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Störe

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Störe

Atlantischer Stör (Acipenser oxyrinchus)

Systematik
Reihe: Knochenfische (Osteichthyes)
Klasse: Strahlenflosser (Actinopterygii)
Actinopteri
Unterklasse: Knorpelganoide (Chondrostei)
Ordnung: Störartige (Acipenseriformes)
Familie: Störe
Wissenschaftlicher Name
Acipenseridae
Bonaparte, 1831

Die Störe (Acipenseridae) sind eine Familie großer, teilweise auch sehr großer, primitiver Knochenfische. Sie haben ein holarktische Verbreitung und leben in Europa, Nord- und Zentralasien und Nordamerika. Primär sind sie Meeresfische, die als anadrome Wanderfische zum Laichen in Süßgewässer aufsteigen. Die nordamerikanischen Schaufelstöre (Gattung Scaphirhynchus) und einige Populationen anderer Störarten, z. B. beim Sterlet (Acipenser ruthenus) und beim nordamerikanischen See-Stör (Acipenser fulvescens) [1] bleiben ständig im Süßwasser.

Verbreitung

Störe leben ausschließlich auf der Nordhalbkugel der Erde. Die Störe der Unterfamilie Acipenserinae kommen in der Alten Welt in Europa (nicht in Italien unterhalb der Poebene, aber in der Adria), in den in das Schwarze Meer entwässernden Flüssen der Türkei, im Schwarzen, Asowschen und Kaspischen Meer, im angrenzenden Teil des Iran, in Westsibirien und dem nördlichen Ostsibirien (unteres Stromgebiet der Lena), im Stromgebiet des Amur, auf Sachalin und Hokkaido, in Korea und in den chinesischen Flüssen Jangtsekiang und Perlfluss vor.

In Nordamerika kommen sie östlich der Appalachen in den Großen Seen, im Sankt-Lorenz-Strom, in der Hudson Bay, in den Flüssen des pazifischen Nordamerika (westlich der Rocky Mountains) von den Aleuten über Alaska bis Kalifornien vor.

Außerdem besiedeln sie küstennah die angrenzenden Meere, darunter auch die Nord- und Ostsee, die Biskaya, das Weiße, Ochotskische und Japanische Meer und die Beringsee.

Die Schaufelstöre der Gattung Scaphirhynchus kommen ausschließlich im Süßwasser, in Flüssen im Einzugsgebiet des Mississippi und im Rio Grande vor, ihre Verwandten aus der Gattung Pseudoscaphirhynchus sind auf die Flüsse Amudarja und Syrdarja in Zentralasien beschränkt.

Körpermerkmale

Die meisten Störe werden zwischen einen und drei Meter lang, die kleinste Art, der Kleine Amu-Darja-Schaufelstör (Pseudoscaphirhynchus hermanni) erreicht eine Länge von 27,5 cm[2], die größten, der Europäische und Sibirische Hausen (Huso huso und Huso dauricus) werden maximal über fünf Meter lang und dabei zwischen einer und zwei Tonnen schwer [3][4]. Sie sind damit die größten auch in Süßgewässern vorkommenden Fische.

Russischer Stör mit deutlichsichtbaren Knochenplatten

Der schwere, langgestreckte Körper und ist mit fünf Längsreihen von stacheligen Knochenplatten (Scuti) gepanzert, eine erstreckt sich entlang der Mittellinie des Rückens, zwei entlang der Seitenlinie und zwei an den äußeren Bauchseiten. Da die Knochenplatten entlang der Körperkanten liegen, ergibt sich ein fünfeckiger Querschnitt. Die Knochenplatten der Jungfische sind scharf, bei den älteren glatter. Bei einigen Arten können sie mit fortschreitendem Alter teilweise verschwinden. Bei Scaphirhynchus bilden sie einen geschlossenen Panzer um den Schwanzflossenstiel. Die restliche Haut ist nackt und körnig, mit kleinen Dentikeln oder Papillen bedeckt. Lediglich der muskuläre Stiel des oberen Schwanzflossenlobus ist mit schräg angeordneten Ganoidschuppen bedeckt.

Das Knochenskelett wurde sekundär zu einem Knorpelskelett reduziert. Eine Chorda dorsalis bleibt lebenslang erhalten, Wirbel bilden sich nicht. Störe sind deutlich schwerer als Süßwasser, die von einer dicken kollagenfaserreichen Wand umgebene Schwimmblase ist daher sehr groß. Wie bei allen Actinopteri ist sie dorsal mit dem Vorderdarm verbunden. Bei den Weibchen können die Ovarien bis zu 20% des Gesamtgewichts ausmachen. Sie liefern den berühmten Kaviar. Die asymmetrische, mehr oder weniger gegabelte Schwanzflosse ist heterocerk (Das Ende der Wirbelsäule biegt sich nach oben und stützt den oberen, größeren und fleischigen Teil der Schwanzflosse). Eine einzelne Rückenflosse liegt weit hinten, vor dem Schwanzflossenstiel. Die Brustflossenbasis setzt niedrig an, die Bauchflossen befinden sich hinter der Körpermitte. Ein stachelartiger, erster Brustflossenstrahl, der bei einigen Arten verknöchert ist, und mit einem gefensterten Brustflossen-Propterygium artikuliert, besteht möglicherweise aus zusammengewachsenen Flossenstrahlen. Die übrigen Flossenstrahlen sind fein gegliedert und viel zahlreicher als die sie stützenden Flossenträger (Pterygophoren).

