Henning Mankell

Henning Mankell (Aussprache [ˌhɛnːiŋ ˈmaŋːkəl]; * 3. Februar 1948 in Stockholm, aufgewachsen in Sveg), ist ein schwedischer Theaterregisseur und Schriftsteller. Bekanntheit in Deutschland erlangte er vor allem durch seine Kriminalroman-Reihe mit dem Kommissar Kurt Wallander.
Leben
Henning Mankell wurde 1948 in Stockholm als Sohn von Ivar Henningsson Mankell und Ingrid Birgitta Mankell (geb. Bergström) geboren. Sein Großvater war der Komponist Henning Mankell. Als Mankell ein Jahr alt war, ließen sich seine Eltern scheiden. Er lebte danach zusammen mit seinem Vater und einer älteren Schwester, zuerst in Sveg in Härjedalen, wo sein Vater als Richter arbeitete und danach in Borås in Västergötland. Seine Mutter beging Selbstmord, als Mankell in den Zwanzigern war.
Schon als Junge wollte Mankell Schriftsteller werden, interessierte sich aber auch für das Theater, weshalb er in Skara ein Schauspielstudium aufnahm. Henning Mankell begann 1966 als Regieassistent am Riks-Theater in Stockholm seine Theaterlaufbahn. Mit dem Ziel, die „Gesellschaft zu demaskieren“, schrieb und inszenierte er bereits als 20-Jähriger selbständig Stücke in Collageform. Nachdem er eine norwegische Frau kennengelernt hatte, zog er nach Norwegen, wo er dann in den 1970er Jahren überwiegend arbeitete und wohnte. Hier begann er Anfang der 1970er Jahre auch Prosa zu verfassen. 1973 veröffentlichte er mit Bergsprängaren seinen ersten Roman.
Bis heute nehmen politische und gesellschaftliche Themen in seinen Büchern viel Raum ein. Viele dieser persönlichen Motive und Erfahrungen werden etwa in seinem 2008 erschienenen Kriminalroman Der Chinese verarbeitet. Seit den 1980er Jahren verlegte er seine Wirkungsstätte immer mehr nach Mosambik, dort beteiligte er sich am Aufbau eines Theaters. In seinem Roman Mörder ohne Gesicht schuf er die Figur des Kriminalkommissars Kurt Wallander. Seitdem hat er über den knorrigen Polizisten eine äußerst erfolgreiche Serie von Kriminalromanen veröffentlicht. Diese Romane stehen in der Tradition der von den Autoren Maj Sjöwall und Per Wahlöö verfassten Bücher über den Kriminalkommissar Martin Beck.
Mankell lebt abwechselnd in Schweden und in Maputo (Mosambik), wo er ein Theater leitet. Als Autor hat er mehrere Bücher veröffentlicht, die seine afrikanischen Erfahrungen verarbeiten.
