da es zu dieser Zeit bereits englische und amerikanische Vorbilder gab, die die grundsätzliche technische Machbarkeit einer Flussunterquerung demonstrierten, wurde auch ein Tunnel in die Überlegungen einbezogen. Schließlich wurde 1901 eine Entscheidung getroffen, und Baurat Ludwig Wendemuth konzipierte den dann realisierten Elbtunnel.

Bau

Bei dem unter der Leitung von Otto Stockhausen 1907 begonnenen Bau wurde Druckluft eingesetzt, um mittels des so erzeugten Überdrucks das Eindringen von Wasser zu verhindern. Durch die unterschiedlichen Bodenbeschaffenheiten mussten zwei unterschiedliche Bauverfahren angewandt werden. Die vertikale Ausschachtung auf der Steinwerder Seite erfolgte mit Hilfe eines eisernen Senkkastens. Auf der St.Pauli Seite wurde ein Ring ausgehoben, der mit Beton ausgefüllt wurde. Dann wurde der Kern ausgegraben und der Schacht fertiggestellt. Die beiden horizontalen Tunnelröhren baute man im Schildvortriebsverfahren, sie führen mit einer Sohlentiefe von 24 Metern von den St.-Pauli-Landungsbrücken nach Steinwerder am südlichen Ufer der Norderelbe. Die Oberkante der sechs Meter hohen Röhren („für eine Kutsche mit aufgestellter Peitsche“) liegt zwölf Meter unterhalb des mittleren Hochwassers. Zwischen Tunnelröhre und Flussbett lag eine drei Meter dicke Schlickschicht.

Beim Bau unter Überdruck kamen drei Arbeiter durch die Taucherkrankheit ums Leben, zwei weitere starben bei Unfällen. Insgesamt wurden etwa 4.400 Arbeitskräfte eingesetzt. Das Werk verursachte Baukosten von 10,7 Millionen Goldmark.

Eröffnung

Der Tunnel wurde am 7. Mai 1911 für den Fussgängerverkehr und am 07.09.1911 für Pferdefuhrwerke und Kraftfahrzeuge eröffnet. Die Presse kommentierte:

  • „mit lauter Sprache reden, wie die moderne Technik zu Lande, zu Wasser und unter dem Wasser die an sie herantretenden Aufgaben überwindet“ (Hamburger Fremdenblatt, 21. Mai 1911)
  • „Seine einem Mausoleum nicht unähnliche Gestalt ist wohl geeignet, beim Beschauer, der den Zweck nicht ahnt, ein Grübeln über dessen Bestimmung zu wecken“ (Deutsche Bauhütte, 1911)
  • „als einen von den licht- und formenfrohen Mächten des modernen Zeitgeschmacks durchfluteten Zeitgedanken, der zwar völlig im Zwecke aufgeht, bei dessen Verwirklichung aber nichts unterlassen worden ist, was beiträgt, diesem Zwecke die Schönheit zu verbinden“ (Hamburger Nachrichten, 13. Juli 1911).

Besonderheiten

Aufzug für Fahrzeuge

Der Tunnel verfügt über keine Zufahrtsrampen. Die Fahrzeuge werden stattdessen in je vier Fahrkörben pro Schacht befördert, das sind seit 1911 Trommelaufzüge mit Gegengewichten. Die mittleren Lastenaufzüge haben eine Tragfähigkeit von je 10 Tonnen (10.000 Kilogramm) und haben eine Nutzlänge von etwa 9,50 Metern. Sie sind länger als die beiden äußeren Aufzüge von je 6 Tonnen und einer Länge von etwa 7,30 Metern. Über den Schächten wurden nach Plänen der Altonaer Architektengemeinschaft Raabe & Wöhlecke zwei sich gleichende Gebäude aus Tuffstein mit kupferbeschlagenen Kuppeln errichtet. Dort sind auch die Antriebe für die Fahrkörbe untergebracht. Der Südeingang auf Steinwerder wurde bei den Luftangriffen auf Hamburg teilzerstört und die Kuppel ist beim Wiederaufbau durch ein unscheinbares Flachdach ersetzt worden. Die erhalten gebliebene Kuppel des Nordeingangs wurde im Jahr 2008 renoviert.

Der Südeingang im Eröffnungsjahr 1911. Das Gebäude wurde bei den Luftangriffen auf Hamburg beschädigt und mit einem Flachdach versehen wieder aufgebaut.
Majolikarelief mit Stiefel und Ratten

An den gefliesten Wänden der Tunnelröhren sind in regelmäßigen Abstand kleine Steinzeugreliefs eingefügt. Auf ihnen wird thematisch die darüberliegende Elbe dargestellt. Hierzu gehören Abbildungen von Fischen, Krebsen, Muscheln, aber auch von Ratten und weggeworfenen Gegenständen.

Umbauten und Sanierung

Der Tunnel war für Fußgänger zunächst über feste Treppen und zwei Personenaufzüge zugänglich, die in den Schachtgebäuden in die Tiefe führten. Im Rahmen einer Modernisierung wurden 1959 zusätzlich zu diesen Treppen die längsten freitragenden Rolltreppen Deutschlands nachgerüstet. Nachdem die Fahrtreppen 1991 verschlissen waren, den Vorgaben des TÜV´s nicht mehr entsprachen und ein Umbau aus Kostengründen nicht umsetzbar erschien, wurden diese 1993 entfernt und stattdessen auf jeder Seite durch einen zusätzlichen Personenaufzug ersetzt. Zusätzlich erneute man den bereits vorhandenen Personenaufzug.

