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Die Verwandlung

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Datei:Kafka Starke Verwandlung 1915.jpg
Illustrierte Original-Broschur des Erstdrucks

Die Verwandlung ist eine im Jahr 1912 entstandene Erzählung von Franz Kafka in Novellenform, die in seinem Gesamtwerk eine herausragende Stellung einnimmt. Der Text wurde zunächst 1915 im Oktoberheft der Zeitschrift Weiße Blätter unter der Redaktion von René Schickele veröffentlicht. Im Dezember 1915 erschien die Erstausgabe in Buchform in der Reihe Der jüngste Tag, herausgegeben von Kurt Wolff.[1]

Inhalt

Erster Abschnitt

Der Handelsreisende Gregor Samsa erwacht eines Morgens aus „unruhigen Träumen“ und findet sich in der körperlichen Gestalt eines menschengroßen Ungeziefers wieder. Gregor selbst will diese Verwandlung zunächst nur als vorübergehend akzeptieren und stellt sich nur langsam den verschiedenen Konsequenzen seiner unfreiwilligen Metamorphose. Gregor reflektiert das Verhältnis zu seinem Beruf als reisender Tuchhändler: Die auszehrende Tätigkeit, von einem „nie herzlich werdenden menschlichen Verkehr“ gekennzeichnet, nimmt ihn völlig in Anspruch. Wäre er nicht alleiniger Familienernährer, der die Schulden seines bankrott gegangenen Vaters abarbeiten muss, würde er augenblicklich kündigen und dem despotischen Arbeitgeber „vom Grunde seines Herzens aus“ die Meinung sagen. So aber ist er in scheinbar unüberwindbare ökonomische Abhängigkeitsverhältnisse verstrickt.

Gregor Samsa wird wie immer an seiner Arbeitsstelle erwartet, kann aber aufgrund seiner Ungeziefergestalt nicht das Zimmer der elterlichen Wohnung verlassen. So trifft im Laufe des Morgens der Prokurist, ein Vorgesetzter von Gregor Samsa, ein, um sich insistierend über das unentschuldigte Fernbleiben des Angestellten zu erkundigen. Als er den Verwandelten erblickt, flieht er. Die versammelte Familie ist entsetzt und Gregor wird vom Vater unter Gewaltanwendung zurückgetrieben.

Zweiter Abschnitt

Mit der plötzlich eingetretenen Arbeitsunfähigkeit Gregors wird der Familie Samsa scheinbar über Nacht die finanzielle Lebensgrundlage entzogen. Erst später stellt sich heraus, dass es nicht unbeträchtliche Ersparnisse gibt, von denen Gregor nichts gewusst hat. Gezwungenermaßen drehen sich die Verhältnisse innerhalb der Familie um. Gregors Schwester Grete hatte bis zu dessen Verwandlung ein gutes Verhältnis zu ihm, er war sogar im Begriff, ihr das Studium an einer Musikschule zu finanzieren. Sie ist diejenige, die ihn versorgt und ihm Essen bringt. Jedoch tut sie dies nicht aus gutem Willen oder Zuneigung, sondern sie nutzt ihre Position, um sich die Anerkennung ihrer Eltern zu sichern und sich wichtig zu machen. Die vorerst verbliebenen menschlichen Züge Gregors werden mehr und mehr durch tierische Verhaltensweisen ersetzt und er beginnt, an Wänden und der Decke zu kriechen. Als seine Mutter und seine Schwester aus scheinbarem Wohlwollen für Gregor sein Zimmer ausräumen, versucht Gregor, ein Bildnis an der Wand zu retten, das er liebt (die „Dame im Pelz“).

