Benutzer:Frank Winkelmann/Spielwiese
Kalmenhof
Der Kalmenhof ist eine sozialpädagogische Einrichtung in Idstein in Hessen. Die Anlagen des Kalmenhofs (früher auch Calmenhof, Idiotenanstalt Idstein oder auch calmischer Hof) stehen teilweise unter Denkmalschutz. Er wird heute von der Vitos Kalmenhof gemeinnützige GmbH, einer Gesellschaft des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen.[1]
Lage
Geschichte
Vor der Einrichtung der Heilanstalt
Ursprüngliches Kernstück und auch Namensgeber für den Kalmenhof war der Stockheimer Hof. Dieser wurde 1350 gegründet. Die Errichtung der bestehenden Gebäude erfolgte 1599 durch die Herren von Stockheim, Burgmannen der Grafen von Nassau.
Das Anwesen an sich erhielt den Namen Kalmenhof nach Johann Henrich von Kalm († 1776) benannt, der es 1768 erwarb.
Gründung der Idiotenanstalt Idstein
1888 erfolgte die Gründung einer Heil- und Pflegeanstalt zur Betreuung lernschwacher und behinderter Kinder durch den überwiegend aus Frankfurter Bürgern bestehenden „Verein für die Idiotenanstalt Idstein" und Ankauf des alten Gutbesitzes Calmenhof.
Die Gründer
Hauptinitiatoren waren der evangelische Pfarrer Rudolph Ehlers, der jüdische Bankier Charles Hallgarten und der Frankfurter Stadtrat Karl Flesch. Gemein war allen dreien Ihr soziales Engagement. Ehlers selbst hatte eine geistig behinderte Tochter
Neben diesen Hauptinitiatoren waren der Industrielle Hermann Sonnenberg, der Firmeninhaber Carl Bolongaro, Dr. med August Lotz, einem ehemaligen Assistenten von Heinrich Hoffmann, Landesdirektor Otto Sartorius, dem einzigen Nichtfrankfurter und der Frankfurter Polizeipräsident August von Hergenhahn. Letzterer wird auch auf dem Relief der Gründer benannt.
Die Gründung des Vereins erfolgte am 30. April 1888
Die 1923 Heilerziehungsanstalt Calmenhof zu Idstein im Taunus benannte Einrichtung beherbergte zunächst zwischen 250 und 300 Zöglinge, etwa die Hälfte davon als Schüler in der zugehörigen Sonderschule. Nach 1930 nahm die Heimbelegung stark zu. An die nahezu 1000 Opfer der „Euthanasie" des 3. Reiches in den Jahren zwischen 1933 und 1945 erinnert ein Mahnmal auf dem Veitenmühlenberg. Seit 1953 ist der Landeswohlfahrtsverband Hessen Träger des Heimes und der Schule. Das als Lehrlingsheim bezeichnete Hauptgebäude wurde 1929, das benachbarte ehemalige Wäscherei- und jetzige Werkstattgebäude 1930 durch den Architekten Ludwig Minner aus Wiesbaden geplant.
1914 bis 1918 Der erste Weltkrieg
Durch Einberufungen in den Kriegsdienst verliert der Kalmenhof Mitarbeiter. Verschärft wird die Personalnot dadurch, dass zwei in Südafrika geborene Mitarbeiter aufgrund Ihrer britischen Staatsbürgerschaft als Staatsfeinde gelten und verhaftet werden. Kaum hat man die Behörden davon überzeugt, dass diese Mitarbeiter aufgrund Ihrer frühen Übersiedlung nach Deutschland im Herzen Deutsche sind und so deren Einbürgerung erwirkt, werden auch diese zum Militär einberufen. Entsprechend stehen diese nicht für die Anstalt zur Verfügung. Problematisch ist die Versorgungslage in dieser Zeit. Während die Einnahmen des Kalmenhofs stagnieren, verdoppeln sich in den Jahren die Ausgaben für die Nahrungsmittelversorgung. Entsprechend leiden einige Zöglinge an Mangelernährung.
1933 Übernahme durch den Nationalsozialismus
Bereits am 4. April 1933 wurde der bisherige Direktor Spornhauer nach Augenzeugenberichten gewaltsam durch einen SS-Trupp aus dem Amt enthoben. Von der NSDAP Hessen-Nassau-Süd wird komissarisch der neue Direktor Müller eingesetzt. Der Verwaltungsrat versucht sich der Übernahme durch den Nationalsozialismus zu widersetzen. Der Widerstand ist allerdings Anfang August 1933 gebrochen, als der Verwaltungsrat am 1.August 1933 geschlossen das Amt niederlegt.
1939 bis 1945 Der Kalmenhof im zweiten Weltkrieg
1939 wurde im Kalmenhof ein Lazarett der Wehrmacht eingerichtet. Der Kalmenhof wurde verpflichtet, dieses Lazarett mit Unterkunft, Wäsche und Verpflegung zu versorgen. 1940 wird dieses Lazarett wieder geschlossen und eine etwa 600 Mann starke Nachrichteneinheit der Wehrmacht im Kalmenhof stationiert. Auch diese Einheit muss durch den Kalmenhof unterhalten werden. 1941 folgt wiederum die Einrichtung eines Lazaretts, welches bis zum Kriegsende besteht und bis zu 1.300 Betten umfasst. In dieser Zeit sind alle Gebäude bis auf das externe Altenheim unter Nutzung durch die Wehrmacht. Alle zu diesem Zeitpunkt rund 350 Zöglinge sind mit der Bewirtschaftung der Anlage beschäftigt. Die pädagogische Arbeit fand nahezu nicht mehr statt. Aufgrund der zu diesem Zeitpunkt unüberschaubaren Verhältnisse tritt der immer noch komissarische Leiter des Kalmenhofs Müller 1941 von seinem Amt zurück und meldet sich „zur Verwendung im Osten“. Sein Amt übernimmt der bis dahin als Bürovorsteher und Buchhalter tätige Wilhelm Grossmann.
