Zum Inhalt springen

Erleuchtung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 3. August 2005 um 14:18 Uhr durch Stefan B. Link (Diskussion | Beiträge) (Neu verfasst den Punkt "Abrahamitische Religionen"). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Erleuchtung (Lehnübersetzung zu lat. illuminare: erhellen, erleuchten) bezeichnet eine religiös-spirituelle Erfahrung, bei der das Alltagsbewusstsein eines Menschen überschritten wird und eine besondere dauerhafte Einsicht in eine, wie auch immer geartete, letztendliche Wirklichkeit erlangt werden soll.

In den Konzepten, was Erleuchtung ist und wie Erleuchtung erlangt werden kann, gibt es in den Überlieferungen der genannten Religionen erhebliche Unterschiede. Erleuchtung kann sowohl als ein Prozess der Selbsterhellung des Denkens, als auch als gottgewirkte Erleuchtung begriffen werden. Unter Erleuchtung ist nicht selbstverständlich eine psychologisch-emotionale Erfahrung zu subsumieren.

Erleuchtung im Buddhismus

Die Begriff Erleuchtung bodhi hat im Buddhismus zentrale Bedeutung und findet sich in "Buddha" (der Erleuchtete) und "Bodhisattva" (Erleuchtungswesen) wieder. Erleuchtung im Buddhismus, dort auch das Erlangen des Nirvana genannt, bezeichnet die Überwindung des Leidenskreislaufs der fühlenden Wesen (Samsara). Bodhi kommt von der Sanskrit-Wurzel budh, die "aufwachen, erkennen, wahrnehmen, verstehen" bedeutet.

Nach buddhistischer Vorstellung erlangte Buddha in Bodhgaya die Erleuchtung, nachdem er viele Wochen unter dem sogenannten Bodhibaum meditiert hatte. Einige Zeit danach begann er seine Erkenntnis in Lehrreden mitzuteilen. Er lehrte über 50 Jahre, starb in hohem Alter und ging in das Parinirvanam ein. Im Mahayana sind Bodhisattvas Wesen, die unmittelbar vor dem Eingang ins Nirvana stehen und allen anderen fühlenden Wesen beim Erreichen dieses Ziels helfen wollen. Obwohl ein Bodhisattva nach höchster Reinheit strebt, bleibt er mit den Menschen in Verbindung; sein Handeln wird von Weisheit und Mitleid geleitet.

Erleuchtung im Jainismus

Im Jainismus ist der Begriff bodhi für Erleuchtung ebenfalls geläufig. Als Ehrentitel für den Religionsgründer Mahavira werden "Jina" und auch "Buddha" verwendet. Der Buddhismus und der Jainismus sind etwa zeitgleich entstanden. Die wörtliche Bedeutung von bodhi ist: perfektes Wissen oder Weisheit (wodurch ein Mann zum Buddha oder Jina wird), der erhellte oder erleuchtete Geist eines Buddha oder Jina. Wie auch im Buddhismus und Hinduismus ist Erleuchtung im Jainismus gleichbedeutend mit der Befreiung vom Samsara.

Der Jainismus geht davon aus, dass durch jede Betätigung des Menschen feine Materie in die Seele (Jiva) einströmt und sich an ihr festsetzt. Diese Materie bezeichnen die Jainas als Karma und sie ist es die die Bindung der Seele bewirkt. Im Jainismus wird durch Askese danach gestrebt, das in die Seele eingedrungene Karma zu vernichten und auf diese Weise die Verstrickung in den Wesenskreislauf zu beenden. Allwissenheit wird erreicht, wenn die Seele durch Vernichtung des eingedrungenen Karma-Stoffes in den unbeschränkten Besitz ihrer natürlichen Fähigkeiten (Schauen, Erkennen, Kraft, Wonne) und damit auch ihres unbegrenzten Wissens gelangt.

Erleuchtung im Hinduismus

Im Jnana Yoga wird für "höheres Wissen" der Begriff Jnana verwendet. Dieses spirituelle Wissen beinhaltet die endgültige Erkenntnis der Einheit zwischen Atman (individueller Seele) und Brahman (absolutem Bewusstsein, Weltseele). Das Ziel ist die Erlösung (Moksha) aus dem Kreislauf der Wiedergeburten (Samsara).

Im Raja Yoga ist die höchste Stufe Samadhi, die völlig Ruhe des Geistes. Das letztendlich angestrebte Stadium ist Nirvikalpa-Samadhi, der formlose Zustand, in dem es keine Unterscheidung mehr zwischen Subjekt und Objekt gibt und die Einheit mit Brahman erreicht ist. Nirvikalpa Samadhi wird jedoch von einigen als temporärer Zustand angesehen. Als permanenter Zustand der Nicht-Dualität gilt Sahaja-Samadhi, der natürliche Zustand, in dem das universelle Selbst während aller Aktivitäten verwirklicht ist, und die Identifikation mit dem begrenzten Ego aufgehoben ist.