Gregor will nicht, dass alle Einrichtungsgegenstände aus seinem Zimmer geräumt werden, denn sie erinnern ihn an sein Dasein als Mensch. Daher klammert er sich an das Bild, um es zu schützen. Diese Aktion wertet die Mutter als unerwarteten Angriff und verliert vor Schreck das Bewusstsein. Die Schwester eilt der Mutter mit Medizinflaschen zu Hilfe, die sie aus der Küche holt. Gregor folgt ihr und durch eine herunterfallende Flasche wird er schwer im Gesicht verletzt. Schließlich wirft der von seiner Arbeit wieder heimgekommene Vater mit Äpfeln nach Gregor, von denen einer in dessen Rücken stecken bleibt und ihn wiederum schwer verletzt.

Dritter Abschnitt

Im folgenden Monat leidet Gregor unter seiner Verletzung am Rücken und im Gesicht und nimmt kaum noch Nahrung zu sich. Er wird von der Familie immer mehr vernachlässigt, sein Zimmer wird zur Abstellkammer. Um den Lebensunterhalt zu sichern, haben sich die übrigen Familienmitglieder eine Anstellung gesucht und nehmen auch drei Untermieter in ihrer Wohnung auf. Gregor nimmt kaum mehr am Familienleben teil, lediglich die Wohnzimmertür wird abends offen gelassen, wenn die Familie zusammenkommt und die Untermieter auswärts essen, damit Gregor sich nicht ausgeschlossen fühlt.

Eines Tages bleibt seine Zimmertür trotz Anwesenheit der Untermieter offen. Diesen Umstand ausnutzend und angezogen von Gretes Violinenspiel im Wohnzimmer, bewegt sich Gregor aus dem Zimmer und wird von den Anwesenden entdeckt. Die Untermieter sind entsetzt über den Anblick des Ungeziefers. Sie beschweren sich über den unhygienischen Zustand der Wohnung und kündigen empört das Mietverhältnis. Die Familie hat nun endgültig genug vom Zusammenleben mit einem riesigen Ungeziefer, und die sich vorher fürsorglich um Gregor kümmernde Schwester äußert als erste ausdrücklich den Wunsch, das Ungeziefer loszuwerden. Sie kann in diesem nicht länger ihren Bruder erkennen. Gregor stirbt nach der Erkenntnis, dass er nicht mehr erwünscht ist, vor dem nächsten Sonnenaufgang. Er wird am frühen Morgen von der Haushaltsdienerin gefunden und sein Kadaver wird von ihr weggeschafft.

Die Erzählung endet mit einem gemeinsamen Ausflug der Familie Samsa vor die Stadt in entspannter Aufbruchsstimmung, bei welchem die positiven Zukunftsaussichten der Familie besprochen werden. Die Eltern erkennen die Tochter als aufblühende, junge Frau und sie ist nun der Gegenstand ihrer Zukunftshoffnungen.

Analyse

Struktur der Erzählung

Es lässt sich folgende Dreiteilung erkennen:

  1. Moment der Verwandlung: Es ist das Ende von Gregors menschlicher und beruflicher Existenz (Auseinandersetzung mit Gregors Lebensweise; Verhältnis zu seinem Beruf als Handlungsreisender/Vertreter; Verbindung zwischen Eltern und Beruf; Reaktion der Familie auf die Verwandlung).
  2. Zusammenleben mit dem „Ungeziefer“: Phase, in der das „Ungeziefer“ in der Familie eingeschlossen ist (Beziehung zu den einzelnen Familienangehörigen, insbesondere zur Schwester).
  3. Allmähliches Sterben und Tod Gregors: Interesse der Familie an Gregor schwindet (Unabhängigkeit der Familie); körperlicher Niedergang und Tod.

Stil und Form

Das Ungeheuerliche wird detailliert und sachlich, fast im Stile eines nüchternen Tatsachenberichts geschrieben. Die emotional regungslose Art der Erzählung und die Unfassbarkeit des Inhalts des Erzählten bilden einen scharfen Kontrast, welcher dem Unmöglichen die Qualität der Selbstverständlichkeit und des Alltäglichen zuschreibt.

Die bizarre Fantastik des Inhaltes und der scheinbar trockene Realismus der sprachlichen Darstellung generieren die Wirkung der Erzählung.

