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Die Nemesis von Potsdam

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Die Nemesis von Potsdam. Die Anglo-Amerikaner und die Vertreibung der Deutschen ist ein Buch des amerikanischen Juristen und Historikers Alfred de Zayas, das durch den britischen Verlag Routledge und Kegan Paul 1977 publiziert wurde. Das Buch ist die erste wissenschaftliche Behandlung der Thematik über die Heimatvertriebenen in englischer Sprache und greift die Rolle der westlichen Alliierten beim Umgang mit den im Zweiten Weltkrieg besiegten deutschen Vertriebenen auf. 15 Millionen Deutsche wurden vertrieben, größtenteils aus den früheren deutschen Ostgebieten und der Tschechoslowakei.

Zwei Millionen Deutsche kamen im Verlauf dieser Umsiedlungen um.[1][2]

Inhalt des Werkes

Das erste Kapitel untersucht die Frage, weshalb die Anglo-Amerikaner die Prinzipien der Atlantik Charta aufgegeben haben. Das zweite Kapitel behandelt die Vorgeschichte um die Sudetenfrage, die Pariser Friedenskonferenz 1919, das Münchener Abkommen, die anglo-amerikanische Haltung zu den Beneš-Dekreten usw. Das dritte Kapitel diskutiert die Akten zur deutsch-polnischen Grenze aus den Konferenzen von Teheran und Jalta. Das vierte Kapitel beschriebt die Flucht. Das fünfte Kapitel analysiert die britischen und amerikanischen Memoranden über die Frage des „Transfers“ der Ostdeutschen, wobei an eine Umsiedlung von drei bis vier Millionen gedacht war, die durch eine Population Transfers Commission geregelt werden sollte. Das sechste Kapitel dokumentiert, wie die Vertreibung der Deutschen eigentlich vor sich ging, vor allem auf der Basis von Archivdokumenten aus den USA und Großbritannien. Das siebte Kapitel geht um den Marshall Plan und die Integration der Vertriebenen. Das Achte Kapitel über die Vertriebenen in der Bundesrepublik Deutschland bzw. der DDR, das neunte Kapitel über die Ostverträge und das zehnte Kapitel über das Recht auf die Heimat und die Menschenrechte.

Das Buch zeigt viele bis dahin unveröffentlichte Dokumente aus dem Public Record Office (London) und den National Archives (Washington, D.C.). Der ehemalige politische Berater Dwight D. Eisenhowers und später Lucius D. Clays, Botschafter Robert Murphy, schrieb das Vorwort. Neben Vertriebenen und ihre Vertreter interviewte de Zayas viele Teilnehmer an der Potsdamer Konferenz, u. a. Sir Geoffrey Harrison (Verfasser des Entwurfes des Artikels XIII des Kommuniqués über den „ordentlichen und humanen Transfer“ der Deutschen), Sir Denis Allen (Verfasser des Entwurfs des Artikels IX über die Oder-Neiße-Linie) und anderen Wissensträger wie James Riddleberger, Chef der Deutschland-Abteilung im US State Department und George F. Kennan.

Ausgaben

Das Buch erschien im englischsprachigen Original erstmals im Januar 1977 unter dem Namen „Nemesis at Potsdam“. Es folgten zwei Ausgaben bei Routledge und zwei Ausgaben bei der University of Nebraska Press. Eine 6. erweiterte Ausgabe wurde 2003 im Picton Press, Rockland, Maine veröffentlicht. Im Herbst 1977 veröffentlichte der Münchner C.H. Beck Verlag eine deutsche Übersetzung. Der dtv Verlag brachte das Buch 1985, der Ullstein Verlag 1996 als Taschenbuch heraus. Die 14. deutsche Auflage erschien 2005 im Herbig-Verlag. Bei den vorigen 13 Editionen trug das Buch den Titel „Die Anglo-Amerikaner und die Vertreibung der Deutschen“.

