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Kreationismus

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Kreationismus (v. lat. creare, erschaffen), auch Schöpfungsglaube, bezeichnet die These, dass das Universum von einer Instanz, die außerhalb des Universums steht (einem Schöpfer) erschaffen wurde. Auch die weitere Entwicklung des Universums verlangt nach der Auffassung vieler Ausrichtungen des Kreationismus den fortgesetzen Eingriff dieser höheren Instanz. Damit stellt der Kreationismus sich gegen das wissenschaftliche Weltbild, nach dem allein naturwissenschaftliche Vorgänge zur Erklärung der Welt und des Weltalls ausreichen.

Weltanschaulich gesehen handelt es sich bei den Kreationisten im Normalfall um Theisten. Kreationisten innerhalb des Christentums sind innerhalb des letzten Jahrhunderts vielfach in Auseinandersetzungen mit naturwissenschaftlich geprägten Ansichten bekannt geworden. Aber auch innerhalb des Judentums, insbesondere des orthodoxen, ist der Kreationismus eine akzeptierte Anschauung. In der islamischen Welt wurde die Evolutionstheorie seit dem späten 19. Jahrhundert rezipiert; naturwissenschaftliche Lehrmeinungen, wie sie in Europa durch die Aufklärung weiten Bevölkerungsschichten bekannt wurden, sind dort oft nur einer Minderheit bekannt. Deshalb dauerte es länger bis sich in islamischen Ländern ein "wissenschaftlicher Kreationismus" herausbildete. Er wird heute vor allem in der Türkei, im Umfeld der Anhängerschaft von Said Nursi gepflegt. Die Hauptvertreter sind Fethullah Gülen (1941-) und Harun Yahya (eigentlich Adnan Oktar, 1956-). Sie ortientieren sich amerikanischen protestantischen "Intelligent Design"-Kreationismus. Vor allem durch das Internet finden ihre Thesen weite Verbreitung.

Während wissenschaftlich tätige Vertreter des Kreationismus naturwissenschaftliche Methoden akzeptieren und anwenden, stehen sie einem absolut gesetzten wissenschaftlichen Naturalismus als Weltanschauung und insbesondere als einzig akzeptable Prämisse wissenschaftlicher Thesen kritisch gegenüber. Sie sehen das als eine unzulässige Vermischung von Naturwissenschaft und Weltanschauung, die die wissenschaftliche Objektivität einschränkt.

Neben Darwinismus, Evolutionstheorie und Urknalltheorie gehören auch Abiogenese, Makroevolution, und Mikroevolution zu den Thesen, die von manchen Vertretern des Kreationismus in Frage gestellt werden.

Im wissenschaftlichen Diskurs wird unter einem kreationistischen Ansatz insbesondere eine Theorie verstanden, die die Evolutionstheorie oder Teile davon in Frage stellt. Diese Bezeichnung wird oft als disqualifizierendes Attribut verwendet.

Richtungen des Kreationismus

Es gibt innerhalb des Kreationismus ein weites Spektrum von Ansichten.

Theistische Evolution

Die theistische Evolution sieht Gott als Schöpfer, der das Leben mittels Evolution erschuf, wobei es unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, wie stark er in diesen Prozess eingreift und eingegriffen hat. Vertreter dieser Richtung akzeptieren die meisten Ergebnisse der modernen Naturwissenschaft. Diese Position wird von der offiziellen katholischen Kirche vertreten und ist allgemein unter gebildeten Christen weit verbreitet.

Intelligent Design

Vertreter dieser Richtung akzeptieren die wissenschaftliche Methodik, stellen aber Thesen wie die Evolutionstheorie oder Abiogenese in Frage, weil sie diese nicht als befriedigende Erklärungen für gewisse wissenschaftliche Beobachtungen sehen. Ihre alternative These ist, dass sich das Leben nur durch einen intelligenten Designer entwickelt haben könne. Es sei nach heutigen Erkenntnissen unmöglich, dass gewisse Entwicklungen in der Evolution rein zufällig geschehen seien (wobei es unter I.D.-Vertretern verschiedene Auffassungen zur Reichweite evolutiver Prozesse gibt). Es gibt u.A. wahrscheinlichkeitsbasierte Argumentationen zu diesem Punkt. Daraus folgern sie, dass sich das Leben nicht anhand von Gesetzmäßigkeiten entwickelt habe, sondern das explizite Eingreifen einer Intelligenz den Anstoß gegeben habe bzw. maßgeblich gewesen sei. Argumente dafür kommen z. B. aus der Mikrobiologie, mathematischen Logik oder Linguistik.

Die wissenschaftlichen Vertreter des intelligent Designs sind ein Anziehungspunkt für andere Kreationisten und werden von diesen oft für eine religiöse Agenda missbraucht, die sie selbst nicht vertreten. Auf der andern Seite werden sie von Seiten der etablierten Wissenschaft oft pauschal als fundamentalistische Kreationisten abgestempelt. Einer der bekanntesten Vertreter des Intelligent Design ist der Biochemiker Michael J. Behe, Autor von Darwin's Black Box.

Neben der rein wissenschaftlichen Diskussion, ob die Entwicklung eines bestimmten Systems wirklich auf einen Designer angewiesen sei, wird auch grundsätzlich kritisiert, dass der "Designer" eine Art Lückenbüßerrolle einnehme. Nicht erklärbare Phänomene auf eine (übermächtige) Intelligenz zurückzuführen, sei nicht Ziel und Inhalt einer wissenschaftlichen Theorie. Weiterhin sei die Theorie aufgrund der Transzendenz (Außerweltlichkeit) des Designers nicht verifizierbar.