Die Erzählform ist ein epischer Bericht aus der Erzählperspektive des Helden. Die fiktionale Wirklichkeit wird durch den Reflektor Gregor dargestellt. Die Person des Erzählers tritt erst nach dem Tod Gregors konkret zu Tage.

In jedem der drei Kapitel dringt Gregor einmal aus seinem Zimmer hervor. Jedes Kapitel endet mit einer Verwundung und seelischer Kränkung bis zum Tod. Durch diese Aufbaustruktur wird das Verhältnis der Familie zu ihm aussondernd und zurückstoßend plastisch. Gleichzeitig wirkt ein anderes Aufbausystem. Gregors eigener Niedergang geht einher mit dem Aufstieg der restlichen Familie. Sukzessiv wird dargestellt, wie eine fragwürdige, fragile Existenz untergeht, während eine vitale Physis überlebt, ähnlich wie in Das Urteil und in Ein Hungerkünstler.[2].

Interpretation

Wie Kafkas Werke überhaupt, so weckt auch diese Erzählung die Neigung vieler Interpreten nach religiöser (Max Brod) oder psychologischer Deutung. Besonders beliebt ist es, Die Verwandlung als Ausdruck von Kafkas Vater-Komplex zu deuten (erstmals von Charles Neider, The Frozen Sea 1948). Neben der psychologischen Deutung erfreuen sich auch soziologische Interpretationen großer Beliebtheit, welche die Familie in Die Verwandlung als Abbild gesellschaftlicher Verhältnisse begreifen.[3]

Vladimir Nabokov weist in seiner Vorlesung über Die Verwandlung, die er im Rahmen einer Vorlesungsreihe über europäische Literatur gehalten hat, derartige Interpretationen als unkünstlerisch zurück. Im Gegensatz dazu unternimmt er vielmehr eine am künstlerischen Detail orientierte Interpretation, die sämtliche symbolischen und allegorischen Bedeutungsebenen kategorisch ausschließt. Gegen die beliebte Vaterkomplextheorie führt er seine Beobachtung ins Feld, dass nicht der Vater, sondern die Schwester die grausamste Figur der Erzählung ist, da sie es ist, die Gregor verrät. Insgesamt ortet er das Thema der Erzählung als die Existenz des Künstlers in einer ihn umgebenden und schließlich auch ihn vernichtenden Gesellschaft von Spießern. Zum Stil Kafkas schreibt Nabokov abschließend: „Die Durchsichtigkeit seines Stils betont den dunklen Reichtum seiner Phantasiewelt. Gegensatz und Einheitlichkeit, Stil und Dargestelltes, Darstellung und Fabel sind in vollkommener Weise ineinander verwoben.“[4].

Nach Ralf Sudaus[5] Darstellung verdienen die Motive der Selbstverleugnung und Realitätsverdrängung besondere Beachtung. Früher hat Gregor Selbstverzicht geübt und war stolz, der Familie ein müßiggängerisches, schmarotzerhaftes Dasein zu ermöglichen. Als er durch seine Verwandlung zum Schmarotzer objektiv in die Lage kommt, umgekehrt Aufmerksamkeit und Fürsorge in Anspruch nehmen zu müssen, gibt er diese Ansprüche vor sich selbst nicht zu und will sich nicht über die nach und nach achtlose, ja feindselige Behandlung durch die Familie enttäuschen lassen. Selbstverleugnend verbirgt er seine ekelerweckende Gestalt unter dem Kanapee und selbstverneinend hungert er sich auf die verhohlenen Wünsche der Familie hin aus der Welt. Dieses Umkommen hat durchaus den Charakter eines tödlichen Hungerstreiks. Allerdings ist es von Seiten Gregors ein unbewusster (und eben erfolgloser) und von Seiten der Familie ein unverstandener (oder ignorierter) Hungerstreik.