1945 bis 1948 Lazarett und Flüchtlingslager
Mit dem Einmarsch der Amerikaner am 28.3.1945 in Idstein stand der Kalmenhof unter Leitung der Besatzer. Nach wie vor wurde das Lazarett betrieben, welches verwundete Soldaten versorgte. Dieses Lazarett wurde im Laufe des Jahres 1946 geschlossen. Zudem waren im Kalmenhof Evakuierte aus den luftkriegsgeschädigten Städten, wie Darmstadt und Frankfurt untergebracht. Darüber hinaus wurden ab Dezember 1945 Heimatvertriebene und Flüchtlinge aus den Ostgebieten im Kalmenhof einquartiert. Die Raumsituation war in dieser Zeit sehr beschränkt. Schlimmer war aber noch die Versorgungslage mit Lebensmitteln und Brennstoff. Besonders im Hungerwinter 1946/47 war man gezwungen, Möbel und Inneneinrichtung zu verbrennen, um dem Erfrieren zu entgehen.
Gegenwart
Seit 2009 firmiert der Kalmenhof unter Vitos Kalmenhof gemeinnützige GmbH[2]. In der Gärtnerei in der Grunerstraße arbeiten derzeit 38 Menschen mit geistiger Behinderung. [3]
Vergangenheitsbewältigung
Einzelne Gebäude des Geländes
Stockheimer Hof (Obergasse 31)
Das stattliche, unter Denkmalschutz stehende Gebäude steht in der Tradition der schon Mitte des 16. Jh. durch die Familie von Stockheim erbauten Herrenhäuser in Eltville und Geisenheim, deren Grundtypus hier beibehalten wird. Insbesondere bei der Disposition von Treppenturm, Eingang und giebelseitigem Erker bzw. Vorbau besteht Übereinstimmung. Mit dem Haus in Geisenheim ist der dreigeschossige Hauptbau mit Krüppelwalmdach gemeinsam. Auf massivem Unterbau stehen zwei Fachwerkgeschosse. Zierformen finden sich nur im zweiten Obergeschoss und im Giebelfeld. Ein halbrunder, höhergemauerter Treppenturm mit einem Fachwerkgeschoss und Haubendach zeichnet sich deutlich ab. Über dem unteren Fenster des Erkervorbaues sind die Wappen von Stockheim und von Hattstein zu finden (Johann Friedrich von Stockheim heiratete 1591 Catharina von Hattstein, Tochter des Henn Hattstein in Camberg und der Elisabeth Weißin von Fauerbach). Hier belegt sich ebenso das Baudjahr 1599.
Heutzutage gehört der Stockheimer Hof nicht mehr zur Anstalt Kalmenhof. Durch die heutigen Nutzer wird auf Hinweisschildern der Namen Stockheimer Hof wieder dargestellt.
Haupt- und Werkstattgebäude (Veitenmühlenweg 10/Grunerstr. 2)
Es handelt sich hierbei um das Haupt- und Werkstattgebäude des sozialpädagogischen Zentrums, welches unter Denkmalschutz steht. Der auf einem Winkelgrundriss angelegte Hauptbau vereinigt expressionistische Moderne mit heimatbezogen-traditioneller Architektur. Die beiden Flügel mit Spitztonnendächern - die Parkfassade mit Spitzbogenarkade, die Straßenwand geschlossen, mit Schweifgiebelgauben und Verschieferung - treffen sich in der für Eingang und Treppenhaus genutzten, turmartig überhöhten Ecke. Konisch nach oben erweiterte Massivstützen des Vorbaues wiederholen sich im Inneren als Backsteinpfeiler, im Obergeschoss eingebunden in eine Wandverblendung desselben Materials. Weitere erhaltene Details sind Treppengitter und Balkongeländer aus Stahl. Das Werkstattgebäude, durch eine Verbindungsbrücke an den Hauptbau angeschlossen, zeigt mit Fensterbändern und sachlicher Hallenkonstruktion eine zeitgenössisch-moderne Formensprache. Die Schieferverkleidung stellt den optischen Bezug zum Wohngebäude her.
Mahnmal auf dem Veitenmühlenberg
Trivia
- Das Idsteiner Original Harry von de Gass war lange Jahre Bewohner des Kalmenhofs.
- Der Dokumentarfilm Die Unwertigen (Regie: Renate Günther-Greene) wurde teilweise im Kalmenhof gedreht.[4]
Literatur
- Der Kalmenhof damals und heute – Hinweise zur Ausstellung im Kalmenhof herausgegeben 1999 vom Landeswohlfahrtsverband Hessen
- Die Idee der Bildbarkeit – 100 Jahre sozialpädagogische Praxis in der Heilerziehungsanstalt Kalmenhof von Christian Schrapper, Dieter Sengling (Hrsg.), Juventa Verlag, Weinheim und München 1988
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Namensänderung: das Sozialpädagogische Zentrum Kalmenhof heißt ab sofort Vitos Kalmenhof gemeinnützige GmbH, Pressemitteilung vom 26. Mai 2009
- ↑ Namensänderung: das Sozialpädagogische Zentrum Kalmenhof heißt ab sofort Vitos Kalmenhof gemeinnützige GmbH, Pressemitteilung vom 26. Mai 2009
- ↑ Einsatz für den Kalmenhof - Idsteiner Zeitung vom 15.07.2010
- ↑ Dokumentation des Grauens - Idsteiner Zeitung vom 16.06.2010