Polizeidrohne
Es handelt sich bei dem Lemma um eine Begriffserfindung, da es keine spezielle Drohnen für den Polizeieinsatz gibt. Genauso gut könnte man den Polizei-Bleistift als Lemma erfinden -- 89.245.24.75 18:44, 18. Nov. 2010 (CET)
Polizei-Drohnen sind Mikrodrohnen, die von der Polizei zur Aufklärung eingesetzt werden. In Deutschland nutzen die Polizei Niedersachsen und die Polizei Sachsen die Mikrodrohnen, ebenso die Bundespolizei (Stand 2010). Im praktischen Einsatz gibt es derzeit noch Schwierigkeiten wegen hoher Anlaufkosten, Kosten durch Abstürze und vor allem datenschutzrechtliche Bedenken.
Technik
Die Unmanned Aerial Vehicle (UAV) wiegen meist weniger als ein Kilo. Die von der Polizei eingesetzten Fluggeräte gleichen Modellhubschraubern mit 4 Rotoren, sogenannten Quadrokoptern. Sie können bis zu 500 Meter hoch fliegen, je nach Kamera liefern sie unbemerkt Fotos oder Videos. Meistens sind die Kameras beweglich und werden ferngesteuert. Die Bilder werden per VHF- oder UHF-Funklink direkt an eine Bodenstation übertragen. Bei kleineren Systemen, wie sie bisher von der deutschen Polizei verwendet werden, besteht die Bodenstation aus einem Laptop mit Peripherie, bei größeren Geräten aus einem Leitstand, der teilweise von zwei Operatoren besetzt ist. Je nach Ausführung verfügen die Geräte auch über spezielle Sensortechnik, wie Wärmebildkameras und Nachtbildkameras.
Der Auftrieb wird meist im Gegensatz zu Modellhubschraubern durch geräuscharme Elektromotoren erzeugt, was den Vorteil der Unauffälligkeit hat, aber durch begrenzte Akku-Kapazität zu relativ kurzen Flügen führt. Moderne Geräte verfügen über Kreiselinstrumenten und Beschleunigungssensoren (Accelerometers).
Die deutsche Firma microdrones war mit ihrer Microdrohnen-Technik auf dem "11. Europäischen Polizeikongress" vertreten.
Einsatz
Die Polizei sieht ein weites Einsatzfeld für Minidrohnen: Einsätze bei Großdemonstrationen, sowie bei Entführungen und Geiselnahme, Überwachung von Bahnanlagen. Obwohl die Flugobjekte mit einem Anschaffungspreis von rund 50.000 Euro pro Stück relativ teuer sind, hofft die Polizei langfristig sogar die Ausgaben bei Einsätzen durch bessere Aufklärung deutlich zu reduzieren.
Das niedersächsische Innenministerium hatte für die Polizei Niedersachsen zunächst eine kleine ferngesteuerte Drohne Ende 2008 angeschafft, die im Testbetrieb lief. Regulär werden in Niedersachsen und Sachsen die Mikrodrohnen MD4-200 und MD4-1000 der Firma microdrones GmbH aus Siegen für die polizeiliche Aufklärung eingesetzt.
2008 startete die Landespolizei in Sachsen ein erstes Pilotprojekt mit Flugdrohnen. Dort wurde der „Sensocopter“ eingesetzt und seitdem nach Polizeiangaben erfolgreich im Kampf gegen Hooligans verwendet.[1] Nach erfolgreichem Einsatz des "Sensocopters" ging die Polizei Sachsens dazu über jetzt ein schwereres Fluggerät mit höherer Reichweite und besserer Windbeständigkeit zu testen.[2] Die Erprobungsphase der zuletzt geleasten Drohne MD4-1000 war 30. September 2010 offiziell abgeschlossen. Das Gerät kostet 65 000 Euro. Im Herbst 2010 war noch nicht entschieden ob der Freistaat eines der getestetn Überwachungsgeräte ankauft. Die Erprobung der Drohnen brachte laut Säsischer Zeitung nicht die erhofften Erfolge. Es gab auch Probleme bei der Handhabung dieser Drohne, inklusive Abstürzen und Zusammenstößen.
Von 2008 bis Früjahr 2010 hatten zwei Drohnen 18 offizielle Einsätze. Die Drohnen starteten bei Fußballspielen, bei der Suche nach Cannabispflanzen in Maisfeldern und der Aufklärung von Einbrüchen. Die Gesamtkosten für das Projekt lagen bis Anfang 2010 bei über 110 000 Euro.[3]
Die Bundespolizei nutzt zwei Drohnen: "Aladin" und "Fancopter". Derzeit werden sie vor allem für Aufklärungsflüge ihrer Spezialeinheit GSG 9 genutzt.
