Schlacht am Pichincha
| Schlacht von Pichincha | |||||||||||||||||
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| Teil von: Ecuadorianischer Unabhängigkeitskrieg | |||||||||||||||||
| Datum | 24. Mai 1822 | ||||||||||||||||
| Ort | Pichincha-Vulkane bei Quito, Ecuador | ||||||||||||||||
| Ausgang | entscheidender Sieg der Patrioten | ||||||||||||||||
| Friedensschluss | Kapitulation der Kolonialstreitkräfte in Ecuador am 25. Mai 1822 | ||||||||||||||||
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Die Schlacht von Pichincha war ein entscheidender Kampf zur Nationenwerdung in der Geschichte Ecuadors zwischen Spaniens Truppen unter Melchior Aymerich und den Separatisten Quitos/Guayaquils, Großkolumbiens, Perus und Argentiniens unter Antonio José de Sucre. Mit der spanischen Niederlage endete die Kolonialherrschaft Spaniens über das Gebiet des heutigen Ecuador.
Die Schlacht von Pichincha am 24. Mai 1822
Vorgeschichte
Nach dem Ende der ersten Republik in Quito 1812 bedurfte es des Sieges von Simón Bolívar in der Schlacht von Boyacá 1819 und der Präsenz des chilenisch-argentinischen Expeditionsheeres unter José de San Martín, das Nordperu mit der Hilfe peruanischer Patrioten 1820 unter seine Kontrolle brachte, um die spanische Kolonialmacht im heutigen Ecuador zu isolieren. Vor allem die Tatsache, daß San Martín den peruanischen Vizekönig beschaftigt hielt, war es, die die Patrioten in Guayaquil, der wichtigsten Hafenstadt im Süden der Provinz Quito, am 9. Oktober 1820 zum Aufstand bewegte, der zum Sturz der Spanier führte. Erste eigene Versuche, die Unabhängigkeit ins Hochland der Anden zu tragen, scheiterten an der spanischen Militärmacht.
Die Separatisten Guayaquils wandten sich daher an San Martín und Bolívar, um Unterstützung für die Befreiung des Königlichen Gerichtsbezirks (Real Audiencia) Quito zu erhalten. Die erste sichtbare Reaktion kam von San Martín, der Truppen und Offiziere schickte, deren Unternehmungen aber scheiterten, auch an der Unterstützung, die aus der südkolumbianischen Monarchistenhochburg Pasto nach Ecuador kam. Bolívar, der Ecuador von vorneherein seinem Großkolumbien anzuschließen gedachte, hatte schon vorher seinen fähigsten Offizier, den ausgebildeten Pionier José Antonio Sucre, der nach der Schlacht von Boyacá zum Brigadegeneral befördert worden war, Anfang 1820 auf die Antillen geschickt, um Waffen für den Ecuadorfeldzug zu beschaffen. Sucre hatte auch die Planung der Kampagne übernommen, traf aber, auch wegen des royalistischen Widerstands in Südkolumbien, erst Anfang Mai 1821 mit rund 650 Soldaten und umfangreicher Kriegsausrüstung in Guayaquil ein.
Trotz anfänglicher Erfolge gegen die angreifende Kolonialmacht musste auch er im September bei einem Vorstoß ins Hochland eine vernichtende Niederlage hinnehmen (2. Schlacht von Huaqui am 12. 9. 1821). Diese warf seine Zeitplanung um, beraubte ihn des Großteils seines Heeres, und er war gezwungen, mit vielen Briefen um weitere Unterstützung aus Großkolumbien und Peru bitten. Die Zeit dafür verschaffte er sich mit einem geschickt ausgehandelten Waffenstillstand, der bis Anfang 1822 dauerte. Mit der Unterstützung, die Bolívar und San Martín sandten, gelang es ihm erneut eine Streitmacht aufzubauen, mit der er Quito zu erobern gedachte.
Der Pichincha-Feldzug
In der Kolonialzeit entstandene peruanische Ansprüche auf Guayaquil führten, auch in Verbindung mit San Martíns persönlichem Ehrgeiz, zu Spannungen zwischen Peru und Großkolumbien – beide erst halb befreit. So kam es zu einer weiteren Verzögerung, da San Martín seine Truppen wieder abziehen wollte. Zu diesem Zeitpunkt, Februar 1822, hatte das vereinigte Heer, das aus einer peruanisch-argentinischen und einer großkolumbischen Division bestand, bereits kampflos Cuenca auf der südlichen Kordillere eingenommen, weil die Spanier vor der Übermacht der Separatisten den Rückzug angetreten hatten. Die gut einen Monat dauernden Verhandlungen brachten Sucre und Bolívar insofern zu einem günstigen Abschluss, als der Rückzugsbefehl für die peruanische Division zurückgenommen wurde.