Störe sind variabel gefärbt, meist hell- bis dunkelbraun, auch fast schwarz oder schiefergrau bis blauschwarz.

Kopf und Schädel

Der Kopf endet in einem harten verlängerten Rostrum, das konisch oder spatenförmig und oft etwas nach oben gebogen ist. Einige Arten stochern damit zur Futtersuche im Bodengrund. Die Kiefer der ausgewachsenen Tiere sind zahnlos. Nur rudimentäre Gaumenzähne sind noch vorhanden. Das unterständige Maul ist von fleischigen Lippen umgeben, gut vorstülpbar (protractil) und mit einer vor dem Maul liegenden Querreihe von vier Barteln ausgestattet. Ein Spritzloch ist bei der Unterfamilie Acipenserinae vorhanden, bei den Schaufelstören (Scaphirhynchinae) nicht. Störe haben weniger als 50 Kiemenreusenstrahlen. Branchiostegalstrahlen fehlen.

Kopf von Acipenser medirostris mit deutlich sichtbarem Dermatocranium

Der Kiemendeckel wird nur von einem starken Suboperculum gebildet, das Präoperculum ist nur rudimentär vorhanden, Interoperculum und Operculum fehlen. Die Kiemenmembranen sind am Isthmus zusammengewachsen.

Der Kopf ist mit einer großen Zahl von Knochenplatten, dem Dermatocranium gepanzert. Die hinterste dieser Knochenplatten, die unpaare Postoccipitale ist gleichzeitig die erste Platte der Knochenplattenreihe auf dem Rücken. Auf dem Kopf folgen, von hinten nach vorne, die unpaare Dermosupraoccipitale, die paarigen Knochenplatten Supratemporale (manchmal mehrere auf jeder Kopfseite), Parietale, Squamosum, Frontalia und Postfrontalia. Zwischen den Frontalknochen befinden sich noch einige mittlere Knochenplatten (Medialia). Auf dem Rostrum befinden sich zahlreiche kleinere Knochenplatten (Rostralia), deren Anzahl sehr unterschiedlich ist.[5]

Karyotyp

Der Karyotyp der Störe gehört zu den kompliziertesten aller Wirbeltiere. Eine sehr große Zahl von Chromosomen sind vorhanden, die Hälfte davon sind Mikrochromosomen. Nach der Anzahl der Chromosomen lassen sich die Störe in zwei Gruppen unterteilen, diejenigen mit 120 Chromosomen, die wahrscheinlich diploid sind und die mit 240 Chromosomen, für die Tetraploidie angenommen wird.[6]

Lebensweise

Störe leben auf dem Gewässergrund und ernähren sich vor allem von kleinen, bodenbewohnenden Organismen (Würmer, Krebstiere, Weichtiere, Insektenlarven), einige Arten auch von räuberisch von größerer Beute wie Fischen. Sie sind langsame Dauerschwimmer, die mit ihren tragflächenartigen Brustflossen, ähnlich wie Haie, Auftrieb erzeugen. Störe sind sehr langlebig. Für den Hausen liegt das maximale veröffentlichte Alter bei 118 Jahren [3]. Ihre Geschlechtsreife erreichen sie spät, nach einigen Jahren, und laichen viel Male während ihres Lebens. Die Fortpflanzungszeit liegt im Frühjahr und im Sommer. Alle Störe vermehren sich im Süßwasser. Sie laichen in fließenden Gewässern mit Kies- oder Steinboden. Die Froschlaichähnlichen, klebrigen Eier sinken nach dem Ablaichen auf den Gewässerboden. Die Jungfische schlüpfen schon nach wenigen Tagen, verbringen einige Jahre im Süßwasser und wandern dann allmählich ins küstennahe Meer ab.

Äußere Systematik

Die Familie der Störe gehört, als Schwestergruppe der nur zwei Arten umfassenden Familie der Löffelstöre (Polyodontidae), zu Ordnung der Störartigen (Acipenseriformes). Diese bilden mit einer Reihe ausgestorbener Fischgruppen die Unterklasse der Knorpelganoiden (Chondrostei) innerhalb der Klasse der Strahlenflosser (Actinopterygii). Die systematische Stellung verdeutlicht folgendes Kladogramm:

  Strahlenflosser  

 Cladista (Flössler (Polypteriformes) und ausgestorbene Formen)


  Actinopteri  
  Knorpelganoide  

 ausgestorbene


   

 Gruppen


   

 der Knorpelganoiden


  Störartige  

 Löffelstöre (Polyodontidae)


   

 Störe (Acipenseridae)



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 Neuflosser (Neopterygii) (alle moderneren Knochenfische)




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Innere Systematik

Die Familie der Störe wird in zwei Unterfamilien mit je zwei Gattungen unterteilt. Die Gattung Huso in die zwei besonders großwüchsige und piscivore (fischfressende) Arten zusammengefasst werden ist aber möglicherweise polyphyletisch. Sowohl molekular- als auch zytogenetische Untersuchungen ergeben, das die beiden Arten als Acipenser huso und Acipenser dauricus in die Gattung Acipenser eingeordnet werden sollten. [7] Insgesamt umfasst die Familie 26 rezente Arten.