Beide Systeme liefert die deutschen Firma EMT-Pentzenberg. Die Drohne "Aladin" wurde ursprünglich für eine militärische Nutzung durch die Bundeswehr entwickelt.[4] Diese Drohne hat eine Reichweite von 15 Killometern bei einer maximalen Flugzeit von 60 Minuten. Neben der Bilderfassung werden Objekte mithilfe eines differentialen GPS geortet. Das Gerät fliegt 45 bis 90 km/h schnell und hat eine Spannweite von 1,46 Meter bei einem Gewicht von 4 kg.
Der "Fancopter" wurde speziell für den "urbanen Bereich" entwickelt. Es handelt sich um ein völlig autonomes System, dass mit einem Durchmesser von 50 Zentimetern und einer Höhe von etwa 60 Zentimetern in Häuser hineinfliegen kann.[5] Der Fancopter kann eine Höhe von bis zu 1000 Metern erreichen 25 Minten in der Luft bleiben. Das Abfluggewicht beträgt 1,5 kg. Zu Austattung können eine Tageslicht-Videokamera, eine Dämmerungs-Videokamera, eine IR-Wärmebild-Videokamera oder eine hochauflösende Fotokamera gehören. Das Gerät kann auch mit einem Mikrophon, einer gesteuerten Zoom-Videokamera, Chemischen Sensoren oder Radioaktivitäts-Sensoren ausgestattet sein. Die Bundespolizei teste weitere Drohnen in ihrem Labor in Lübeck.
Bei den Europameisterschaften 2008 in der Schweiz und Österreich sah die "Sicherheitsarchitektur" für das polizeiliche Großereignis den Einsatz von Drohnen vor. Beim G8-Gipfel im Mecklenburg-Vorpommern und den Protesten gegen den Gipfel wurden von der Polizei Drohnen eingesetzt.
Castor 2010
Während der Protestaktionen gegen den Castor-Transport zum Zwischenlager Gorleben 2010 setzte die Polizei Niedersachsen eine Aufklärungsdrohne ein. Das Fluggerät sei viermal verwendet worden, sagte eine Sprecherin der Polizeidirektion Lüneburg. Genutzt worden seien die Daten zur Luftaufklärung, Einsatzführung, Beweissicherung und Dokumentation. Ziel war es laut Polizei, mit den Aufnahmen auch nachträglich Straftaten aufzuklären. Die Bilder der Mini-Drohne wurden in Echtzeit an deren Bodenstation übertragen und dort aufgezeichnet.[6]
Kritik
Nach dem Drohnen-Einsatz beim Castor-Transport 2010 übte der Niedersächsische Landesdatenschutzbeauftragter starke Kritik am Einsatz. Ein Vertreter sagte gegenüber dem NDR: "In der Verfahrensbeschreibung müsste die Polizei niederlegen, für welche Einsatzzwecke die Drohne wirklich eingesetzt wird. Also müsste man erstmal wissen, was die Polizei mit der Drohne wirklich erreichen will. Und das ist bisher nicht geschehen. Somit betreibt die Polizei diese Anlage seit dem ersten Testbetrieb ohne gesetzliche Grundlage."[7]
Nach dem Bekanntwerden des Drohnen Einsatzes bei den Castor-Protesten 2010 bezeichnete die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg die Ausspähung der Demonstranten als "rechtlich äußerst problematisch". "Fotos und Videoaufnahmen der Drohne verletzen das Persönlichkeitsrecht von Demonstranten", kritisierte ein Sprecher.[8]
International
Mikrodrohnen werden in den Vereinigten Staaten, in Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden im größeren Stil von der Polizei eingesetzt. Weltweit laufen verschiedene Projekte zur Entwicklung einsatztauglicher, teilweise autonom operierender Microdrohnen. Teilwiese sollen sie als "Schwarm" dauerhaft in der Luft bleiben. Bei den Entwicklungsanfoderungen verschwimmt häufig die militärische und die polizeiliche Nutzung.
USA
In einem Forschungsprojekt im us-amerikanischen Georgia wird der Einsatz von Drohnen in "Schwärmen" getestet. Drohnen könnten quasi im "Schichtflug" pausenlos ganze Stadtteile überwachen und sich per intelligenter Software selbst steuern. Das zum Department of Homeland Security gehörende Customs and Border Protection (CBP) Bureau setzt das Model Predator B zur Grenzüberwachung an der Grenze zu Mexiko ein.[9]
Großbritannien
In Großbritannien wird zu den Olympischen Spielen 2012 ein bis zu 22 Meter langer unbemanntes Flugobjekt über London schweben, ausgestattet mit Infrarotsensoren und leistungsfähigen Kameras zur Überwachung der Aktivitäten.
