Magnetorheologische Flüssigkeit
Als magnetorheologische Flüssigkeit (MRF) bezeichnet man eine Suspension von kleinen magnetisch polarisierbaren Partikeln (Carbonyleisenpulver), die in einer Trägerflüssigkeit fein verteilt sind.
Im Gegensatz zu Ferrofluiden sind die Partikel bei magnetorheologischen Flüssigkeiten um ca. ein bis drei Zehnerpotenzen größer als die der Ferrofluide, so dass sich die MRF beim Anlegen eines Magnetfeldes verfestigt.




Wirkt ein Magnetfeld auf die Flüssigkeit, so werden die Partikel polarisiert und bilden Ketten in Richtung der Feldlinien. Durch die Ausrichtung der Partikel wird die Suspension mit steigender Feldstärke dickflüssiger. Somit kann eine MRF in einem Magnetfeld drastisch, schnell und reversibel verändert werden. Um negative Eigenschaften wie Abrasion, Sedimentation und Alterung zu vermeiden, sind die Partikel mit einer polymeren Oberflächenbeschichtung stabilisiert.
Magnetorheologische Flüssigkeiten sind bereits seit den 1940er Jahren bekannt. Erst in den letzten Jahren konnten Probleme wie Sedimentation, Abrasion und Alterung durch spezielle Additive gelöst werden, so dass der Einsatz bei Serienprodukten nun möglich ist.
Eigenschaften
Bestandteile
Verwendet werden in magnetorheologischen Flüssigkeiten kugelförmige Partikel mit einem Durchmesser von 1 bis 10 Mikrometer und einem hohen Reinheitsgrad (Carbonyleisen > 99 Prozent). Die Partikel sollen ungiftig sein und ausgezeichnete elektromagnetische und mechanische Eigenschaften aufweisen. Als Trägerflüssigkeiten werden Mineralöl und synthetische Öle, Glykol und Wasser eingesetzt. Als Hilfsstoffe werden Additive wie Stabilisatoren und Viskositätsverbesserer beigesetzt.
Zusammensetzung und Viskosität
Der Anteil des Eisenpulver beträgt 70–90 % des Gewichts und 20–40 % des Volumens. Die Flüssigkeit hat eine dunkelgraue Färbung, ihre Dichte liegt bei ungefähr zwischen 2,2 und 4 g·cm-3. Die Viskosität der Flüssigkeit beträgt 0,07 Pa·s bis 14 Pa·s bei einer Schergeschwindigkeit von 10 s-1. Bei Temperaturänderungen ändert sich die Viskosität der MRF abhängig von der Basisflüssigkeit. Im anliegenden Magnetfeld überwiegt der magnetorheologische Effekt. Viskositätsänderungen erfolgen innerhalb von einigen Millisekunden. Die Einsatztemperatur liegt zwischen -40 °C bis 150 °C.
Magnetische und mechanische Eigenschaften
Die Schubspannung verhält sich im magnetfeldfreien Raum wie ein newtonsches Fluid und im Magnetfeld wie ein Bingham-Fluid.
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BH-Kurve einer typischen magnetorheologischen Flüssigkeit.
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Schubspannung über B-Feld einer typischen magnetorheologischen Flüssigkeit.
Alle Werte sind abhängig vom Mischungsverhältnis und der Trägerflüssigkeit.
Anwendungsgebiete
- Automotive: Fahrwerks-Stoßdämpfer (beispielsweise Audi TT, R8, Chevrolet Corvette, Ferrari 599 GTB), Dämpfer in Sitzen, Motorlager (beispielsweise bei Porsche) und Allradantrieb-Kupplungen
- Bauwesen: als Dämpfer in Brücken und Hochhäusern
- Technische Optik: zur Bearbeitung von Oberflächen mittels magnetorheologischem Polieren
- Medizintechnik: Prothesen
- Haushaltsgeräte: Waschmaschine mit MRF-Dämpfer (beispielsweise Zaboon von Toshiba) zur Reduktion der Waschzeit, für mehr Waschkraft, weniger Vibrationen, geringere Geräuschentwicklung und einen kompakten, einfachen Aufbau.
Siehe auch
Weblinks
- Dissertation Florian Zschunke: Aktoren auf Basis des magnetorheologischen Effekts (PDF 6 MB)
- Patentschrift: Oxidationsbeständige magnetorheologische Flüssigkeit der General Motors Corp. bei PatentDe
- Erstes Großserienprodukt außerhalb der Automobilindustrie auf dem Markt: Toshiba Waschmaschine mit MRF-Damper (Zaboon) – seit Oktober 2010 in Japan erhältlich
- Motorlager: Dynamisches Motorlager von Porsche für die Modelle 911 Turbo und 911 GT3