Wesen der Verwandlung

Die unmittelbare Verwandlung des Menschen Gregor in das Ungeziefer Gregor stellt das bei Kafka oft anzutreffende "kritische Moment" der Erzählung dar: Die Unbedingtheit des Käfermotivs in seiner phantastischen Irrealität wird von den übrigen Personen als Gefährdung der Alltagswirklichkeit empfunden. Die Transformation in das Ungeziefer geschieht übergangslos als „absoluter Anfang“: Die Sphäre der Alltagsrealität wird unmittelbar mit jener des Surrealen konfrontiert.

In der Verwandlung bleibt Gregor ein intaktes Identitätsgefühl, obwohl sich seine Lebensweise ins Tierische verändert. Die anthropologische Trennung zwischen Mensch und Tier ist radikal aufgehoben.

Nicht nur Gregors Verwandlung an sich ist ungewöhnlich, auch seine Reaktion darauf und die seiner Umgebung sind es. Daraus leitet sich ab, dass das Käfermotiv den Gesamtrahmen der Erzählung erfüllt, dass die gesamte Welt der Verwandlung eine Ungezieferwelt ist. Durch die Selbstdefinition über die Fremdwahrnehmung der „Anderen“, der Familie, wird Gregors Selbst zum absolut Fremden.

Tatsächlich entspricht die Verwandlung darin nur einer radikalen Verschärfung der vorher bestehenden Umstände, deren Umkehrung nur scheinbar ist.

Gregor und allen anderen fehlt die Einsicht in das, was ihm widerfahren ist: nichts. Das heißt, die Verwandlung machte nur sichtbar, was ohnehin vorhanden war. Ekel und Abscheu sind die Verschärfung der Demütigung und Erniedrigung, die Gregor auch schon bisher erfuhr.

So verleugnen die Eltern Gregors inneren Konflikt und seine Entmenschlichung durch die Arbeit im Dienst der Familie. Gregor selbst hält die Selbstentstellung durch sein Opfer für eine Notwendigkeit. Weiter noch geht der Betrug, da die Eltern dies durch Ersparnisse und Arbeitsfähigkeit gar nicht nötig hatten. Erst in Gregors Entstellung wird das tierische Opfer sichtbar.

Die Befreiung, die eine Revolte gegen Chef und Vater zugleich hätte sein müssen, gelingt erst, als sie gar keine mehr ist: im Moment der Verwandlung.

Symbole

  • Fenster in Gregors Zimmer: Verbindung zur Außenwelt
  • Bild der Dame mit Pelz: erotisches Erlebnis für Gregor als Reisender (nur wenig Kontakt zu Frauen), möglicherweise auch Anspielung auf Sacher-Masochs Novelle Venus im Pelz
  • Zimmer in der Wohnung der Familie Samsa: am Anfang ist jeder Person eine Tür zugeordnet (3 Türen – 3 Personen)
  • Gregors Zimmer: Kreuzung für die Familie, da alle Zimmer der Personen in sein Zimmer führen
  • Gregors Zimmertür: Barriere zwischen Gregor und seiner Familie; Schutz vor dem angreifenden Vater
  • Gregors Zimmer ist der Mittelpunkt: Jedes Zimmer hat eine Tür zu seinem Zimmer; er ist der Versorger der Familie
  • Gregors Zimmer als Festung und Gefängnis: Im ersten Abschnitt ist die Familie und der Prokurist aus dem Zimmer ausgesperrt, ab dem zweiten Abschnitt ist Gregor immer wieder in sein Zimmer eingesperrt.
  • Waffen des Vaters (Stock, Zeitung, Äpfel): Gewalt gegen Gregor
  • Nahrung: Der Käfer Gregor mag keine menschliche Nahrung zu sich nehmen und lehnt mehr und mehr auch seine Tiernahrung ab, was zu völliger Abmagerung und schließlich zum Tode führt.
  • gestörte Kommunikation: Gregor wird aufgrund seiner Käferstimme von der Familie nicht verstanden, kann aber deren Worte verstehen.
  • Straußenfeder am Hut der Bedienerin: (ägyptisches) Symbol für Gerechtigkeit/Wahrheit; die ungeschönte Beschreibung/Bezeichnung Gregors durch die Bedienerin (zum Ärger des Vaters, der erst versucht, diese Sicht zu gewinnen)
  • Sonne am Ende der Erzählung: Neubeginn der Familie
  • vokale Assoziation (Konsonanz) SAMSA – KAFKA (obwohl Kafka selbst behauptete, dass hier keine gewollte Konsonanz vorliege)

