Zum Inhalt springen

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 13. November 2010 um 18:44 Uhr durch 92.224.90.90 (Diskussion) (Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG)). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) wurde 2004 im Zuge der Umsetzung des GKV-Modernisierungsgesetzes geschaffen, um die Qualität der Patientenversorgung in Deutschland zu verbessern. Aufgaben des IQWiGs sind unter anderem die evidenzbasierte Bewertung des aktuellen medizinischen Wissensstandes zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren.

Der erste Leiter nach Gründung war der Diabetologe Peter Sawicki. Nachdem nach einer Kontroverse um seine Person dessen Vertrag nicht verlängert worden war, hat seit dem 1. September 2010 Jürgen Windeler die Leitung inne.

Gesetzliche Grundlage und Aufgaben

In § 139a–c Sozialgesetzbuch V werden die Einrichtung des IQWiG als „fachlich unabhängiges, rechtsfähiges, wissenschaftliches Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ geregelt und seine Aufgaben beschrieben.

Die Aufgaben des Instituts sind:

  • Recherche, Darstellung und Bewertung des aktuellen medizinischen Wissensstandes zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren bei ausgewählten Krankheiten,
  • Erstellung von wissenschaftlichen Ausarbeitungen, Gutachten und Stellungnahmen zu Fragen der Qualität und Wirtschaftlichkeit der im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung erbrachten Leistungen unter Berücksichtigung alters-, geschlechts- und lebenslagenspezifischer Besonderheiten,
  • Bewertung evidenzbasierter Leitlinien für die epidemiologisch wichtigsten Erkrankungen,
  • Abgabe von Empfehlungen zu Disease-Management-Programmen,
  • Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln,
  • Bereitstellung von auch für alle Bürgerinnen und Bürger verständlichen allgemeinen Informationen zur Qualität und Effizienz in der Gesundheitsversorgung.

Darüber hinaus ist in § 35b SGB V die Bewertung des Verhältnisses von Nutzen zu Kosten von neuen Arzneimitteln und für Arzneimittel von besonderer Bedeutung durch das IQWiG geregelt. Für die vom SGB verlangte „Kosten-Nutzen-Bewertung“ sind erst Ende 2009 eine Methodik vorgestellt und erste Prüf-Aufträge erteilt worden.[1] Eine erste wirkliche Kosten-Nutzen-Bewertung hat das Institut bisher nicht vorgelegt.

Aufgrund seiner Verankerung im SGB V ist das IQWiG für das System der gesetzlichen Krankenversicherung tätig. Das Institut bearbeitet die Aufgaben im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA), in dem Leistungserbringer und Kostenträger sowie Patientenbeauftragte und Selbsthilfeorganisationen vertreten sind, oder des Bundesgesundheitsministeriums. Zur Erfüllung seiner Aufgaben wird das IQWiG nicht selbst aktiv, sondern vergibt wissenschaftliche Forschungsaufträge an externe Sachverständige. Diese Aufträge sind an vom IQWiG entwickelte Methoden gebunden. Das IQWiG selbst besitzt keine Entscheidungsbefugnisse.

Organisation

Das Institut mit Sitz in Köln wurde zum 1. Juni 2004 gegründet. In den meisten großen Industriestaaten gab es davor schon vergleichbare Institute. Leiter des IQWiG war seit 1. September 2004 Peter Sawicki. Der Diabetologe war zuvor Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin des St.-Franziskus-Hospitals in Köln und Mitherausgeber des pharmakritischen Arznei-Telegramms. Sein Nachfolger zum 1. September 2010 ist Jürgen Windeler.[2] Träger ist die Stiftung für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen mit Sitz in Berlin. Die Finanzierung erfolgt durch die Erhebung von Zuschlägen für abzurechnende Krankenhausfälle und zu Vergütungen für die ärztliche Versorgung, also vollständig aus Mitteln des öffentlichen Gesundheitswesens.[3] Als beratende Gremien gibt es ein Kuratorium und einen wissenschaftlichen Beirat.

Prüfung von Arzneimitteln

Die Prüfung des Nutzens neuer von der Pharmaindustrie entwickelter Produkte hat Vorbilder in vielen Ländern. Australien hat eine solche Einrichtung seit 1987, Kanada und die Schweiz seit 1994, danach folgten Finnland, Frankreich, Großbritannien, Neuseeland, die Niederlande und Österreich. Bis zur Einrichtung des IQWiG gab es in Deutschland keine solche Prüfung. Sobald die Zulassung für neue Medikamente nach Prüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erteilt war, konnte die pharmazeutische Industrie die Preise frei festlegen, und die Krankenkassen mussten die Kosten bei ärztlicher Verschreibung erstatten. Der vormalige Institutsleiter Sawicki fasste diese Situation mit den Worten zusammen: „Die pharmazeutische Industrie betrachtet Deutschland als Selbstbedienungsladen.“ Sawicki tratt generell dafür ein, dass der Nutzen von Medikamenten durch empirische Studien nachgewiesen werden muss, statt lediglich festzustellen, dass sie nicht schädlich sind. Er warb dafür, dass diese Studien nicht von der interessegeleiteten pharmazeutischen Industrie durchgeführt werden, sondern von neutraler staatlicher Seite, beispielsweise durch länderübergreifende Zusammenarbeit der großen europäischen Staaten.[4]

