Zum Inhalt springen

Nubien

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 5. August 2005 um 14:33 Uhr durch 141.20.243.42 (Diskussion) (Nubien im 20. Jahrhundert und heute). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Nubien ist das Gebiet zwischen Assuan in Ägypten (1. Nilkatarakt) und Karima im Sudan (4. Nilkatarakt). Die Herleitung des Namens aus dem mittelägyptischen Wort "nub" (Gold) ist umstritten.

Gewöhnlich wird es in Unternubien (zwischen Assuan und Wadi Halfa) und Obernubien (von Wadi Halfa bis Karima) eingeteilt.
Hin und wieder wird das Gebiet zwischen Karima und Khartum, der Hauptstadt des modernen Staates Sudan, als Südnubien bezeichnet.

Nubien gilt als Schnittstelle zwischen dem eher dem Mittelmeerraum zuzurechnenden Ägypten und Schwarzafrika. Dies galt in der Vergangenheit ebenso wie heute.

Vorgeschichte

Die Vorgeschichte Nubiens (bes. Unternubiens) wird in einzelne Kulturgruppen eingeteilt, die mit Buchstaben bezeichnet werden. Von den alten Ägyptern wird Nubien als Kusch bezeichnet.

Die A-Gruppe korrespondiert mit dem späten prähistorischen Ägypten sowie mit dem ägyptischen Alten Reich bis etwa zur 4. Dynastie (ca. 3500- 2400 v. Chr.)
Die ehemals angenommene B-Gruppe existiert nach neueren Untersuchungen nicht.
Die C-Gruppe existierte zur Zeit des ägyptischen späten Alten sowie Mittleren Reiches; in der 12. Dynastie wurde Unternubien bis zum 2. Nilkatarakt schrittweise von Ägypten erobert (ca. 2100 - 1500 v. Chr.). In Obernubien nahe des 3. Nilkataraktes blühte währenddessen das Reich von Kerma, das den frühesten uns bekannten schwarzafrikanischen Staat darstellt. Nach dem Ende des ägyptischen Mittleren Reiches (um 1750 v. Chr.) eroberten die Herrscher von Kerma Unternubien bis zur Grenze des ägyptischen Kernlandes. Um 1500 v. Chr. zerstörten die Pharaonen des ägyptischen Neuen Reiches das Reich von Kerma und eroberten Nubien bis zum 5. Nilkatarakt. Die nubischen Völker wurden kulturell weitgehend assimiliert. Die ägyptische Besatzung dauerte bis ca. 1000 v. Chr. an.

Das Reich von Kusch

Um 750 v. Chr. (eventuell auch bereits um 1000 v. Chr.) gründeten nubische Fürsten in der Gegend von Karima einen Staat, der den alten Namen Kusch übernahm und rasch expandierte. Um 700 v. Chr. wurde Ägypten erobert. Die nubischen Fürsten herrschten als 25. Dynastie über Ägypten. Um 660 v. Chr. erlangte Ägypten mit assyrischer Hilfe die Unabhängigkeit von Nubien, das kuschitische Fürstenhaus herrschte jedoch weiterhin südlich von Ägypten. Der Regierungssitz lag in der Stadt Napata beim heutigen Karima. Um 300 v. Chr. wurde die Hauptstadt nach Meroe nördlich von Khartum verlegt. In dieser Zeit wird die kulturelle Anlehnung an Ägypten mehr und mehr aufgegeben, was sich u. a. in der Entwicklung einer eigenen Schrift und dem Gebrauch der meroitischen Sprache in offiziellen Texten äußert. Spätestens um 300 brach das Reich von Kusch zusammen, evtl. aufgrund einer Umweltkatastrophe oder einer militärischen Niederlage gegen das äthiopische Reich von Axum.

Von der Zeit der 25. Dynastie sowie des napatanisch-meroitischen Reiches zeugen im Sudan bis heute vor allem zahlreiche Pyramiden; die älteste im Sudan errichtete Pyramide ist vermutlich die des wahrscheinlich die des nubischen Pharaos Piye auf dem Friedhof von El-Kurru. Vorbild waren wahrscheinlich nicht die ägyptischen Königspyramiden aus der Zeit des Alten und Mittleren Reiches, sondern die wesentlich jüngeren ägyptischen Privatpyramiden vor allem des thebanischen Raumes. Dafür spricht sowohl der steile Neigungswinkel der nubischen Pyramiden als auch die Tatsache, dass sie, wie die ägyptischen Privatpyramiden des Neuen Reiches, viel enger an einander gebaut sind als die ägyptischen Königsgräber. Darüber hinaus war die Grabform der Pyramide in Nubien nicht den Königen vorbehalten, sondern auch wohlhabende Privatleute ließen sich in Pyramiden bestatten, was die nubischen Pyramiden ebenfalls in der Tradition der ägyptischen Privatpyramiden stehen lässt. Der steile Neigungswinkel hatte vermutlich auch konstruktive Gründe: Eine Ritzzeichnung aus Begrawiya zeigt einen Schaduf (eine Art Kran) als Bauwerkzeug. Die Länge des Auslegers dieses Kranes begrenzte die Seitenlänge der Pyramiden. In Nubien sind über 200 Pyramiden gefunden worden; damit stehen im Sudan mehr Pyramiden als in Ägypten. Dies liegt vor allem daran, dass in Ägypten nur wenige der Privatpyramiden des Neuen Reiches bis heute erhalten sind.