Zitate

  • Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt.
  • Mit welcher Kraft er sich auch auf die rechte Seite warf, immer wieder schaukelte er in die Rückenlage zurück. Er versuchte es wohl hundertmal, schloß die Augen, um die zappelnden Beine nicht sehen zu müssen und ließ erst ab, als er in der Seite einen noch nie gefühlten, leichten dumpfen Schmerz zu fühlen begann .
  • .. da sah er an der im übrigen leeren Wand auffallend das Bild der in lauter Pelzwerk gekleideten Dame hängen, kroch eilends hinauf und preßte sich an das Glas, das ihn festhielt und seinem heißen Bauch wohltat.
  • Den verfaulten Apfel in seinem Rücken und die entzündete Umgebung, die ganz von weichem Staub bedeckt waren, spürte er kaum. An seine Familie dachte er mit Rührung und Liebe zurück:

Bezug zu anderen Kafka-Schriften

Auch Die Verwandlung ist im Zusammenhang der Themen von Kafkas Gesamtschaffen zu sehen. Der Vergleich eines Menschen mit einem Ungeziefer stammt aus der Schmährede seines Vaters Hermann Kafka gegenüber dem Freund seines Sohnes, dem jiddischen Schauspieler Jizchak Löwy,[2] was Kafka in seinem Brief an den Vater thematisiert hat. Die tatsächliche Verwandlung in ein Insekt wurde bereits in dem Frühwerk Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande als Wunschgedanke des lustlosen Bräutigams Raban aufgegriffen, der so seinen ungeliebten gesellschaftlichen Pflichten entgehen möchte. Die Verwandlung selbst markiert den Beginn einer ganzen Serie von denkenden, sprechenden und leidenden Tieren.[6] Siehe unter anderem Ein Bericht für eine Akademie, Der Bau und Eine Kreuzung.

Ein enger Bezug besteht zur Kafka-Novelle Das Urteil. Beide Werke entstanden im Herbst 1912. Schon die Namensähnlichkeit Gregor und Georg sind auffällig. Im Mittelpunkt steht jeweils ein Sohn, der sich bemüht, für das Wohl der Familie bzw. des Vaters voller Pflichterfüllung zu arbeiten. Im Fall der Verwandlung kann das der Protagonist offensichtlich irgendwann nicht mehr und entzieht sich dem unbewusst. Im Urteil agiert der Sohn zwar erfolgreich, aber nicht im Sinne des Vaters. Und beide Söhne werden von Familienmitgliedern offen oder umschrieben zum Selbstmord aufgefordert und sie sterben auch beide.

