Ricardo Lumengo

Ricardo Lumengo (* 22. Februar 1962 in Lussenga, Uíge, Angola) ist ein Schweizer Politiker (SP) und seit dem 21. Oktober 2007 Nationalrat.
Die smartmap zur Nationalratswahl 2007 verortet Lumengo ins linksliberale Lager.[1] Seine Schwerpunkte setzt er im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, für mehr soziale Gerechtigkeit und für die Rechte der Ausländerinnen und Ausländer.[2]
Biografie
Aufgewachsen in Angola flüchtete Ricardo Lumengo 1982 im Alter von 20 Jahren aus seinem Geburtsland, da er als politisch aktiver Student verfolgt wurde. Er migrierte in die Schweiz, wo ihm Asyl gewährt wurde. Dort erhielt er nach einigen Jahren eine Aufenthaltsbewilligung. Lumengo ist seit 1997 Schweizer Staatsbürger und lebt in Biel.
Lumengo spricht Französisch, Deutsch, Portugiesisch, Englisch, Spanisch und die Bantusprachen Kikongo, Kikongo ya Leta und Lingála.[2] Er studierte Jus an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg und ist heute für den Gewerkschaftsbund Biel-Lyss-Seeland sowie für das interkulturelle Begegnungszentrum Multimondo in Biel als juristischer Berater tätig.[2] Er ist ledig und Vater von zwei Kindern, die mit ihrer Mutter in der Region Zentralafrika zusammenleben.[3]
Politik
Legislative
Lumengo trat 1996 der SP Schweiz bei und wurde im Jahre 2004 in den Stadtrat seiner Wohngemeinde Biel gewählt. 2006 gelang ihm der Sprung in den Grossen Rat des Kantons Bern, wo er Mitglied der Députation, der Justizkommission und mehrerer Finanz-Gremien war.[4]
Mit Ricardo Lumengo wurde zum ersten mal eine asylberechtigte Person in den Nationalrat gewählt. Nach Tilo Frey ist er zudem das zweite Nationalratsmitglied afrikanischer Herkunft.[5][6] Seine Wahl hat auch international Beachtung erhalten.[7][8][9][10] Lumengo gehörte bis Ende 2009 der Sicherheitspolitischen Kommission an und ist heute Mitglied der Aussenpolitischen Kommission.
Opfer rassistischer Vorfälle
Im Herbst 2006 relativierte der Parteipräsident der Freiheitspartei (FPS), Polizeidirektor von Biel und Berner Grossratsmitglied Jürg Scherrer eine Entschuldigung, die er gegenüber Schwarzafrikanern betreffend einer Ehrverletzungsklage der Afrikanischen Gemeinschaft Biel abgegeben hatte, mit einem Artikel im Blog seiner Partei. Neben dem Artikel wurde auch eine Karikatur mit drei Mohrenköpfen publiziert. Lumengo reichte Strafanzeige ein.[11][12][13][14][15]
Im Vorfeld der Nationalratswahlen 2007 wurde Lumengo durch Nationalratskandidat Patrick Lohri im Blog der FPS massiv rassistisch beschimpft.[16][17] Zudem bediente sich Willi Frommenwiler (FPS) dem Cybersquatting und registrierte die Domain lumengo.ch. Besucher wurden direkt auf einen weiteren Blog-Eintrag von Lohri mit dem Titel «Lumengo lügt» geleitet.[18][19][7][20] Nach einer richtlichen Verfügung blieb die Domain im Besitz Frommenwilers, durfte aber nicht mehr auf den Site der FPS zeigen.[21][22] Besucher der Domain jedoch fanden eine gänzlich schwarze Seite vor.[23] Im Spätsommer 2007 wurde Lumengo während einer Sitzung des Bieler Stadtrates von Delegierten der Freiheitspartei verhöhnt, indem diese demonstrativ Bananen und Mohrenköpfe assen und Affenlaute nachahmten. Die Freiheitspartei bestritt einen Zusammenhang mit Lumengo.[20][7]
Seit seiner Wahl in den Nationalrat wurde Lumengo mehrmals Opfer von rassistisch motivierten Belästigungen.[24] So auch 2008 an seiner Rede zum 1. Mai in Langenthal, wo er mit Bananen beworfen wurde.[25][26] Im folgenden Oktober verunglimpfte ihn ein Mitglied der Partei National Orientierter Schweizer auf dessen Webseite, indem er Lumengo als «bunten Parlamentarier» und «ignorant» bezeichnete. Neben dem Text fand sich eine Karikatur mit Affe und Banane platziert.[27][28] Generell erhalte Lumengo meist nach einer Pressepräsenz rassistisch motivierte Zuschriften.[29][30]