Mitte April 1822 konnte der Feldzug schließlich beginnen. Sucres Soldaten marschierten im Hochland nach Norden auf die Hauptstadt Quito zu. In der Schlacht von Riobamba am 21. April besiegte ein Teil der Reiter Sucres die spanische Kavallerie. Der in den eigenen Reihen politisch ausgeschlachtete Sieg hatte ebenso eine moralische Wirkung auf die Spanier, die sich nun auf die Verteidigung von Quito konzentrierten. Melchior Aymerich, der letzte Präsident des Königlichen Gerichtshofs, besetzte zunächst die zentralen Pässe südlich von Quito mit Truppen.
Am 2. Mai 1822 sammelten sich Sucres Truppen in Latacunga, 90 km südlich von Quito. Hier wurden sie vom Kommandanten neu organisiert und mit weiteren Freiwilligen aus der Umgebung verstärkt. Man wartete auf Verstärkung durch das Bataillon Alto Magdalena aus Nordkolumbien unter José María Córdova und auf Informationen über die Stellungen des königstreuen Heeres.
Sucre war klar, dass ein Angriff auf die Pässe südlich der Hauptstadt, wenn überhaupt, nur mit großen Verlusten erfolgreich sein konnte. Er beschloss daher, ab dem 13. Mai nach Nordosten abzubiegen, um an den Flanken des Vulkans Cotopaxi entlang ins Valle de los Chillos südlich von Quito zu gelangen und damit hinter die feindlichen Vorposten. Die königstreuen Truppen schienen dies geahnt zu haben und zogen sich nach Quito zurück, wo sie am 16. Mai ankamen. Aymerich ließ die Zugangswege zur Stadt, die zu jener Zeit noch hauptsächlich aus dem alten Stadtkern bestand, mit Geschützen besetzen, um den anrückenden Patrioten einen Durchbruch unmöglich zu machen. Am 18. Mai nahmen Sucres Truppen Sangolquí ein.
Ab dem 21. präsentierte Sucre sein Heer östlich des Cerro Panecillo, der sich etwa zweihundert Meter aus dem heutigen Stadtgebiet erhebt, um die Spanier zu einem Angriff zu bewegen. Weil Sucre nicht nur gut erkundet hatte, sondern auch einen Agenten zur Abwerbung der Monarchisten im Kolonialheer eingesetzt hatte, schrumpfte dieses, bis Aymerich den Saboteur einsperren ließ. Zu einem Angriff auf Sucres Divisionen ließ er sich aber auch an den nächsten beiden Tagen nicht hinreißen.
Sucre entschloss sich nun zu einer erneuten Umgehung, um doch noch eine Schlacht außerhalb der Stadt zu provozieren. Dazu ließ er in der Nacht vom 23. auf den 24. Mai um 21 Uhr abmarschieren. Er umging die Stellungen der Spanier südlich, bog dann nach Nordwesten ab, um die Flanke des Doppelvulkans Pichincha im strömenden Regen zu erklimmen. Der steile Weg verbot die Mitnahme der Kavallerie, die am Fuß des Aufstiegs zurückblieb. Das erfahrenste Bataillon Alto Magdalena übernahm die Marschspitze, danach folgte das Gros der beiden Divisionen, das Albion-Bataillon schließlich – Europäer, die Sucre aus Kolumbien mitgebracht hatte – deckte den Versorgungstross am Ende des sich auf den schmalen, überfluteten Pfaden auf eine Höhe von 3500 Metern hocharbeitenden Heeres.
Schlachtverlauf
Geführt von Indianern erreichte das Befreiungsheer am frühen Morgen die Walstatt an der heutigen Cima de la Libertad, wo Sucre rasten ließ. Aymerich schickte nach anfänglichem Zögern die beiden Offiziere Carlos Tolrá und Nicolás López, die bereits in Kolumbien und später auch bei den ersten Versuchen der Separatisten in den vergangenen zwei Jahren in Ecuador für die Spanier erfolgreich gewesen waren, mit den drei Infanteriebataillonen der spanischen Division den Patrioten entgegen.