Bei der Elbvertiefung 1981/82 wurde die Überdeckung des Tunnels bis auf einen Meter reduziert. Während dieser Arbeiten waren Teile des Tunnels durch eine Stahlbetonwand vom restlichen Tunnelsystem abgetrennt. Als Schutz gegen das Aufschwimmen und Beschädigungen wurde eine Stahlbeton-Konstruktion auf den Tunnel gelegt, wodurch die Wassertiefe auf 10,60 m bezogen auf KN Seekartennull erhöht werden konnte.

Im Jahr 1994 wurde mit einer Grundsanierung begonnen, deren Ziel die Wiederherstellung des Erscheinungsbildes von 1911 und der Einbau moderner Technik ist, darunter neue Personenaufzüge sowie moderne Hochwassertore. Die Kosten betrugen bislang etwa 15 Millionen Euro.

Nach der Sanierung des Schachtgebäudes auf der Steinwerder Seite und der fast abgeschlossenen Instandsetzung des Schachtgebäudes auf St.-Pauli-Seite sind jetzt die beiden Tunnelröhren des fast 100 Jahre alten, denkmalgeschützten Bauwerks an der Reihe. Die Hamburg Port Authority investiert einen zweistelligen Millionenbetrag in die Erneuerung und damit in den Erhalt des alten Elbtunnels. Während der gesamten Baumaßnahme bleibt eine Röhre geöffnet. Für den Pkw-Verkehr wird ab dem 5. Oktober 2009 eine Richtungsstraßenregelung, ähnlich der der Sierichstraße eingerichtet. Das heißt, von 5.30 bis 13 Uhr herrscht Einbahnverkehr von den Landungsbrücken nach Steinwerder, von 13 bis 20 Uhr fließt der Verkehr vom Hafen zurück in die Stadt. Radfahrer müssen sich in diesem Zeitraum dem Verkehrsfluss anpassen oder das Rad in entgegengesetzter Richtung schieben. Zum 100. Geburtstag des Tunnels im September 2011 ist die Fertigstellung der ersten Röhre geplant, gleich danach wird die zweite in Angriff genommen, so dass die Sanierung Ende 2013 abgeschlossen werden kann.

Nutzungszahlen

Seit der Eröffnung des Tunnels unterquerten pro Jahr zwanzig Millionen Menschen die Elbe. Die meisten nutzten den Tunnel, um die Arbeitsplätze im Hafen und auf den Werften zu erreichen. Mit der Automatisierung des Stückgutumschlags durch Container und dem Werftensterben in den 1970er- und 1980er-Jahren verlor der Tunnel zunächst an Bedeutung. Weniger als 500.000 Fußgänger jährlich nutzten ihn. Durch den touristischen Ausbau und das wachsende Angebot von Freizeiteinrichtungen im südseitigen Hafengebiet stiegen die Zahlen wieder. Im Jahr 2008 wurden rund 300.000 Autofahrer, 63.000 Radfahrer und 700.000 Fußgänger gezählt.

Benutzungsentgelte

Noch heute ist der Alte Elbtunnel für Fußgänger und Radfahrer kostenfrei und zeitlich unbeschränkt begehbar, die Benutzung mit Motorfahrzeugen (motorisierte Zweiräder, PKW, Klein-LKW) ist kostenpflichtig und auf festgelegte Öffnungszeiten beschränkt.

Über die kostenfreie Benutzung für Fußgänger gab es 1906 eine hitzige Debatte in der Bürgerschaft. Von den Sozialdemokraten wurde dialektisch pointiert argumentiert: „Weil die Bourgeoisie für die Instandhaltung der Reitwege auf der Uhlenhorst auch keine Abgaben bezahlt, muss die Tunnelbenutzung für Arbeiter frei sein.“ Der Elbtunnel bildete neben den Hafenfähren die einzige Möglichkeit, den Arbeitsplatz im Hafen zu erreichen. So blieb die Benutzung für Fußgänger kostenfrei. Die unterirdische Elbquerung kostete bei der Eröffnung 1911 für Droschken, Personenwagen, leere LKW, geführte Pferde und Esel 50 Pfennig (entspricht heute 3 Euro[1]). Beladene Lastwagen und Gesellschaftswagen mussten eine gewichtsabhängige Gebühr bezahlen (bis 4 t: 1 Mark / bis 6 t: 2 Mark / bis 10 t: 4 Mark). Für mitgeführte Hunde hatten die Halter eine Gebühr von 10 Pfennig zu zahlen.

Regelmäßige Veranstaltungen

Seit 2000 wird am letzten Sonntag im Januar der Elbtunnel-Marathon veranstaltet, bei dem die beiden Tunnelröhren insgesamt 48 Mal durchlaufen werden. Außerdem findet einmal im Jahr die über die Jahre etablierte Kunstausstellung ElbArt statt.

Literatur

  • Hans Jürgen Witthöft: Ein Tunnel unter der Elbe. heka-Verlag, Leopoldshöhe 1996, ISBN 3-928700-29-4.
  • Ulrich Alexis Christiansen: Hamburgs dunkle Welten. Der geheimnisvolle Untergrund der Hansestadt. Ch. Links Verlag, Berlin 2008, ISBN 3-86153-473-8.

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Diese Zahl wurde mit der Vorlage:Inflation ermittelt und gilt für den zurückliegenden Januar
Commons: St. Pauli-Elbtunnel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 53° 32′ 38,4″ N, 9° 57′ 59,4″ O