Volkssouveränität
Die Volkssouveränität bezeichnet das uneingeschränkte Recht eines Volkes, über die eigenen Angelegenheiten selbst zu bestimmen.
Recht
Rechtslage in Deutschland
Die Volkssouveränität im Sinne deutschen Verfassungsrechts ist Bestandteil des Demokratieprinzips und gehört als solcher zu den verfassungsrechtlichen Staatsformmerkmalen der Bundesrepublik Deutschland. Der Grundsatz der Volkssouveränität ist in Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes geregelt. Die Bestimmung lautet wie folgt:
- Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
Im einzelnen ergibt sich aus dieser Bestimmung:
Sämtliche Staatsgewalt geht in Deutschland - unmittelbar oder mittelbar - vom Volk aus. Das Volk ist in diesem Sinne der Souverän im Staate, ist gleichsam Herrscher über sich selbst. Dabei ist unter "Volk" in diesem Zusammenhang ausschließlich das Staatsvolk im Sinne der staatsrechtlichen 3-Elemente-Lehre zu verstehen. Dazu gehört jeder, der im Sinne von Artikel 116 des Grundgesetzes die deutsche Staatsangehörigkeit hat. Ausländer (Nicht-Deutsche) haben daher keinen Anspruch darauf, an der Ausübung der Staatsgewalt, insbesondere an Wahlen und Abstimmungen (auf Bundesebene) teilzunehmen. Ihnen darf ein Ausländerwahlrecht auch nicht eingeräumt werden, weil nur Deutschen die Staatsgewalt (Art. 20 Abs. 2 GG) zusteht. Nur bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind gemäß Art. 29 Abs. 1 Satz 3 Ausländer, soweit sie Unionsbürger, also Angehörige eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union sind, aktiv und passiv wahlberechtigt. Aus dieser Bestimmung folgt ebenfalls, daß ein Ausländerwahlrecht sowohl auf Bundes- und Landesebene als auch bei Kommunalwahlen unzulässig ist.
Das Staatsvolk übt seine Staatsgewalt unmittelbar durch Wahlen und Abstimmungen aus. Die Ausübung der Staatsgewalt durch Abstimmungen ist im Grundgesetz abschließend geregelt. Abstimmungen finden ausschließlich bei Neugliederungen des Bundesgebietes statt (Artikel 29 des Grundgesetzes und Artikel 118). Die Einführung weiterer konstitutiver Volksabstimmungen oder -entscheide wäre nur durch Verfassungsänderung, nicht aber durch einfaches Gesetz möglich.
Außerhalb der Wahlen und Abstimmungen übt das Volk die Staatsgewalt ausschließlich mittelbar, und zwar durch die Organe der Gesetzgebung (Legislative), der Verwaltung (Exekutive) und der Rechtsprechung (Jurisdiktion) aus. Die unmittelbare Ausübung der Staatsgewalt ist daher im Wesentlichen auf die Teilnahme an Wahlen beschränkt. Die deutsche Demokratie ist in diesem Sinne eine rein repräsentative Demokratie.
Rechtssouveränität
Aus rechtspositivistischer Sicht gibt es nach geltendem deutschem Verfassungsrecht kein deutsches Recht, das dem Zugriff des deutschen Souveräns - des Volkes - entzogen wäre. Denn das Volk übe seine Staatsgewalt aus, in dem es Recht setze und vollziehe. Recht (im rechtswissenschaftlichen Sinne) sei daher nicht Voraussetzung und Grenze der Souveränität des Volkes, sondern Ausdruck und Folge seiner Souveränität und Medium in dem die Souveränität sich entfalte. Das Volk sei daher im Prinzip noch nicht einmal gehindert - notfalls durch Neuschaffung der Verfassung -, die Todesstrafe einzuführen, Zwangsarbeit zu erlauben, Privateigentum abzuschaffen oder die Unverletzlichkeit der Wohnung aufzuheben. Übergeordnete "Rechts"sätze, an die auch der Souverän im Rechtssinne absolut gebunden wäre, gebe es nicht. Sollte sich der Souverän an bestimmte Werte aus moralischen, ethischen oder sonstigen Gründen gebunden fühlen (etwa an die Unantastbarkeit der Menschenwürde oder die freie Meinungsäußerung), so werde er sie berücksichtigen. Rechtlich verpflichtet aber sei er dazu nicht.
Dem gegenüber vertrittt eine am Naturrecht orientierte Rechtsphilosophie die Auffassung, auch in demokratischen Staaten solle die "Rechtssouveränität" der Volkssouveränität vorangestellt werden. Das heißt, bestimmte Rechtsgrundsätze (wie z.B. die Menschenrechte) dürften als Grundlage des politischen Lebens in einer Demokratie nicht verletzt werden. Die demokratische Anwendung des Volkssouveränitätsprinzips bestehe nicht in einer Durchsetzung des Willkürwillens der Mehrheit, sondern in der Achtung der Rechte einzelner und der gesellschaftlichen Minderheiten und Gruppen durch die demokratisch qualifizierte Mehrheit.
Kritische Überlegungen zum Verständnis von Volkssouveränität im allgemeinen
Verschiedene Initiativen verstehen unter dem Volkssouveränitätsprinzip eine weitergehende Forderung. Sie lehnen die repräsentative Demokratie als grundsätzlich "undemokratisch" und akzeptieren lediglich direkte Demokratien als "demokratisch". In ihrem Sinne bedeutet die Volkssouveränität die Souveränität des Volkes über sich selbst. Nach diesem Verständnis gibt es keine dem Volk übergeordnete staatliche oder staatsähnliche Ebene wie z.B. Bundesstaatsebene oder EU-Ebene, die gegenüber dem Volk des jeweiligen Staates weisungsbefugt ist. Auch innerhalb des Staates gibt es keine dem Volk übergeordnete, weisungsbefugte Instanzen wie z.B. Parlamente, Verfassungsgerichte, Regierungen, Verwaltung, Aristokraten, Diktatoren etc.