Kurznasen-Stör
See-Stör
Europäischer Stör
Hausen, Jungfisch beim Verschlingen eines Beutefischs
Datei:Pallid.jpg
Scaphirhynchus albus

Fossilbericht

Peipiaosteus-Fossil im Hong Kong Science Museum

Neben den rezenten Gattungen ist mit Protoscaphirhynchus auch eine ausgestorbene Gattung aus der Oberkreide von Montana bekannt. Weitere fossile Störe, teilweise schon aus dem Jura wurden in eigenständigen Familien eingeordnet (Peipiaosteidae, Chondrosteidae). Die Chondrosteidae sind die primitivere fossile Schwestergruppe der Acipenseridae [8] oder die Schwestergruppe aller rezenten Störartigen [9].

Nutzung und Gefährdung

Stör im Angebot auf einem Markt in Türkmenbaşy (Turkmenistan).

Störe werden wegen des Kaviars und ihres wohlschmeckenden Fleisches wegen befischt. Aus der Schwimmblase kann Fischleim gewonnen werden [10]. Fast alle Arten sind in ihrem Bestand gefährdet[11]. Die meisten Störe werden im Kaspischen Meer gefangen, in weitem Abstand gefolgt vom Asowschen Meer, dem Schwarzen Meer und allen anderen Fanggebieten. Einige Störe werden inzwischen in Aquakulturen gehalten, darunter der Sibirische Stör [12] und der Bester, ein raschwüchsiger Hybride von Sterlet und Hausen [13].

Quellen

Literatur

  • Joseph S. Nelson: Fishes of the World. John Wiley & Sons, 2006, ISBN 0-471-25031-7
  • Kurt Fiedler: Lehrbuch der Speziellen Zoologie, Band II, Teil 2: Fische. Gustav Fischer Verlag, Jena 1991, ISBN 3-334-00339-6
  • Juraj Holcik: The Freshwater Fishes of Europe, 9 Vols., Vol. 1/2 : General Introduction to Fishes, Acipenseridae. Aula-Verlag, Wiesbaden 1989, ISBN 3-891-04431-3
  • The living marine resources of the Western Central Atlantic. Volume 2: Bony fishes part 1 (Acipenseridae to Grammatidae). In: K.E. Carpenter (Hrsg.): FAO Species Identification Guide for Fishery Purposes and American Society of Ichthyologists and Herpetologists Special Publication. Band 5. FAO, Rom 2002, S. 670–671 (Volltext [PDF]).
  • Peter Bartsch: Actinopterygii, Strahl(en)flosser Seite 226-240 in Wilfried Westheide & Reinhard Rieger: Spezielle Zoologie Teil 2: Wirbel und Schädeltiere, 1. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg • Berlin, 2004, ISBN 3-8274-0307-3
  • Günther Sterba: Süsswasserfische der Welt. Urania-Verlag, 1990, ISBN 3-332-00109-4

Einzelnachweise

  1. Peter Bartsch (2004), Seite 235
  2. Fishbase Pseudoscaphirhynchus hermanni (Kessler, 1877)
  3. a b Fishbase Huso huso (Linnaeus, 1758)
  4. Fishbase Huso dauricus (Georgi, 1775)
  5. Sokolow & Berichevskii, S. 150 in Holcik (1989)
  6. Sokolow & Berichevskii, S. 151–152 in Holcik (1989)
  7. E. D. Vasil’eva, V. P. Vasil’ev, S. V. Shedko, G. V. Novomodny: The Revision of the Validity of Genus Huso (Acipenseridae) Based on Recent Morphological and Genetic Data with Particular Reference to the Kaluga H. dauricus. In: Journal of Ichthyology. Band 49, Nr. 10, 2009, S. 861–867 (febras.ru [PDF]).
  8. Nelson (2006) Seite 93.
  9. Michael J. Benton: Paläontologie der Wirbeltiere. Seite 187, 2007, ISBN 3-89937-072-4
  10. Sterba (1990), Seite 25.
  11. IUCN 2010. IUCN Red List of Threatened Species. Version 2010.4. Abfrage am 2 November 2010.
  12. FAO Fisheries and Aquaculture Department: Cultured Aquatic Species Information Programme Acipenser baerii
  13. W. E. Engelmann: Zootierhaltung - Tiere in menschlicher Obhut - Fische. Seite 237, Verlag Harri Deutsch, 1. Auflage, 2005, ISBN 3-8171-1352-8
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