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Rudolf Mauersberger

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Datei:Stamps of Germany (DDR) 1989, MiNr 3233.jpg
Briefmarke zum 100. Geburtstag Mauersbergers (Deutsche Post der DDR 1989)

Rudolf Mauersberger (* 29. Januar 1889 in Mauersberg bei Marienberg (Sachsen); † 22. Februar 1971 in Dresden) war ein deutscher Chorleiter und Komponist.

Leben

Rudolf Mauersberger war der erste Sohn eines Kantors und Lehrers in Mauersberg (Erzgebirge), seinem Heimatdorf. Von 1903 bis 1909 besuchte er das königliche Lehrerseminar in Annaberg und leitete als Präfekt das Seminarorchester. Von 1909 bis 1912 war seine Militär- und Hilfslehrerzeit. Er studierte von 1912 bis 1914 und 1918/19 am Konservatorium in Leipzig. Seine Lehrer waren dort Robert Teichmüller (Klavier), Karl Straube (Orgel), Stephan Krehl (Theorie) und Hans Sitt (Orchesterdirigieren). 1914 gewann er den Nikisch-Preis für Komposition. In den Kriegsjahren 1915 bis 1918 war er Soldat und Militärmusikleiter in Bad Lausick bei Leipzig. Nach Kriegsende, 1919, ging er für sechs Jahre als Kantor und Organist an die Annenkirche in Aachen sowie an das Städtische Konzerthaus Aachen. 1925 wurde er erster Landeskirchenmusikwart der evangelischen Landeskirche Thüringens und Kantor an Bachs Taufkirche St. Georg in Eisenach, wo er den Bachchor Eisenach sowie einen Knabenchor, den Georgenchor, gründete. 1931 wird er zum Kirchenmusikdirektor ernannt. 1930 wurde Mauersberger aus etwa 80 Bewerbern nach Dresden zum Kreuzkantor und Leiter des berühmten Dresdner Kreuzchores berufen und trat sein Amt am 1. Juli 1930 an.

In seiner über 40 Jahre dauernden Amtszeit prägte er den Chor wie kein anderer vor ihm und führte ihn auf ein international anerkanntes Niveau. Mit Wirkung vom 1. Mai 1933 wurde Mauersberger Mitglied der NSDAP und unter der Nummer 2.451.659 registriert.[1] Hitler verlieh ihm zum 20. April 1938 den Titel Professor.[2] Intensiv bemühte Mauersberger sich, die Einflüsse der NS-Ideologie vom Kreuzchor fernzuhalten. So konnte die Hitlerjugend beim Chor keinen Fuß fassen. Mauersberger weigerte sich, NS-Gesänge mit dem Chor zur Aufführung zu bringen.[3] Stattdessen wurde der christliche Charakter des Chores nicht nur gewahrt, sondern deutlich ausgebaut – auch in der nachfolgenden DDR-Zeit.

Kruzianer aus dieser Zeit berichten, dass der Chor ein einziges Mal gezwungen war, HJ-Uniformen anzulegen, und zwar bei einer offiziellen Verabschiedung durch die Stadt im Dresdner Hauptbahnhof vor einer Konzertreise in die besetzten Niederlande 1944. Als Mauersberger von dieser Absicht erfuhr, erschien er zur Abfahrt nicht, sondern ließ er sich zum nächsten Bahnhof, Dresden-Neustadt, chauffieren und gab beim Zusteigen die Anweisung, die braunen Hemden sofort wieder gegen Zivilkleidung auszuwechseln.

Mauersberger setzte sich über Aufführungsverbote hinweg und bezog Werke jüdischer und verfemter Komponisten wie Felix Mendelssohn Bartholdy und Günter Raphael in die Programme des Kreuzchores ein, und zwar noch im Herbst 1938 auf der zweiten USA-Tournee des Kreuzchores.

Die Gegnerschaft zu NS-Kulthandlungen motivierte ihn dazu, die Gottesdienste und Vespern in der Kreuzkirche zunehmend im Sinne der liturgischen Erneuerung mit Hauptchor und Altarchor in liturgischer Kurrendekleidung mit Kerzen umzugestalten, um damit einen kirchlichen Gegenakzent zu setzen.

Von diesen Bemühungen legen die Christvesper aus den 1930er Jahren, die Christmette von 1936 und die Ostermette von 1940 beredtes Zeugnis ab. In ihrer musikalischen Gestalt fast unverändert, sind sie noch heute feste Bestandteile des Weihnachts- und Osterfestes in der Dresdner Kreuzkirche.