Vorwurf der Wahlfälschung
Lumengo wird Wahlfälschung vorgeworfen. Vom Verdacht auf Fälschung von 47 Wahlzetteln bei den Nationalratswahlen 2007 wurde er entlastet.[31][32] Am 11. November 2010 musste sich Lumengo für den Verdacht, bei den Grossratswahlen 2006 44 Wahlzettel - wovon 42 als ungültig erklärt wurden - selbst ausgefüllt zu haben, vor Gericht verantworten.[33] Gemäss Medienberichten bestreitet Lumengo eine Wahlfälschung, akzeptiere aber den Verdacht auf Stimmenfang. Er habe lediglich Neuwählern geholfen, die beim Ausfüllen der Wahlzettel überfordert gewesen seien.[34][35] Sein Verteidiger plädierte deshalb auf Freispruch.[36] Lumengo wurde jedoch vom Bezirksgericht in Biel der eventualvorsätzlichen Wahlfälschung für schuldig befunden, sein Anwalt legte Berufung ein.[37][33] Die SP des Kantons Bern sowie die SP Schweiz forderten Lumengo auf, sein Nationalratsmandat niederzulegen.[38][39][40][41][42] Lumengo zeigte sich enttäuscht über die vorschnellen Rücktrittsforderungen seiner Partei und trat aus der SP aus.[43][44][45] Auch Parlamentarier anderer Parteien beurteilen Wahlfälschung durchwegs als problematisch, fordern jedoch keine direkten parlamentarische Konsequenzen.[46][47][48][49]
Anderes
Im Juni 2007 beschädigte Lumengo bei einem riskanten Überholmanöver eine Leitplanke und meldete dies nicht der Polizei. Daraufhin wurde ihm Fahrerflucht vorgeworfen, vor allem die Freiheitspartei übte massive Kritik wegen dieses Vorfalls. Lumengo wurde für dieses Vergehen verurteilt.[50]
Weblinks
- Ricardo Lumengo auf der Website der Bundesversammlung
- Website von Ricardo Lumengo
Einzelnachweise
- ↑ smartvote.ch: smartmap. Polittools - Political Research Network, abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ a b c sda/wenn: Lumengo will kein Anti-Blocher sein. SF Tagesschau, 23. Oktober 2007, abgerufen am 12. November 2010.
- ↑ Bernhard Kislig: Bei einigen Zuschauern bemerkte ich ein rassistisches Motiv. Berner Zeitung Online, 13. November 2010, abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ Grosser Rat: Mitglieder & Organe. Kanton Bern, abgerufen am 12. November 2010.
- ↑ Carole Wälti: Parlamentarier Portraits - Ein "schwarzes Schaf" im Parlament. swissinfo.ch, 6. Dezember 2007, abgerufen am 12. November 2010.
- ↑ Stolz, erster Schwarzer zu sein. Bieler Tagblatt Online, 23. Oktober 2007, abgerufen am 12. November 2010.
- ↑ a b c Heike Schaefer: Die Schweiz und das Problem mit den schwarzen Schafen. Hamburger Abendblatt, 20. Oktober 2007, abgerufen am 12. November 2010.
- ↑ ap/dpa: Die Völker haben gesprochen. manager magazin Online, 22. Oktober 2007, abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ nytimes.com: Swiss rightist party won record share of votes, tally shows. The New York Times, 22. Oktober 2007, abgerufen am 13. November 2010 (englisch).
- ↑ swissinfo.ch und Agenturen: Das neue Parlament hat sich konstituiert. swissinfo.ch, 3. Dezember 2007, abgerufen am 12. November 2010.
- ↑ Rassistische Vorfälle in der Schweiz, Eine Chronologie und eine Einschätzung: Biel, 21. September 2006. Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA), abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ Scherrer wird nicht angeklagt. Bieler Tagblatt Online, 9. Mai 2007, abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ Barbara Siegrist: Gegner müssen Taktik ändern. Bieler Tagblatt Online, 10. Mai 2007, abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ Scherrer in Mohrenkopf-Affäre entlastet. Schweizer Fernsehen, 10. Mai 2007, abgerufen am 12. November 2010.