Wissenschaftliche Rezeption in den USA, Großbritannien und Deutschland

Der US-amerikanische Nürnberger Ankläger Benjamin Ferencz lobte das Buch: „The lesson from this well organized and moving historical record is not merely that retribution which penalizes innocent human beings becomes injustice, but that acceptance of political realities may be a better road to human fulfillment than the path of violence Alfred de Zayas has written a persuasive commendatry on the suffering which becomes inevitable when humanitarianism is subordinated to nationalism.“[3]

Professor Tony Howarth schrieb: „His is a lucid, scholarly and compassionate study. Most pertinently he insists that we deny what the lesser histories conspire with us to invent – that there are stopping places in history.“[4] Professor Carl Anthon: „De Zayas writes with sympathy for the refugees and moral indignation over what he, as an international lawyer, concludes was another crime against humanity, but he strives to show how Allied decisions regarding postwar Germany were the product of many factors, such as horror over Nazi atrocities, the passions of war and victory, and considerable ignorance on the part of Anglo-American leaders regarding the actual state of affairs in Central and Eastern Europe.“[5] Andere Rezensenten wie John Cambell (Council on Foreign Relations) fanden, dass de Zayas die Komplexität der Thematik unterschätzte.

In Deutschland wurde die erste englische Ausgabe von Nemesis at Potsdam von Professor Lothar Kettenacker in der HZ kritisiert, weil in seiner Meinung de Zayas zu viele Vertriebene interviewt und die Meinungen der polnischen und tschechischen Kollegen nicht ausreichend berücksichtigt habe.[6] Ein Jahr danach lobte Professor Andreas Hillgruber die durch neue Archivdokumente ergänzte deutsche Ausgabe.[7] Professor Gotthold Rhode beurteilte in der FAZ: „Was ist das Besondere und Bemerkenswerte an diesem Buch? In erster Linie wohl die Tatsache, dass hier von einem unbefangenen und sichtbar engagierten Amerikaner die Mitverantwortung der anglo-amerikanischen Politik an einer der großen Katastrophen der Nachkriegsjahre festgehalten wird – nicht im anklägerischen Ton des Moralisten oder in dem der verfolgten Unschuld, sondern mit nüchterner Sachlichkeit. […] In zweiter Linie ist bedeutsam, dass bekannte Schilderungen der Unmenschlichkeit der Vertreibung, die hier nochmals eindrucksvoll zusammengestellt werden, durch Berichte amerikanischer Gesandter aus Prag und Warschau ergänzt und bestaetigt werden.“[8]

Hans Henning Hahn und Eva Hahn kritisieren indessen de Zayas in ihrem Buch Die Vertreibung im deutschen Erinnern,[9] weil er die tschechischen Argumente ausgeklammert und „Alfred de Zayas […] kein empirisch recherchiertes Buch geschrieben“ habe. Am 23. Feburar 2006 rezensierte Dr. Patrick Sutter die neueste (2005) Ausgabe des Buches: „Man verharmlost die Verbrechen der Nazis kein bisschen, wenn man nicht akzeptieren will, dass sie dazu dienen sollten, Völkerrechtsverbrechen zu legitimieren, die zudem bis heute grösstenteils weder moralisch anerkannt noch juristisch aufgearbeitet sind. De Zayas erkennt darin einen Präzedenzfall für spätere Vertreibungen in Palästina, Zypern, Bosnien oder Kosovo.“[10]

Einzelnachweise

  1. Gerhard Reichling, Die deutschen Vertriebenen in Zahlen, Bd. 1. Umsiedler, Verschleppte, Vertriebene, Aussiedler: 1940–1985, Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Bonn 1986 (online, siehe dort Fn 1). Abgerufen 20. November 2010.
  2. Statistisches Bundesamt: Die deutschen Vertreibungsverluste, Wiesbaden 1958.
  3. American Journal of International Law October 1978, S. 960
  4. Times Educational Supplement 22 April 1977, S. 495
  5. American Historical Review: Dezember 1978, S. 1289
  6. HZ, Bd. 227, S. 222–223
  7. HZ, Bd. 229, S. 748–749
  8. Franfurter Allgemeine Zeitung, 21. Februar 1978, S. 21
  9. Die Vertreibung im deutschen Erinnern. Legenden, Mythos, Geschichte. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2010
  10. Patrick Sutter in Neue Zürcher Zeitung, S. 9