In der Samkhya-Philosophie wurde der Begriff buddhi etabliert, der "Erkennen" bedeutet. Ziel des Samkhya, wie auch des Yoga, ist es, eine Unterscheidung zwischen Purusha (Seele, Selbst) und Prakriti (äusserer Natur) herbeizuführen. Der Purusha wird sozusagen von der Prakriti befreit. Zur Prakriti zählen die Elemente, die Sinneswahrnehmungen, Denken (Manas), Unterscheidungsfähigkeit (Buddhi), und Ich-Bewusstsein (Ahamkara). Yoga wie Samkhya sind im (Gegensatz zu Advaita Vedanta) streng dualistisch und bilden die philosophische Grundlage für den Shivaismus. In Hindi bedeutet buddhi heute "Verstand, Intelligenz, Wissen".

Im Hinduismus gibt es viele Strömungen, in denen der Themenkomplex Erkenntnis/Wissen/Erleuchtung keine Rolle spielt wie z.B. im Bhakti Yoga.

Erleuchtung im Daoismus

Daoistische Erleuchtung wird als die Einswerdung mit und Erlangung des ewigen Dao erklärt. Der Daoismus erklärt Erleuchtung ohne dabei Bezug auf eine göttliche Wesenheit zu nehmen. Das grundlegende Werk ist auch für den religiösen Daoismus das Daodejing von Laozi.

Bei den Daoisten heißt es: "Um zu deinem wahren Sein zurückzukehren, musst du ein Meister der Stille werden. Sitze regungslos wie ein Stein und lasse deinen Geist ruhig werden. Kehre den Geist in sich selbst und betrachte das innere Leuchten". Im Unterschied zu den indischen Religionen geht der Daoismus nicht von einem Kreislauf der Wiedergeburten aus.

Der Unterschied zwischen dem buddhistischen Nirvana und dem Dao besteht darin, dass es sich bei dem Dao um ein transzendentes Wirkprinzip handelt, das der manifestierten Welt immanent ist. Es gilt als die Ursache von allem und als das einzig wahrhaft Seiende; es stellt die Ordnung der Dinge dar. Es geht im Daoismus nicht darum, die (illusionshafte) Welt zu überwinden, sondern die Harmonie zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos zu finden.

Abrahamitische Religionen

Im Judentum, Christentum (z.B. Paulus, Meister Eckhard, Johannes vom Kreuz, C. F. v. Weizsäcker) und im Islam (Suffismus) ist die Erleuchtung bekannt als "visio dei", "Mystik" "private Offenbarung", "Vereinigung der Seele mit Gott" und wird als Erfahrung des unsagbaren überpersonalen Gottes ausgesagt, von dem man sich kein Bild machen soll (vgl. 2. Gebot). Biblisch lässt sich die Erzählung vom brennenden Dornbusch, der brennt und doch nicht verbrennt,(Ex 2,23 - 3,10) als mystische Erfahrung interpretieren, denn Mose ist wie umgewandelt: nach der Gotteserfahrung überwindet er seine Schuldangst als Mörder und nimmt seine alte Befreiungsberufung wieder auf. Auch die Erzählung von Elia am Gottesberg Horeb (1 Kön 19,1-13) weist eindeutig mystische Erzähl-Züge auf. Zur christlichen Interpretation der Erleuchtungs-Erfahrung vgl. den Artikel Mystik Punkt "Systematische Darlegung des Sachverhaltes".

Gnosis

In der Gnosis ist Erleuchtung ein gnadenhaft geschenktes Heilsereignis. Dabei wird der Mensch kraft des geistigen Lichtes des göttlichen Logos von einem "sarkischen" zu einem "pneumatischen", d.h. einem der Finsternis entzogenen, Menschen. Erleuchtung ist in dieser Sicht stets Vorstufe zur gottesgeschenkten Vollendung und Einigung in der Liebe Gottes. Sie ist nicht zu erreichen ohne die imitatio Christi.

Erleuchtung in der westlichen Esoterik

Mit dem Bekanntwerden der asiatischen religiösen Traditionen im Westen, während der letzten zwei Jahrhunderte, wurde der Begriff Erleuchtung zunehmend auch im Westen bekannt. Infolge finden sich in der westlichen Geisteswelt vermehrt ähnliche Vorstellungen, aber oft mit eigenen, durch den westlichen Kulturhintergrund geprägten Interpretationen. Der Begriff hat zum Beispiel Eingang in die Philosophie gefunden und wird dort auch als geistiges Eins-werden mit dem unendlichen Sein bezeichnet. Auch einige westliche Esoteriker benutzen den Begriff der Erleuchtung, oft mit ganz eigenen, vom historischen Kontext unabhängigen Erklärungen. Dies führt bisweilen zu inflationärem Gebrauch des Begriffs, in verschiedensten spirituell-religiösen Gemeinschaften, Lehren und Zusammenhängen.


Siehe auch

Literatur

  • Edward Conze: Eine kurze Geschichte des Buddhismus, Suhrkamp Verlag, Frankfurt, 1986
  • John Blofeld: Der Taoismus oder die Suche nach Unsterblichkeit, Diederich Verlag, München, 1979