Junge-Erde-Kreationisten

Eine dritte Gruppe sind die Kurzzeitkreationisten. Unter ihnen finden sich in erster Linie (aber nicht nur) evangelikale und fundamentalistische christliche Wissenschaftler, die eine wörtliche Bibelauslegung als heilsnotwendig ansehen. Sie interpretieren den Schöpfungsbericht in der Bibel als Tatsachenschilderung und formulieren daraus ein Gegenmodell zu Evolutionstheorie, Urknalltheorie, etc. für das sie wissenschaftliche Bestätigungen erarbeiten.

Dabei werden Fakten wie Fossilienfunde und biologische oder morphologische Verwandtschaften nicht bestritten, aber in andere Zusammenhänge gebracht und anders interpretiert, als das in der Schulwissenschaft üblich ist. Diese Gruppe stellt viele gängige Thesen in Biologie und Geologie in Frage, und weist auf einige Schwachstellen der heutigen wissenschaftlichen Modelle hin (die in vielen Fällen auch von ihren Anhängern nicht bestritten werden). Es liegt in der Natur der Sache, dass es massive Kontroversen zwischen diese Gruppe und Vertretern der Evolutionstheorie gibt, zumal es sich nicht nur um die unterschiedliche Interpretation von Fakten geht, sondern auch um darunterliegende entgegengesetzte philosophische Weltanschauungen.

In Deutschland gehört die Studiengemeinschaft Wort und Wissen zu den bekanntesten Vertretern dieser Gruppe.

Fossilien und Makroevolution

Kreationisten weisen immer wieder darauf hin, dass es trotz der großen Variationen von verschiedenen Gruppen keinen Fund gebe, der die Überbrückung zwischen ihnen fülle. Dabei werden Funde teilweise so eingeordnet, dass sie keine Übergangsformen (Missing Links) mehr darstellen können (Archäopteryx), teilweise auch einfach ignoriert (Rahonavis). Eine Theorie zu dem Umstand, dass gewisse Übergangsformen fehlen, bietet das punctuated equilibrium-Modell, das die Evolution nicht als graduell, sondern als sprunghaft, mit Phasen der Stasis beschreibt.

Vergleichstabelle

Naturalistische Evolution

Theistische Evolution

Intelligent Design

Alte-Erde Kreationismus

Junge-Erde Kreationismus

keine verbindliche Weltanschauung

Deismus / Theismus

Theismus

Theismus

Theismus

Carl Sagan
Albert Einstein

C. S Lewis
Howard Van Till
Katholische Kirche

Michael Behe, William Dembski

Robert C. Newman,
Hugh Ross

Studiengemeinschaft Wort und Wissen,
Werner Gitt

Keine Wunder notwendig

Ein bis drei Wunder (Universum, Leben, Seele)

Wunder, da manche biologischen Fakten nicht anders erklärbar

Viele Wunder

Viele Wunder

Evolution, Abiogenese

Makroevolution aber mit Schöpfungsbeginn.

verschiedene Meinungen

Mikroevolution aber keine Makroevolution

Mikroevolution aber keine Makroevolution

Kosmos ist Milliarden Jahre alt

Kosmos ist Milliarden Jahre alt

keine offizielle Aussage

Kosmos ist Milliarden Jahre alt

Erde (und gewöhnlich auch Kosmos) Tausende von Jahren alt

Menschen haben sich aus nichtmenschlichem Leben entwickelt.

Menschen haben sich aus nichtmenschlichem Leben entwickelt; Seele möglicherweise geschaffen

Abstammungslehre von einzelnen Vertretern anerkannt, irreduzible Strukturen benötigen intelligenten Designer

Menschen mit Körper und Seele als besondere Wesen erschaffen. Separate Schöpfung aller "Arten"

Menschen mit Körper und Seele als besondere Wesen erschaffen. Separate Schöpfung aller "Arten"

Weder Adam noch Eva

Möglicherweise weder Adam noch Eva

keine offizielle Aussage

Adam und Eva waren die ersten Menschen

Adam und Eva waren die ersten Menschen

Genesis ist ein Mythos und für die Beurteilung der Wirklichkeit irrelevant.

Genesis vermittelt als Mythos geistliche Wahrheit

keine offizielle Stellungnahme

Genesis ist eine historische Erzählung die teilweise symbolische Sprache verwendet.

Genesis ist eine historische Erzählung die wörtlich genommen werden muss.

Theologie ist in Hinblick auf von der Wissenschaft beschriebene Wirklichkeit irrelevant

Wissenschaft befasst sich mit physikalischer Wirklichkeit, Theologie mit geistlicher Wirklichkeit.

Wissenschaft darf nicht selbst durch Ausschluss nicht-wissenschaftlicher Erklärungen zur Religion werden, Kritik am methodologischen Naturalismus

Im Konfliktfall zwischen Wissenschaft und dem unfehlbaren Wort der Bibel muss sich die Wissenschaft unterordnen.

Im Konfliktfall zwischen Wissenschaft und dem unfehlbaren Wort der Bibel muss sich die Wissenschaft unterordnen.

Kontroversen

Der Kreationismus hat sich insbesondere in den USA politisch engagiert. Die christliche Schöpfungslehre soll dort nach Ansicht von Kreationisten gleichberechtigt zu naturwissenschaftlichen Lehren wie Urknalltheorie und Evolutionstheorie im Schulunterricht behandelt werden. Jedoch auch in Europa hat sich seit einigen Jahren eine erneute Kreationistendebatte etabliert, hier sind es vor allem junge Muslime oder muslimische Organisationen, mit Augenmerk auf Bildung, welche die Evolution in Frage stellen, wobei sich die Argumentation allerdings nicht von der christlichen unterscheidet.


siehe auch

Evolutionstheorie und Schöpfungsglaube; Pierre Teilhard de Chardin

Literatur