Mankell hat deutsche Vorfahren. Er ist ein Ururenkel von Johann Hermann Mankel, der in Niederasphe, einem Ortsteil von Münchhausen im hessischen Landkreis Marburg-Biedenkopf, geboren wurde und später nach Schweden auswanderte. Er ist in dritter Ehe mit der zweiten Tochter von Ingmar Bergman verheiratet, der Theaterregisseurin Eva Bergman. Das von seinem Vater geerbte Hofgut in Sveg hat Mankell 2009 dem schwedischen Dramatikerverband vermacht.[1]
Politische Positionen
Mankell war in der schwedischen 68er-Bewegung politisch aktiv und beteiligte sich unter anderem an Protesten gegen den Vietnamkrieg, Portugals Kolonialkrieg in Afrika und gegen das Apartheidsregime in Südafrika.[2] Er war auch in der kulturpolitischen Vereinigung Folket i Bild/Kulturfront engagiert.[2] Während seiner Zeit in Norwegen kam Mankell in Kontakt mit der maoistischen Arbeidernes Kommunistparti und beteiligte sich aktiv, ohne jedoch Mitglied zu werden.[2]
Im Jahr 2009 war Mankell Gast einer palästinensischen literarischen Konferenz und bereiste die Palästinensischen Autonomiegebiete. Er behauptete im Anschluss daran, dass die Gründung Israels 1948 keine „völkerrechtlich legitime Handlung“ gewesen sei und man dort „eine Wiederholung des verächtlichen Apartheidsystems, das einst die Afrikaner und Farbige als Bürger zweiter Klasse in ihrem eigenen Land behandelte“ erlebe. Die israelischen Sperranlagen verglich Mankell mit der Berliner Mauer. Angesichts der Lebensumstände der Palästinenser sei es nicht verwunderlich, „dass sie sich entscheiden, sich in einen Selbstmordbomber zu verwandeln [...]. Verwunderlich ist nur, dass es nicht mehr tun.“ „Die Israelis“ würden „Leben vernichten“ und der Staat Israel in seiner jetzigen Form habe keine Zukunft, eine Zwei-Staaten-Lösung würde die „historische Besatzung“ nicht rückgängig machen. Antisemitismus habe Mankell während der Reise nicht erlebt, lediglich „normalen Hass auf die Besatzer.“[3]
Mankell wurde für diese Aussagen in Deutschland unter anderem von Henryk M. Broder kritisiert, der Mankells antiisraelische Äußerungen mit denen Jostein Gaarders aus dem Jahr 2006 verglich und ihm vorwarf, verschobene Maßstäbe anzulegen. Nicht einmal Regime wie die im Sudan, im Kongo oder im Iran würden Mankell so in Rage bringen wie Israel, dem er das Existenzrecht abspreche.[4] Andreas Breitenstein wirft Mankell in der Neuen Zürcher Zeitung vor, er betreibe „auf der Basis historischen Halbwissens einen selbstgefälligen linken Moralismus“.[5]
Im Mai 2010 nahm er an der Ship to Gaza 2010-Aktion des Free Gaza Movement teil, bei der mehrere Aktivisten getötet wurden.[6][7] Mankell blieb Berichten zufolge unverletzt.[8] Anschließend rief er zu globalen Sanktionen gegen Israel auf.[9]
Afrika
Schon als Kind träumte Mankell davon, den afrikanischen Kontinent zu bereisen. 1972, mit 24 erfüllte er sich diesen Wunsch, als er zum ersten Mal nach Sambia reiste und dort für zwei Jahre blieb. Er sagte es sei ein Gefühl gewesen wie "nach Hause kommen". Heute lebt Mankell abwechselnd in den Sommermonaten in Schweden und die meiste Zeit des Jahres in Mosambik, welches er inzwischen als seine erste Heimat versteht - er engagiert sich dort wie in Europa für Afrika. 1985 erhielt er die Einladung zum Aufbau einer professionellen Theatergruppe in Maputo. 1986 wurde Mankell der ehrenamtliche Intendant des 70-köpfigen „Teatro Avenida“, des einzigen professionellen und inzwischen sehr erfolgreichen Theaters in Mosambik, und er ist es bis heute - manchmal führt Mankell auch Regie.
Mankell drehte mit Regisseur Jens Monath den Film Mein Herz schlägt in Afrika als Zweiteiler für das ZDF, ausgestrahlt im Frühjahr 2009.[10] Der Film greift Motive aus seinem Buch Der Chronist der Winde (Original: Comédia infantil) auf, wie das Schicksal von Straßenkindern, der oft ausgestoßenen Albinos und junger Erwachsener, die von ihrer Vergangenheit als Kindersoldaten traumatisiert sind.[11]
2009 erhielt Mankell den Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis der Stadt Osnabrück „für sein Afrika-Werk“, Bundespräsident Horst Köhler [12] hielt die Laudatio, die unter dem Titel „Afrika ist voller Schmetterlinge“ stand.[13] Mit einem Teil des Preisgeldes unterstützt Mankell das Projekt von Christoph Schlingensief, in Afrika ein Festspielhaus zu bauen.[14]
Werke
Wallander

Kurt Wallander (Aussprache [ˌkɵʁt vaˈlanːdəʁ]) ist die fiktive Hauptfigur der meisten Kriminalromane von Henning Mankell. Er stellt die berühmteste literarische Schöpfung Mankells dar. Zahlreiche Romane der Wallander-Reihe wurden verfilmt, darunter einige mehrfach.