Rezeption

  • Ralf Sudau (S. 163 ff.) gibt eine Auswahl über Interpreten der Verwandlung (u.a. Beicken, Sokel, Sautermeister und Schwarz.) Die Verwandlung erscheint als Bild für eine krankheitsbedingte Aussätzigkeit, für eine Flucht in die Krankheit oder den Ausbruch eines neurotischen Symptoms, als Abbild einer vom Beruf entstellten Existenz oder als entlarvende Inszenierung, welche die fassadenhafte Oberflächlichkeit alltäglicher Lebensverhältnisse aufbricht und ihren inhumanen Kern bloßstellt. Er führt weiter aus, dass Kafkas Darstellungsstil von einem eigentümlichen Ineinander von Realismus und Phantastik, von Weltsinn, Vernunft und Beobachtungsschärfe einerseits und Aberwitz, Absonderlichkeit, Abwegigkeit andererseits geprägt sei. Er weist auch auf die grotesken und tragikkomischen, stummfilmartigen Elemente hin.[2]
  • Reiner Stach (S. 221): Die Verwandlung bedürfe keiner stützenden Kommentare, sie wirke und überzeuge ganz aus sich selbst, scheine in sich geschlossen, ja vollkommen. In den Kanon der Weltliteratur wäre sie zweifellos auch dann aufgenommen worden, wenn wir über den Autor überhaupt nichts wüssten.[6]
  • Peter-André Alt (S. 336): Die Gestalt des Ungeziefers werde zum drastischen Ausdruck der von Depravation geprägten Existenz des Gregor Samsa. Reduziert auf die Erfüllung seiner beruflichen Pflichten, ängstlich um sein Fortkommen bemüht, gepeinigt von der Angst vor geschäftlichen Fehlern, sei er die Kreatur eines funktionalistischen Erwerbslebens.[1]

Verfilmung

  • 1977 – Die Verwandlung. (OT: The metamorphosis of Mr. Samsa.)
  • 1993 – The Metamorphosis of Franz Kafka. 30 Min., Regie: Carlos Atanes (Kurzfilm)
  • 2009 - Die Verwandlung (48 Min., Regie: Lukas Block)

Sonstiges

  • Der erste Satz der Erzählung (siehe Zitate) gewann 2007 den zweiten Platz im Wettbewerb „Der schönste erste Satz
  • Das Lied „Samsa Meets Kafka“ der aus Georgia, USA stammenden Band Showbread basiert auf Kafkas Erzählung.
  • Die aus Virginia, USA stammende Postrock-Band Gregor Samsa bezieht ihren Namen auf die Hauptfigur des Werkes.
  • Der Name der Band Samsas Traum bezieht sich auf den einleitenden Satz: „Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt.“. Er wird im ersten Track „Elite – Vorspiel auf dem Theater“ des 1999 erschienenen Debütalbums Die Liebe Gottes zitiert.
  • Folge 3 der Anime-Serie Bokusatsu Tenshi Dokuro-chan enthält eine Parodie von Kafkas Erzählung.
  • Der Animationsfilm Flutsch und weg enthält eine kurze Anspielung auf Kafkas Erzählung. In einer Szene, in der Ritas Vater vor Wut auf den Küchentisch schlägt, bricht der Boden unter dem Herd ein. Ein Käfer mit Pfeife kommt zum Vorschein, der ein Buch mit dem Titel „La Metamorphose” in der Hand hält.
  • Als im Mel-Brooks-Film Frühling für Hitler ein Kandidat für ein besonders schlechtes Bühnenstück gesucht wird, lesen die Produzenten auch die ersten Zeilen eines Plagiats der Verwandlung vor. Dieses wird jedoch mit Hinweis: „Nein, das ist zu gut”, abgelehnt.
  • In der elften Episode der Zeichentrickserie Extreme Ghostbusters nennt sich der „Käferdämon“ Gregor Samsa, wenn er in menschlicher Gestalt auftritt.
  • Das Computer-Rollenspiel Planescape: Torment lässt den Spieler im Verlauf in sogenannten Sinnsteinen aufgezeichnete Erlebnisse nachempfinden. Darunter befindet sich auch die gespeicherte Empfindung eines Käfers, der als Mensch verwandelt erwacht und sich über seinen panzerlosen Rücken, seinen rosa Bauch und seine nur zwei unnützen Beine wundert.
  • Im Kartenspiel Munchkin beißt! ist ein Monster namens Gregor enthalten. Dargestellt als Insekt liest es „Kafka for Dummies“.

Quelle

  • Franz Kafka. Sämtliche Erzählungen. Herausgegeben von Paul Raabe. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main und Hamburg, 1970. ISBN 3-596-21078-X.