Die Dresdner Kreuzkirche und mit ihr auch das gesamte Chorarchiv wurden in der verheerenden Bombennacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 zerstört. Aber nicht nur das: bei jenem Bombenangriff kamen elf seiner jungen Schüler ums Leben.

Die erste Kreuzchorvesper nach Ende des 2. Weltkrieges fand am 4. August 1945 in der ausgebrannten Kreuzkirche statt. Zur Uraufführung kam die Trauermotette „Wie liegt die Stadt so wüst“ von Rudolf Mauersberger, ein A-cappella-Werk, entstanden am Karfreitag und -samstag 1945. Darin verarbeitete Mauersberger die belastenden Erlebnisse während des Krieges und letztendlich den vernichtenden Angriff auf Dresden und die verhältnismäßig kurze Zeit danach; den Text entnahm er den Klageliedern Jeremias. Zu Mauersbergers Verdiensten zählt die Neubelebung des Chores kurz nach dem Zweiten Weltkrieg.

Johann Sebastian Bachs h-Moll-Messe leitete Rudolf Mauersberger 1968 als 79-jähriger Kreuzkantor insgesamt drei Mal, zuletzt am 7. Dezember 1968. Neben seinem unermüdlichen Einsatz für den Wiederaufbau des Kreuzchors im zerstörten Dresden nach 1945 ist zu würdigen, dass er sich während seiner gesamten Amtszeit für eine liturgische Einbindung des Chores in die gottesdienstliche Praxis der Kreuzkirche einsetzte, eine umfassende Pflege der Werke von Johann Sebastian Bach und Heinrich Schütz betrieb (jährliche Heinrich-Schütz-Tage des Kreuzchores 1955–1970, Schallplattenaufnahmen für die Schütz-Edition, Stiftung der Schütz-Kapelle in der Kreuzkirche) und sich stets auch der zeitgenössischen Musik in Dresden widmete.

1950 wurde ihm der Nationalpreis der DDR 2. Klasse zusammen mit dem Kreuzchor verliehen, 1964 der Martin-Andersen-Nexö-Kunstpreis. 1954 wird er zum pädagogischen Ehrendoktor an der Humboldt-Universität Berlin und 1959 zum theologischen Ehrendoktor an der Philipps-Universität Marburg ernannt. Er war CDU-Mitglied der DDR und zeitweise Mitglied im CDU-Hauptvorstand. 1969 erhält er den Vaterländischen Verdienstorden in Gold, den er 1955 in Bronze zusammen mit dem Kreuzchor erhielt.

Ehrenmitglied der Internationalen Schütz-Gesellschaft war er 1964, der Neuen Bachgesellschaft 1969 und der Dresdner Philharmonie 1970. Sein Grab ist in der Familiengruft in Mauersberg (Erzgebirge). Der Ort ehrt ihn durch das ihm und seinem Bruder Erhard Mauersberger, der von 1961 bis 1972 in Leipzig Thomaskantor war, gewidmete Mauersberger-Museum. Er führte den Dresdner Kreuzchor zum Weltruhm.

Im Dresdner Stadtteil Striesen ist nach Mauersberger eine Straße benannt.

Schüler

Zu Mauersbergers Schülern gehörten unter anderem Theo Adam, Peter Schreier, der Dresdner Komponist Udo Zimmermann und Hans Thamm, der 1946 den Windsbacher Knabenchor gegründet hat

Kompositionen (Auswahl)[4]

"Wie liegt die Stadt so wüst" ist das erste Stück aus dem "Chorzyklus Dresden", der neben den Chorzyklen "Erzgebirge" und "Weihnachten" das umfangreiche vokalmusikalische Schaffen Mauersbergers dokumentiert. Weitere Werke folgten, so zum Beispiel das "Dresdner Requiem", die "Geistliche Sommermusik", die "Lukas-Passion" und das "Dresdner Te Deum". Außerdem arrangierte Mauersberger geistliche und Volkslieder in anspruchsvollen Chorsätzen.