Das mittelalterliche Nubien

Im 6. Jahrhundert wurde Nubien christianisiert. Es bildeten sich die Fürstentümer von Nobatia, Makuria und Alwa. In dieser Zeit kommt das Nubische als Schriftsprache in Gebrauch, im Mittelalter in griechischen Buchstaben geschrieben.

Im 16. Jahrhundert wird Nubien vollständig islamisiert. Die nubische Sprache bleibt jedoch in Gebrauch, neben dem sich als überregionale Verkehrssprache immer mehr durchsetzenden Arabisch. Aus christlicher Zeit wurden in Nubien bis heute zahlreiche Kirchenruinen gefunden. Die nubischen Kirchen hatten oft einen annähernd quadratischen Grundriss und waren sehr klein. Es ist anzunehmen, dass sie - wie bis in die heutige Zeit die meisten äthiopischen Kirchen - nur als ein Haus für das Allerheiligste sowie eine Art Sakristei dienten; die eigentlichen Gemeindegottesdienste fanden vor der Kirche auf freiem Feld statt. Die bekanntesten Kunstwerke aus dem christlichen Nubien sind die Kirchenfresken von Faras.

Nubien im 19. Jahrhundert

Im Jahre 1821 eroberten die Ägypter, mit modernen europäischen Waffen ausgerüstet, erneut Nubien und Teile des südlich daran angrenzenden Weißen Nil.
1882 erhoben sich die sudanesischen Araber unter der Führung Muhammad Ahmadsgegen die ägyptische Herrschaft und eroberten Khartum. Muhammad Ahmad betrachtete sich selbst als von Gott gesandter Mahdi, eine Art Messiasgestalt. Während der Eroberung Khartums kam unter anderem der Governeur des Sudan, der in ägyptischen Diensten stehende britische General Charles George Gordon bei den Kämpfen ums Leben. Mehrere von britischen Offizieren geführte ägyptische Armeen wurden vernichtend geschlagen, unter anderem das von General William Hicks kommandierte anglo-ägyptische Expeditionskorps. 1898 eroberten britische Truppen unter dem Kommando von Horatio Herbert Kitchener von Ägypten aus Nubien zurück und schlugen die Mahdisten in der Schlacht von Omdurman bei Khartum. In dieser Schlacht kämpfte unter anderem auch der junge Kavallerieoffizier Winston Churchill. Die Schlacht von Omdurman wurde auch deswegen bekannt, weil die Briten hier zum ersten Mal in der Kriegsgeschichte Maschinengewehre im Gefecht einsetzten.

Um die Logistik für diesen Feldzug zu bewältigen, wurde die erste Eisenbahnlinie in Nubien entlang des Nil gebaut.
Der Sudan und damit auch Nubien kam in der Folgezeit nominell unter gemeinsame britisch-ägyptische Herrschaft (Kondominium); da die Briten aber auch in Ägypten selbst entscheidenden Einfluss ausübten, war der Sudan de facto britische Kolonie.

Nubien im 20. Jahrhundert und heute

1955 folgte eine Volksabstimmung über den Anschluss an Ägypten, die negativ ausfiel. Daraufhin wurde der Sudan 1956 in die Unabhängigkeit entlassen. Die Grenze zu Ägypten wurde bei Wadi Halfa festgelegt; Nubien war damit zwischen zwei Staaten geteilt. In den 1960er Jahren wurde von Ägypten der Assuan-Hochdamm (Satt al-Ali) geplant und gebaut, der das Fassungsvermögen des älteren, noch von den Briten gebauten Assuan-Staudammes bei weitem übertreffen sollte. 1971 wurde der Hochdamm fertiggestellt. In der Folgezeit wurde nahezu ganz Unternubien vom entstehenden Nasser-Stausee überflutet. In einer beispiellosen Rettungsaktion setzte die internationale Staatengemeinschaft unter Federführung der Unesco zahlreiche kulturelle Monumente in höher gelegene Regionen um; die unternubische Bevölkerung wurde größtenteils in das südliche Oberägypten umgesiedelt, wo dadurch im sonst durchgehend arabischsprachigen Ägypten nubische Sprachinseln entstanden.

Eine ähnliche Situation ist heute in en:Dar al-Manasir am 4. Katarakt gegeben, wo die Regierung des Sudan derzeit mit chinesischer Hilfe einen weiteren Staudamm errichten lässt. Die Inbetriebnahme ist für das Jahr 2008 geplant (s. Weblinks). Heute ist die nubische Bevölkerung sowohl in Ägypten als auch im Sudan weitgehend an ihre arabische Umwelt assimiliert; die nubische Sprache, heute in arabischen Buchstaben geschrieben, ist jedoch noch immer lebendig.

Oasen in Nubien

Siehe auch: Nubier, Geschichte des Alten Ägyptens, Geschichte Sudans