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Bundesnachrichtendienst

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Der Bundesnachrichtendienst (BND) mit Sitz in Pullach bei München sowie in Berlin ist einer der drei deutschen Nachrichtendienste. Er ist zuständig für die Beschaffung von sicherheits- und außenpolitisch relevanten Informationen aus dem Ausland bzw. über das Ausland (§ 1 Abs. 2 BNDG).

Der BND wurde 1956 eingerichtet, indem die Organisation Gehlen in den BND überführt wurde. Der BND untersteht dem Bundeskanzleramt.

An den beiden Standorten Pullach und Berlin sowie in den Auslandsdienststellen (Residenturen) arbeiten ca. 5.800 Mitarbeiter. Es ist geplant, bis 2011 beide deutschen Dienststellen in Berlin zusammenzufassen. Standort soll das Gelände des ehemaligen Stadions der Weltjugend im Bezirk Mitte sein. Das neue Gebäude in der Chausseestraße wird vom Berliner Büro Kleihues und Kleihues geplant. Die Teilumzüge der Abteilungen 3 (Auswertung) und 5 (Internationaler Terrorismus und Organisierte Kriminalität) sind bereits größtenteils abgeschlossen. Bis 2010 sollen weitere Teilumzüge erfolgen, um vollendete Tatsachen zu schaffen und einen möglichen Stopp des Umzuges wegen explosionsartig steigender Kosten (mehr als 1,7 Milliarden Euro) für den ersten Bauabschnitt (bis 2011) zu umgehen. Die Höhe der Kosten für den Bauabschnitt II (nach 2011) können noch nicht abgeschätzt werden. Die Flächen für den zweiten Bauabschnitt sind bereits ausgewiesen.

Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes

An der Spitze des BND steht ein Präsident. Folgende Personen hatten seit 1956 dieses Amt inne:

Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND)
Name Beginn der Amtszeit Ende der Amtszeit
1 Reinhard Gehlen 1. April 1956 30. April 1968
2 Gerhard Wessel 1. Mai 1968 31. Dezember 1978
3 Dr. Klaus Kinkel 1. Januar 1979 26. Dezember 1982
4 Eberhard Blum 27. Dezember 1982 31. Juli 1985
5 Heribert Hellenbroich 1. August 1985 27. August 1985
6 Hans-Georg Wieck 4. September 1985 2. Oktober 1990
7 Konrad Porzner 3. Oktober 1990 31. März 1996
8 Konteradmiral Gerhard Güllich (komissarisch) 1. April 1996 4. Juni 1996
9 Hansjörg Geiger 4. Juni 1996 17. Dezember 1998
10 August Hanning 17. Dezember 1998

Struktur des BND

Der Bundesnachrichtendienst ist in 8 Abteilungen unterteilt, die alle unterschiedlichen nachrichtendienstlichen Aufgaben nachgehen:

Abteilung 1: Operative Aufklärung

Die operative Aufklärung ist eine sogenannte HUMINT (Human Intelligence) Abteilung, die Gewinnung von geheimen Informationen über das Ausland mit Hilfe von menschlichen Quellen anstrebt. Die Agenten der operativen Aufklärung erhalten jedoch, im Gegensatz zu vielen ausländischen Geheimdienstlern, keine physische Ausbildung, sondern nur mentales Training. Auch sind offiziell keine operativen Aufklärer befugt, eine Dienstwaffe zu tragen, geschweige denn, diese anzuwenden. Dies könnte sich aber in den nächsten Jahren mit der öffentlich bereits diskutierten "Aufgabenfeld-Erweiterung" des BND, dem Hinzukommen immer gefährlicherer Einsatzgebiete, wie zum Beispiel dem Kampf gegen Terrorismus und Drogenhandel, ändern. Die Ausbildung der Lehrgangsteilnehmer dauert 2 Jahre im mittleren Dienst (LM) und 3 Jahre im gehobene Dienst (FHB). Unterrichtet wird int. Politik, Sicherheit (personell und materiell), Sport, waffenlose Selbstverteidigung, Ansprache und Führung von Quellen, Kommunikationsmöglichkeiten aus Krisengebieten, Lausch- und Spionagetechnik, Taktik des Gegners, Observation und Forschung sowie viele andere Fächer wie Staatsrecht, Verwaltungsrecht, Haushalts-Kassen-Rechnungswesen.