Sucre, dessen Streitkräfte die Königstreuen auf einem relativ kleinen, von Schluchten und Steilhängen begrenzten Schlachtfeld erwarteten, entsandte eine Erkundungskompanie, die gegen zehn Uhr von den Spaniern erreicht und sofort beschossen wurde. Die Patrioten mussten sich zurückziehen, erhielten dann aber Verstärkungen von Kolumbianern und Peruanern. Das Feuergefecht erwies sich als munitionsintensiver als vorgesehen und Sucre war gezwungen, seine Bataillone rotieren zu lassen, damit diese wieder mit Pulver, Kugeln und Zündsteinen ausgerüstet werden konnten. Die Kleinräumigkeit des Schlachtfeldes war der Stellung der spanischen Truppen förderlich, da sie gegenüber den meisten Truppenteilen der Patrioten eine bessere Ausbildung und vor allem größere Kampferfahrung besaßen. So konnten sie die beiden peruanischen Bataillone vom Schlachtfeld verdrängen. Der großkolumbische Divisionsbefehlshaber José Mires verhinderte in diesem Moment mit hundert Mann den Zusammenbruch der Kampflinie der Separatisten, die nun von frisch versorgten Bataillonen wieder stabilisiert werden konnte.
Als die Munition der Patrioten erneut knapp zu werden drohte, ordnete Sucre an, dass die kampferfahrenen Großkolumbier von Alto Magdalena einen Bajonettangriff ins Zentrum der spanischen Kolonialtruppen führen sollten. Lopéz sah, dass er ins Hintertreffen geraten würde, und sandte sein bestes Bataillon, das 1. Aragón, aus, die linke Flanke Sucres zu umgehen und so den Patrioten in den Rücken zu fallen. Dazu musste es einen Höhenrücken überwinden, auf dem urplötzlich das Bataillon Albion Stellung bezog, das sich offenbar nicht mehr um die Tross kümmerte. Ob dazu wirklich ein Befehl Sucres vorlag, ist ungeklärt. Die Europäer auf Seiten Sucres, obwohl numerisch weit unterlegen, hielten das Aragón-Bataillon nachhaltig auf und vereitelten so den Umgehungsplan. Das war das Startsignal für alle anderen Bataillone Sucres, mit dem Bajonett in die Reihen der Spanier zu stoßen und deren Schlachtordnung endgültig aufzubrechen. Um Mittag flohen die Kolonialtruppen in völliger Auflösung bergab ins siebenhundert Meter tiefer gelegene Quito, vierhundert Tote an den Hängen des Pichincha zurücklassend. Sucre berichtet von zweihundert Toten und hundertvierzig Verwundeten in den eigenen Reihen.
Nachgang
Die Kavallerie der Royalisten löste sich angesichts der Niederlage auf und leistete keinen Widerstand mehr, die der Patrioten stieß ihnen am Fuß der Berge entlang nach und verfolgte auch die geschlagene Infanterie. Die Besiegten flohen in die Straßen der Stadt, aber Sucre brach hier wohl die Verfolgung ab. Am folgenden Tag unterzeichneten die Spanier die Kapitulationsurkunde, Sucre nahm 1260 Soldaten gefangen; Aymerich ließ man ausreisen.
Ecuador war damit befreit und es gab nur im Norden des Landes, nahe dem neugranadischen Unruheherd Pasto, später noch Aufstände. Für den Großteil des Landes war der Krieg vorbei und Bolívar, der nahe Pasto von den Königstreuen aufgehalten worden war, erklärte nach seiner Ankunft in Quito den ehemaligen Königlichen Gerichtsbezirk Quito am 13. Juli zum neuen Departement seines Großkolumbiens, das damit vollständig war, wie er dies bereits fünf Jahre vorher geplant hatte.
Quellen
- Luis Andrade Reimers: Sucre: Soldado de la Independencia. PDF-download
- Germán Arrieta Vargas: Pichincha: La legión internacional americana
- Efrén Avilés Pino: Enciclopedia del Ecuador. Pichincha, Batalla del
- Stefan K. Beck: Die Befreiungskriege in den Bolivarianischen Ländern Südamerikas. ISBN 978-3-00-032556-4.
- Campaña Libertadora de Quito: Batalla de Pichincha
- Parte de Guerra de la Batalla de Pichincha (Heeresbericht von Sucre)
- Vicente Lecuna: Bolívar y el Arte Militar. Colonial Press, New York 1955
- Juan J. Paz y Miño Cepeda: 24 de Mayo de 1822: Batalla de Pichincha
- Rudolfo Pérez Pimentel: La Batalla de Pichincha
Weblinks
- Inhaltsverzeichnis der zur verkürzenden Überarbeitung derzeit aus dem Netz genommenen Seiten.
- Zusammenstellung der verwendeten Quellen