Kontroverse um Sawicki

Ende 2007 wurden Vorwürfe geäußert, dass Sawicki Gutachtenaufträge an das Institut für evidenzbasierte Medizin (DIeM) erteilt habe, an dem seine Ehefrau beteiligt ist. Die Wirtschaftsprüfer stellten Verstöße Sawickis gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten fest, denn auch die indirekte Auftragsvergabe durch Dritte hätte rückgemeldet und vom Vorstand beschlossen werden müssen. Außerdem kritisierten die Prüfer Verstöße gegen geltendes EU-Vergaberecht.[5] Persönliche Vorteilsnahme wurde nicht festgestellt.[6] Der IQWiG-Vorstand mahnte eine Verbesserung der Informationsabläufe an, sah aber das „Vertrauensverhältnis mit Professor Sawicki weiterhin gegeben“.[7]

Ende 2009 kam der Verdacht auf, dass Institutsleiter Sawicki Spesen unzulässig abgerechnet habe. Er habe für sich einen Dienstwagen geleast, obwohl dies nicht seinen Vereinbarungen entsprach. Außerdem habe er unberechtigterweise auf innerdeutschen Flügen Business Class benutzt und Benzin für seinen privaten Rasenmäher abgerechnet.[8] [9] Der Ende August 2010 endende Vertrag von Sawicki wurde daraufhin nicht verlängert, obwohl ein von ihm in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten zu dem Schluss kam, dass er nicht gegen seinen Dienstvertrag verstoßen habe.[10]

Es wurde der Vorwurf geäußert, dass die Ursachen nicht wirklich die unten beschriebenen Vorgänge im Institut waren, sondern es sich tatsächlich um eine politische Entscheidung der Regierungskoalition um FDP, CDU und CSU handelte, mit der der Pharmaindustrie ein ihr freundlich gesinnter Kontrolleur entgegen gestellt werden sollte[11]. Sawicki galt als „Pharma-Schreck“, der unabhängig und entschlossen gegen überteuerte Mittel mit fraglicher Wirkung vorging.[12][13][14]

Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG)

Das Bundesgesundheitsministerium arbeitet an einem "Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes" (AMNOG).

Das AMNOG wird die Pharmaunternehmen verpflichten, künftig den Zusatznutzen für neue Arzneimittel nachzuweisen und innerhalb eines Jahres den Preis des Arzneimittels mit der gesetzlichen Krankenversicherung zu vereinbaren. Kommt keine Einigung zustande, entscheidet eine zentrale Schiedsstelle mit Wirkung ab dem 13. Monat nach Markteinführung über den Arzneimittelpreis. Das IQWiG kann in diesem Prozess als unabhängiges Institut mit der Bewertung des Zusatznutzens von Arzneimitteln beauftragt werden. Nach Darstellung einer Pressemitteilung des Bundesministerium für Gesundheit wird dadurch seine zentrale Rolle als Bewertungsinstanz in der medizinischen Versorgung weiter gestärkt.[15]

Einzelnachweise

  1. [1] Pharmazeutische Zeitung zur Methodendiskussion des IQWiG
  2. Jürgen Windeler wird oberster Arzneimittelprüfer. Spiegel Online. Abgerufen am 15. Juni 2010.
  3. IQWiG: Über uns - Finanzierung
  4. Der Professor und das Institut sowie Interview "Ich habe Angst vor Ärzten", Die Tageszeitung, 6. Januar 2007
  5. Bericht über die Vergabeprüfung beim IQWiG, BDO, 2008
  6. [2] Handelsblatt 13. Februar 2008
  7. Freispruch für Pharmakontrolleur, die tageszeitung, 13. Februar 2008
  8. Andreas Mihm: "Dienstwagenaffäre belastet Arzneimittelprüfer" - FAZ vom 18. Januar 2010, S. 9
  9. DIE WELT: [3]" - WELT vom 19. Januar 2010 online
  10. Spiegel Online: "Oberster Arzneimittelprüfer muss gehen" - 21. Januar 2010
  11. Spiegel Online: "Regierungskoalition will unbequemen Pharma-Kontrolleur ablösen" - 28. November 2009
  12. Spiegel Online: Affären – Operation Hippokrates. 15. März 2010
  13. taz: "Chef des Ärzte-TÜVs muss Pharma-Freund weichen", 22. Januar 2010
  14. Vorlage:Tagesschau, Tagesschau.de am 21. Januar 2010
  15. Pressemitteilung des BMG vom 5. November 2010

Siehe auch

Gesundheitspolitik, Gesundheitsreform, Gesundheitswesen