Abteilung 2: Technische Beschaffung

Die technische Beschaffung beschäftigt sich unter anderem mit der Informationsbeschaffung auf technischer Basis. Interessante Informationen werden durch Filterung der internationale Kommunikationsströme gewonnen. Dazu betreibt die Abteilung 2 Dienststellen im ganzen Bundesgebiet.

Diese Fernmelde- und elektronische Aufklärung bezeichnet man als SIGINT (Signal Intelligence), die sich weiter in COMINT (Communications) und ELINT (Electronic Intelligence) gliedert, wobei COMINT der Gewinnung von Informationen aus Gesprächsinhalten (mündlich, schriftlich) dient und ELINT der aus Daten-Signalen, in erster Linie Radarsignalen und damit assoziierte Datensignale, die einer besonderen Aufbereitung vor der Auswertung bedürfen. Früher gebräuchlicher Tastfunkverkehr (Morse-Technik) ist heute zumeist durch verschlüsselte Funkfernschreiber (RTTY), quasi weiterentwickelte Nachfolger der "ENIGMA"-Verschlüsselungsmaschinen, ersetzt worden und zunehmend inhaltlich schwieriger aufklärbar.

Abteilung 3: Auswertung

Die Abteilung Auswertung dient als Dreh- und Angelpunkt für Aufträge. Sie ist für die Auswertung der erlangten Informationen aus den Beschaffungsabteilungen (1, 2 und 5) zuständig.

Abteilung 4: Steuerung und zentrale Dienstleistung

Die 4. Abteilung ist die Verwaltungsabteilung des Bundesnachrichtendienstes. Personalmanagement, Finanzen, Rechtswesen und Zentrale Serviceleistungen sind die Aufgabenfelder dieser Abteilung.

Abteilung 5: Operative Aufklärung / Auswertung Organisierte Kriminalität-Internationaler Terrorismus

Der Bundesnachrichtendienst trägt einem gestiegenen Informationsbedürfnis über so genannte transnationale Phänomene, wie "der Internationale Terrorismus" und die Organisierte Kriminalität, mit der Abteilung 5 Rechnung. Informationen über asymmetrische Bedrohungen, wie Terrorismus, Kriminalität etc., werden in dieser Abteilung bearbeitet.

Abteilung 6: Technische Unterstützung

Diese Abteilung beliefert alle anderen Abteilungen des Bundesnachrichtendienstes mit technischem Material, wie Computer, nachrichtendienstlichen Geräten, Handys und ähnlichem.

Abteilung 7: Schule des BND

Hier werden Mitarbeiter aus allen Abteilungen aus- und weitergebildet. Als künftiger Sitz ist Köln bzw. ein unauffälliges Areal bei Heimerzheim "im Gespräch", wahrscheinlich eine Bundespolizei-Kaserne. Ein weiterer Standort der SBND (Schule des BND) befindet sich in Söcking/Starnberg am Starnberger See.

"Tarnbezeichnung": Bundesstelle für Fernmeldestatistik.

Abteilung 8: Sicherheit

Dem BND ist die Sicherheit des eigenen Personals besonders wichtig, da er, im Gegensatz zu anderen Behörden, ein besonderes Geheimschutzbedürfnis hat. Dem Bundesnachrichtendienst obliegt die Eigensicherung des Personals, der Informationen, Einrichtungen und Geräte.

Getarnte Dienststellen

Bundesstelle für Fernmeldestatistik: Der BND betreibt unter diesem offiziellen Namen mehrere Abhörstationen in Deutschland, mit denen sämtlicher Nachrichtverkehr abgehört werden kann. Diese finden sich an folgenden Orten:

  • Ionosphäreninstitut Rheinhausen: für 2,5 Mio. Euro wurden hier im Auftrag der Bundesstelle für Fernmeldestatistik in Stockdorf folgende Arbeiten durchgeführt: Planung und Überwachung der Heizungs-, Lüftungs-, Sanitär-, MSR-, Elektroanlagen
  • Außenstelle der Bundesvermögensverwaltung Abteilung Sondervermögen (früherer Tarnname der Zentrale des BND in Pullach)
  • Bundessprachenamt: An der Brühler Adresse der Bundesstelle für Fernmeldestatistik (BND) findet sich diese Namensbezeichung. Entweder residiert der BND nicht mehr unter dieser Adresse, oder das Bundessprachenamt ist eine weitere Tarnbezeichung für eine Depandance des BND in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr.
  • Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik BSI, Bonn, früher: "Zentralstelle für Chiffrierwesen"

Ausserdem ist es ein offenes Geheimnis, dass viele der Auslandsniederlassungen des Goethe-Instituts als inoffizielle Residenturen des BND dienen.