Weitere Romane
Chronologische Übersicht
Erscheinungsjahr | Originaltitel | Deutscher Titel | ISBN der deutschen Ausgabe | |
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Schweden | Deutschland | |||
1973 | 1998 | Bergsprängaren | ||
1974 | Sandmåleren | |||
1977 | Vettvillingen | |||
1979 | 1997 | Fångvårdskolonin som försvann | Das Gefangenenlager, das verschwand | ISBN 3-7891-4224-7 |
1980 | Dödsbrickan | |||
1981 | En seglares död | |||
1982 | 2009 | Daisy Sisters | Daisy Sisters | ISBN 978-3-552-05399-1 |
1983 | Apelsinträdet | |||
1983 | Älskade syster | |||
1984 | 1997 | Sagan om Isidor | ||
1990 | 2004 | Leopardens öga | Das Auge des Leoparden | ISBN 3-423-13424-0 |
1992 | 2000 | Katten som älskade regn | Ein Kater schwarz wie die Nacht | ISBN 3-423-70766-6 |
1995 | 2000 | Comédia infantil | Der Chronist der Winde | ISBN 3-423-12964-6 |
1995 | 1997 | Eldens hemlighet | Das Geheimnis des Feuers | ISBN 3-7891-4211-5 |
1998 | 2007 | Berättelse på tidens strand | Die flüsternden Seelen | ISBN 3-552-05335-2 |
1999 | I sand och i lera | |||
2000 | Labyrinten | |||
2000 | 2002 | Danslärarens återkomst | Die Rückkehr des Tanzlehrers | ISBN 3-423-20750-7 |
2000 | 2001 | Vindens son | Die rote Antilope | ISBN 3-423-13075-X |
2001 | 2001 | Eldens gata | Das Rätsel des Feuers | ISBN 3-7891-4231-X |
2001 | 2003 | Tea-Bag | Tea-Bag | ISBN 3-423-13326-0 |
2003 | 2004 | Jag dör, men minnet lever | Ich sterbe, aber die Erinnerung lebt | ISBN 3-423-13479-8 |
2004 | 2005 | Djup | Tiefe | ISBN 3-423-20978-X |
2005 | 2006 | Kennedys hjärna | Kennedys Hirn | ISBN 3-552-05347-6 |
2006 | 2007 | Italienska skor | Die italienischen Schuhe | ISBN 3-552-05415-4 |
2008 | 2008 | Kinesen | Der Chinese | ISBN 978-3-552-05436-3 |
Weitere Verfilmungen
Einige der Thriller Mankells außerhalb der berühmten "Wallander"-Reihe wurden von der ARD/Degeto in Koproduktion mit dem ORF und der schwedischen Firma Yellow Bird verfilmt. Die Mehrteiler wurden vornehmlich mit prominenter deutschsprachiger Besetzung als Event für das deutsche Fernsehen konzipiert.