Chorzyklen für Soli und gemischten Chor a capella

  • Tag und Ewigkeit, 1943
  • Weihnachtszyklus der Kruzianer, 1944-1946, daraus "Kleiner Dresdner Weihnachtszyklus", 1951
  • Chorzyklus Dresden, 1945-1950, 1955 beendet, daraus der Trauerhymnus "Wie liegt die Stadt so wüst"
  • Erzgebirge, 1946-1954
  • Der kleine Jahreskreis, 1950

Geistliche Werke

  • Christvesper mit Turmgesängen, 1932-1963
  • Christmette, 1936
  • "Fangt euer Tagwerk fröhlich an", 5 kleine Spruchmotetten 1940, 1943
  • Ostermette, 1941
  • Dresdner Te Deum, 1944/45
  • Passionsmusik nach dem Lukasevangelium, 1947
  • Dresdner Requiem, 1947/48
  • Geistliche Sommermusik, 1948
  • Eine kleine Weihnachtskantate, 1948
  • Motette vom Frieden, 1953
  • Evangelische Messe, 1954
  • Gesänge für die Kreuzkapelle zu Mauersberg, 1954-1956

Weltliche Werke

  • "Maiwärts", Frühlingsode, 1917/18
  • Pfeifen, 1942
  • Kritik des Herzens, 1958
  • "Habt Ruh und Frieden", Gedächtnisgesang, 1943
  • Drei Jahreszeitengedichte, 1965/66

Instrumentalmusik

  • Klaviertrio c-Moll, 1913/14
  • Introduktion, Ciaconna und Choral e-Moll für Orgel, 1912-1914
  • Introduktion und Passacaglia a-Moll für Orgel, 1912-1914
  • Präludium und Doppelfuge d-moll für Orgel, 1912-1914
  • Freie Orgelwerke, 1914-1916
  • Sinfonie e-Moll (Tragische), 1914-1916

Diskographie

Mit dem Dresdner Kreuzchor:

  • J. S. Bach, h-moll Messe, BWV 232
  • H. Schütz, Geistliche Chormusik 1648
  • H. Schütz, Psalmen Davids
  • Chormusik - Historische Aufnahmen des Rundfunks und des VEB Deutsche Schallplatten Berlin
  • Fangt euer Tagwerk fröhlich an - Volkslieder / Chöre

Mit dem Kreuzchor und dem Thomanerchor, unter gemeinsamer musikalischer Leitung mit seinem Bruder Erhard Mauersberger:

  • J. S. Bach, Matthäuspassion

Nachlass

Der kompositorische Nachlass von Rudolf Mauersberger umfasst circa 475 Katalognummern mit Manuskripten, Abschriften oder Kopien und wird in der Musikabteilung der SLUB Dresden aufbewahrt: Signatur: Mus.11302-...

Einzelnachweise

  1. Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945, CD-Rom-Lexikon, Kiel 2004, S. 4.492.
  2. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S.Fischer, Frankfurt 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 398.
  3. Dieter Härtwig/Matthias Herrmann (Hrsg.): "Der Dresdner Kreuzchor"; Ev. Verlagsanstalt, Leipzig 2006, ISBN 978-3374024025
  4. Herrmann, Matthias: Rudolf Mauersberger (1889 - 1971), Werkverzeichnis (RMWV) 2., gänzl. neu bearb. Aufl. Dresden, Sächs. Landesbibliothek, 1991. - XI, 155 S. - Studien und Materialien zur Musikgeschichte Dresdens Bd. 3

Literatur

  • Matthias Grün: Rudolf Mauersberger. Studien zu Leben und Werk, Kölner Beiträge zur Musikforschung Band 146, 1986, ISBN 3-7649-2319-9.
  • Matthias Herrmann, Kreuzkantor zu Dresden – Rudolf Mauersberger, Mauersberger-Museum 2004 (Schriften des Mauersberger-Museums in Mauersberg, Ortsteil von Großrückerswalde / Erzgebirge, Bd. 1), ISBN 3-00-015131-1 (Vertrieb über Mauersberger-Museum und mauersbergerbuch@web.de)
  • Helga Mauersberger (Hrsg.): Dresdner Kreuzchor und Thomanerchor Leipzig zwei Kantoren und ihre Zeit – Rudolf und Erhard Mauersberger; Druck- und Verlagsgesellschaft Marienberg, Marienberg 2007. ISBN 978-3-931770-46-4
  • Ulrich Schicha: Mauersberger, Rudolf. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 16, Duncker & Humblot, Berlin 1990, ISBN 3-428-00197-4, S. 428 f. (Digitalisat).
  • Stadtlexikon Dresden A–Z. Verlag der Kunst, Dresden 1995, ISBN 3-364-00300-9.