Affären

Auch der Bundesnachrichtendienst ist - ebenso wie alle anderen deutschen Nachrichtendienste - von Skandalen nicht verschont geblieben: Im Jahr 1995 sorgte die sogenannte Plutonium-Affäre, die ihre Ursache in einem vom BND initiierten Schmuggel von Plutonium in die Bundesrepublik Deutschland hatte, für nachhaltig schlechte Presse.

Literatur

  • Charisius, Albrecht: Nicht länger geheim : Entwicklung, System und Arbeitsweise des imperialistischen deutschen Geheimdienstes / Albrecht Charisius ; Julius Mader. - 1. - 30. Tsd.. - Berlin : Dt. Militärverlag, 1969. - 631 S.
  • Juretzko, Norbert: Bedingt dienstbereit : im Herzen des BND ; die Abrechnung eines Aussteigers / Norbert Juretzko ; Wilhelm Dietl. - Berlin : Ullstein, 2004. - 382 S. - ISBN 3-550-07605-3
  • Krüger, Dieter: Konspiration als Beruf : deutsche Geheimdienstchefs im Kalten Krieg / Dieter Krüger...(Hg.). - 1. Aufl. - Berlin : Links, 2003. - 352 S. - ISBN 3-86153-287-5
  • Müller, Peter F.: Gegen Freund und Feind : der BND, geheime Politik und schmutzige Geschäfte / Peter F. Müller & Michael Mueller. - 1. Aufl. - Reinbek bei Hamburg : Rowohlt, 2002. - 718 S. - ISBN 3-498-04481-8
  • Schmidt-Eenboom, Erich: Empfänglich für Geheimes in: Beyrer, Klaus: Streng geheim : die Welt der verschlüsselten Kommunikation ; [Publikation anläßlich der Ausstellung "Streng Geheim! Die Welt der Verschlüsselten Kommunikation" im Museum für Post und Kommunikation Frankfurt am Main (7. Oktober 1999 bis 27. Februar 2000) ... Museum * / hrsg. von Klaus Beyrer. Mit Beitr. von Klaus Beyrer ... Eine Publikation der Museumsstiftung Post und Telekommunikation. - Heidelberg : Umschau/Braus, 1999. - 303 S. - (Kataloge der Museumsstiftung Post- und Telekommunikation ; 5). - ISBN 3-8295-6906-8
  • Schmidt-Eenboom, Erich: Geheimdienst, Politik und Medien : Meinungsmache Undercover. - Berlin : Homilius, 2004. - 401 S. - (Edition Zeitgeschichte ; 16). - ISBN 3-89706-879-6 (Leseprobe)
  • Top(f) secret : die "Geheimrezepte" des Bundesnachrichtendienstes / Renate Gassmann [Bearb.] ; Bundesnachrichtendienst [Hrsg.]. - Bonn : Varus Verl., 2002. - 107 S. - Ringheftung. - ISBN 3-928475-60-6 (Kleine kulinarische Skurrilität: Der BND hat 2002 ein Kochbuch unter dem Motto "Speisen, Spannung und Spione" für passionierte HobbyköchInnen herausgegeben. Bon appetit!)
  • Ulfkotte, Udo: Verschlußsache BND. - München ; Berlin : Koehler & Amelang, 1997. - 367 S. - ISBN 3-7338-0214-4
  • Zolling, Hermann: Pullach intern : General Gehlen und die Geschichte des Bundesnachrichtendienstes / Hermann Zolling ; Heinz Höhne. - 1. bis 20. Taus. - Hamburg : Hoffmann & Campe, 1971. - 378 S. - ISBN 3-455-08760-4
  • Vorlage:PND

Siehe auch