Literatur

Ausgaben

  • Erstdruck: Die Verwandlung. In: Die Weißen Blätter. Eine Monatsschrift. Hrsg. von Rene Schickele. Jg. 2 (1915), H. 10 (Oktober), S. 1177-1230.
  • Franz Kafka: Die Verwandlung. Mit einem Kommentar von Heribert Kuhn. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1999. ISBN 978-3-518-18813-2. (Suhrkamp BasisBibliothek, 13: Text und Kommentar)
  • Franz Kafka: Die Verwandlung. Anaconda Verlag, Köln 2005. ISBN 978-3-938484-13-5.
  • Franz Kafka: Sämtliche Erzählungen. Herausgegeben von Paul Raabe. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main und Hamburg 1970. ISBN 3-596-21078-X.
  • Franz Kafka Die Erzählungen. Herausgegeben von Roger Herms, Originalfassung Fischer Verlag 1997 ISBN 3-596-13270-3
  • Franz Kafka: Drucke zu Lebzeiten. Herausgegeben von Wolf Kittler, Hans-Gerd Koch und Gerhard Neumann. Frankfurt am Main: Fischer Verlag 1996, S. 113-200.

Sekundärliteratur

  • Ulf Abraham: Franz Kafka: Die Verwandlung. Frankfurt/M: Diesterweg, 1992.
  • Peter-André Alt: Franz Kafka: Der ewige Sohn. Eine Biographie. München: C.H. Beck 2005. ISBN 3-406-53441-4.
  • Peter Beicken: Franz Kafka: Die Verwandlung. Erläuterungen und Dokumente. Stuttgart: Reclam 1983. ISBN 3-15-008155-6.
  • Marc Estrin: Insect Dreams: The Half Life of Gregor Samsa. Cave Creek: Unbridled Books 2005. ISBN 1-932961-09-7. (Die deutsche Ausgabe kommt in Kürze)
  • Wilhelm Große: Franz Kafka: Die Verwandlung. Lektüreschlüssel. Stuttgart: Reclam 2004. ISBN 3-15-015342-5.
  • Volker Krischel: Franz Kafka: Die Verwandlung (Königs Erläuterungen und Materialien, Bd. 432). Hollfeld: Bange Verlag 2006. ISBN 978-3-8044-1818-9.
  • Sandra Poppe: Die Verwandlung. In: Manfred Engel, Bernd Auerochs (Hrsg.): Kafka-Handbuch. Leben - Werk - Wirkung. Stuttgart, Weimar: Metzler 2010, S. 164-174. ISBN 978-3-476-02167-0
  • Reiner Stach: Kafka Die Jahre der Entscheidungen. Frankfurt/Main: S. Fischer 2004. ISBN 3-596-16187-8.
  • Ralf Sudau: Franz Kafka: Kurze Prosa/ Erzählungen. Stuttgart: Klett Verlag 2007. ISBN 978-3-12-922637-7.
  • Cerstin Urban: Franz Kafka: Erzählungen I (Königs Erläuterungen und Materialien, Bd. 279). Hollfeld: Bange Verlag 2005. ISBN 978-3-8044-1726-7.
Wikisource: Die Verwandlung – Quellen und Volltexte

Die Verwandlung bei Zeno.org.

Einzelnachweise

  1. a b Peter-André Alt: Franz Kafka: Der ewige Sohn. Eine Biographie. München: Verlag C.H. Beck, 2005, ISBN 3-406-53441-4. S. 331
  2. a b c Ralf Sudau. Franz Kafka: Kurze Prosa / Erzählungen, 2007 Klett Verlag ISBN 978-3-12-922637-7 S. 166
  3. Zu den verschiedenen Deutungsansätzen und ihrer Bewertung vgl. U. Abraham, 1992
  4. Vladimir Nabokov: Die Kunst des Lesens. Meisterwerke der europäischen Literatur. S. 313–352. Fischer TB, Frankfurt 1991
  5. Ralf Sudau S. 158–162
  6. a b Reiner Stach. Kafka – Die Jahre der Entscheidungen, 2004 S. Fischer ISBN 3-596-16187-8