- ↑ Keine Strafanzeige gegen Scherrer. Tages-Anzeiger Online / Newsnetz, 10. Mai 2007, abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ FPS-Kandidat wird ausfällig. Bieler Tagblatt Online, 20. Juli 2007, abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ Rassistische Vorfälle in der Schweiz, Eine Chronologie und eine Einschätzung: Biel/Bienne, 21. Juli 2007. Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA), abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ bs: Böse Überraschung für Lumengo. Bieler Tagblatt Online, 6. August 2007, abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ David Gaffino: Lumengo geht vor Gericht. Bieler Tagblatt Online, 7. August 2007, abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ a b Thomas Knellwolf: Als Schwarzer attackiert und gewählt. Tages-Anzeiger Online / Newsnetz, 22. Oktober 2007, abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ sda: Lumengo will einem Gerichtsentscheid Nachachtung verschaffen. Bieler Tagblatt Online, 7. September 2007, abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ epp: Strafantrag gegen Freiheitspartei. Bieler Tagblatt Online, 10. September 2007, abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ tul: Gericht gibt Lumengo Recht. Bieler Tagblatt Online, 1. November 2007, abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ Rassistische Vorfälle in der Schweiz, Eine Chronologie und eine Einschätzung: Biel, 28. November 2007. Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA), abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ Rassistische Vorfälle in der Schweiz, Eine Chronologie und eine Einschätzung: Langenthal BE, 1. Mai 2008. Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA), abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ Marius Egger: Bananenwurf: Suche nach «junger, blonder Frau». 20min.ch, 5. Mai 2008, abgerufen am 12. November 2010.
- ↑ Rassistische Vorfälle in der Schweiz, Eine Chronologie und eine Einschätzung: Spiez BE, 12. November 2008. Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA), abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ Nina Jecker: Ricardo Lumengo als Affe verunglimpft. 20min.ch, 13. November 2008, abgerufen am 12. November 2010.
- ↑ Rassistische Vorfälle in der Schweiz, Eine Chronologie und eine Einschätzung: Biel, 21. Februar 2010. Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA), abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ bru: Rassisten-Hetze gegen Ricardo Lumengo. Tages-Anzeiger Online / Newsnetz, 22. Februar 2010, abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ swissinfo.ch und Agenturen: SP-Nationalrat wegen Wahlfälschung angeklagt. NZZ Online, 9. März 2010, abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ Daniel Gerny: Graphologisches Gutachten belastet Lumengo. NZZ Online, 9. März 2010, abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ a b ske/sda: Lumengo akzeptiert das Urteil nicht. Tages-Anzeiger Online / Newsnetz, 12. November 2010, abgerufen am 14. November 2010.
- ↑ apn/gern: Wahlmanipulationen: Rücktritt für Ricardo Lumengo kein Thema. SF Tagesschau, 19. Februar 2010, abgerufen am 12. November 2010.
- ↑ reh: Lumengo gesteht: Wahlzettel selbst ausgefüllt. Tages-Anzeiger Online / Newsnetz, 19. Februar 2010, abgerufen am 12. November 2010.
- ↑ rub/amc/sda: Freispruch für Lumengo verlangt. 20min.ch, 11. November 2010, abgerufen am 14. November 2010.
- ↑ jw: Verteidiger: «Schockierendes Urteil». Bieler Tagblatt Online, 12. November 2010, abgerufen am 15. November 2010.
- ↑ ske/sda: Lumengo akzeptiert das Urteil nicht. Tages-Anzeiger Online / Newsnetz, 11. November 2010, abgerufen am 12. November 2010.
- ↑ gca/nce: Nationalrat Ricardo Lumengo ist schuldig: SP fordert seinen Rücktritt! Blick.ch, 11. November 2010, abgerufen am 12. November 2010.
- ↑ raa/sda: Auch die Landespartei will Lumengo nicht mehr. Tages-Anzeiger Online, 12. November 2010, abgerufen am 12. November 2010.
- ↑ sl/sda: Berner SP legt Lumengo erneut Ruecktritt nahe. news.ch, 13. November 2010, abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ Entscheid Mitte Woche in: Bieler Tagblatt vom 15. November 2010.
- ↑ Lukas Mäder: Ich bin von der SP enttäuscht. 20min.ch, 12. November 2010, abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ Matthias Chapman: Pioniere unter spezieller Beobachtung. Tages-Anzeiger Online / Newsnetz, 12. November 2010, abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ sda/mt: Lumengo tritt aus der SP aus und bleibt im Nationalrat. Bieler Tagblatt Online, 16. November 2010, abgerufen am 17. November 2010.
- ↑ Reto Hunziker: Jeder macht mal Fehler, auch ein Nationalrat. Tages-Anzeiger Online / Newsnetz, 19. Februar 2010, abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ sda: Lumengo ist nicht der erste Fall der Wahlfälschung. NZZ Online, 12. November 2010, abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ mrs/sda: Lumengo bewegt sich in prominenter Gesellschaft. Tages-Anzeiger Online / Newsnetz, 12. November 2010, abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ Nadine Jürgensen: Es gibt keinen Graubereich. NZZ Online, 12. November 2010, abgerufen am 13. November 2010.
- ↑ tar: Bieler Grossrat meldet Autounfall nicht. Bieler Tagblatt Online, 26. Juni 2007, abgerufen am 12. November 2010.
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NAME | Lumengo, Ricardo |
KURZBESCHREIBUNG | Schweizer Politiker |
GEBURTSDATUM | 22. Februar 1962 |
GEBURTSORT | Lussenga, Angola |