Niederlande
Drogenfahnder in den Niederlanden suchen mit dem acht stundenlang flugfähigen "Cana-Chopper" illegale Marihuana-Plantagen. Der "Cana-Chopper" – ein Wortspiel aus Cannabis und Chopper (englisch Umgangssprache für Hubschrauber) - wurde von der niederländischen Polizei speziell für die Drogenfahndung entwickelt. Er wird vom Boden aus mit einem Laptop gesteuert, wodurch er sehr flexibel einsetzbar und außerdem viel billiger als ein richtiger Hubschrauber sei, wie ein Sprecher der Niederländischen Polizei erklärte. Einen ersten Erfolg gab es schon in der Testphase im April 2009: Durch die neue Luftüberwachung konnte bereits bei Doetinchem eine Hanfplantage ausgehoben werden.
Der Mini-Helikopter ist mit umfangreicher Technik ausgestattet. Neben einer herkömmlichen Kamera gehören auch eine Wärmekamera sowie eine Glocke, die Luft ansaugen und ihre Bestandteile analysieren kann, zur Ausstattung. Die Sensoren reagieren auf Hanfgeruch. Obwohl der illegale Drogenanbau häufig in Innenräumen stattfindet, kann der Hanfgeruch dennoch durch die Sensoren aufgespürt werden.[10]
Schweiz
Im Schweizer Tessin überwachen Drohnen die "Grüne Grenze" zur "Migrationsabwehr" . Laut Grenzwachtkorps haben die Drohnen bereits zu Festnahmen geführt. Auch die Polizei in Zürich testet Geräte.
Europäische Union
In einem EU-Programm wird vorgeschlagen, dass Polizisten künftig mit Drohnen auf Streife gehen sollen. Die Drohnen sollen demnach Verdächtige ausmachen, observieren, verfolgen und den Beamten am Boden alle notwendigen Informationen für einen Zugriff sowie möglicherweise gleich auch Beweise für ein Gerichtsverfahren liefern.[11]
In einem Forschungsprojekt der europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX werden sogenannte "BSUAV - Border Security Unmanned Aerial Vehicles" zur Kontrolle der Außengrenzen sowie "Terrorismusbekämpfung" entwickelt. Das Programm ist in dem Wissenschaftförderprogramm mit den Kürzel "FP7" integriert und kostet etwa 5 Millionen Euro. Das Projekt zur Entwicklung der europäischen Drohne heißt "OPARUS" und wird unter Beteiligung einem Konsortium der Firmen Sagem, BAE Systems, Finmeccanica, Thales, EADS, Dassault Aviation, ISDEFE, Israel Aircraft Industries und anderen vorangetrieben. Ziel ist es "eine offene Architektur für ein unbemanntes Fluggerät zu entwickeln, das unbewaffnete Luft-Boden-Operationen in einem großen Radius über Land ud See ausführen kann." (“elaborate an open architecture for the operation of unmanned air-to-ground wide area land and sea border surveillance platforms in Europe”.)[12] Das Konsortium wurde mit einem Budget von 11.8 Millionen Euro von der EU ausgestattet.
Einzelnachweise
- ↑ http://www.ln-online.de/artikel/2859377/Kontrolle_von_oben%3A_Polizei_in_L%FCbeck_testet_Flugdrohnen.htm
- ↑ http://www.polizei.sachsen.de/zentral/5238.htm
- ↑ http://www.sz-online.de/Nachrichten/Sachsen/Sachsen_prueft_Kauf_einer_Polizei-Drohne/articleid-2602640
- ↑ http://www.behoerden-spiegel.de/Internet/sub/ccb/ccb20973-701a-5c21-a3b2-1717b988f2ee,,,aaaaaaaa-aaaa-aaaa-bbbb-000000000011&uMen=f6810068-1671-1111-be59-264f59a5fb42&page=1&pagesize=10.htm
- ↑ http://www.emt-penzberg.de/fileadmin/presse/interview.pdf
- ↑ Tagesschau
- ↑ http://www.ndr.de/info/programm/sendungen/reportagen/drohne110.html
- ↑ http://www.tagesschau.de/inland/castor290.html
- ↑ http://epic.org/privacy/surveillance/spotlight/0805/rscb.pdf S. 3
- ↑ http://www.rp-online.de/niederrheinnord/emmerich/nachrichten/emmerich/Drogenfahndung-aus-der-Luft_aid_702662.html
- ↑ http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,701310,00.html
- ↑ http://euro-police.noblogs.org/2010/11/euro-drones-update-more-funding-from-fp7-frontex-and-eda/