- Die Rückkehr des Tanzlehrers, federführende Produktion Lisa Film, Wien, Regie Urs Egger, mit Tobias Moretti, Veronica Ferres, Maximilian Schell, 2004
- Kennedys Hirn, federführende Produktion Bavaria Pictures GmbH, München, Regie Urs Egger, mit Iris Berben, Heino Ferch, 2009
- Der Chinese, federführende Produktion Yellow Bird Pictures GmbH, Regie Peter Keglevic, mit Suzanne von Borsody, Michael Nyqvist, Claudia Michelsen, 2010
- Das Rätsel des Feuers
- Der Zorn des Feuers
Dramen
- Butterfly Blues
- Zeit im Dunkeln
- Antilopen
- Der gewissenlose Mörder Hasse Karlsson enthüllt die entsetzliche Wahrheit, wie die Frau über der Eisenbahnbrücke zu Tode gekommen ist
- Der Chronist der Winde
Kinderbücher
- Ein Kater schwarz wie die Nacht, 2000 (Schwedisch: Katten som älskade regn. 1992)
- Der Hund, der unterwegs zu einem Stern war, 1992 (Joel Band 1)
- Die Schatten wachsen in der Dämmerung, 1994 (Joel Band 2)
- Der Junge, der im Schnee schlief, 1998 (Joel Band 3)
- Die Reise ans Ende der Welt, 1998 (Joel Band 4)
Auszeichnungen
- 1991: Schwedischer Krimipreis (National) für Mördare utan ansikte (Mörder ohne Gesicht)
- 1992: Glasnyckel (Skandinavien) für Mördare utan ansikte (Mörder ohne Gesicht)
- 1993: Deutscher Jugendliteraturpreis für das Kinderbuch Der Hund, der unterwegs zu einem Stern war
- 1995: Schwedischer Krimipreis (National) für Villospår (Die falsche Fährte)
- 1996: Astrid-Lindgren-Preis
- 1998: Finnischer Krimipreis (International) für die "Kommissar-Wallander-Reihe"
- 2000: Prix Mystère de la critique für Villospår (Die falsche Fährte)
- 2001: Gold Dagger für: Sidetracked (Die falsche Fährte)
- 2005: Gumshoe Awards (Best European Crime Novel) für The Return of the Dancing Master (Die Rückkehr des Tanzlehrers)
- 2008: Goldene Feder für sein literarisches Werk
- 2008: Corine für sein Hörbuch Der Chinese
- 2008: Ripper Award Europäischer Preis für Kriminalliteratur
- 2009: Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis (Hauptpreis) für sein Afrika-Werk
Literatur
- Henning Heske: Die Globalisierung des Verbrechens. Über die Kriminalromane von Henning Mankell. In: ders. (Hrsg.): Fausts Phiole. Über Poesie und Wissenschaft. Bernstein-Verlag, Bonn 2006, ISBN 3-9809762-3-8.
- Rainer Sens: Dem Kommissar auf der Spur. Stein (Conrad), Welver 2003, ISBN 978-3-89392-532-2.
- Kevin Kutani: Gesellschaftskritik im schwedischen Kriminalroman am Beispiel von Henning Mankell. GRIN Verlag, München 2004, ISBN 978-3-640-26374-5 (Magisterarbeit an der Universität Lüneburg Fachbereich Angewandte Kulturwissenschaften).
Einzelnachweise
- ↑ Meldung auf n-tv
- ↑ a b c Lars Åke Augustsson, Stig Hansén: De svenska maoisterna. Lindelöw, Göteborg 2001, ISBN 91-88144-48-8, S. 162.
- ↑ Generaldelegation Palästinas 12. Juni 2009
- ↑ Es geht um Israel Welt Online, Henryk M. Broder, 19. September 2009
- ↑ Andreas Breitenstein: Ein blinder Passagier. Neue Zürcher Zeitung
- ↑ Starautor Mankell in israelischen Händen
- ↑ Aftonbladet: ”Vi har inte hört av honom”, abgerufen am 31. Mai 2010.
- ↑ Cecilia Uddén: Fem svenskar på fartygskonvojen mår bra In: Ekot, 31. Mai 2010
- ↑ Robert Booth: Gaza flotilla raid: 'We heard gunfire – then our ship turned into lake of blood' In: The Guardian, 2 June 2010
- ↑ ZDF Mein Herz schlägt in Afrika
- ↑ Alle kommen aus Afrika Wiesbadener Tagblatt, Viola Bolduan, 9. Dezember 2009
- ↑ Bundespräsident Köhler überreicht Friedenspreis an Henning Mankell Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg, 2009
- ↑ Afrika ist voller Schmetterlinge Bundesregierung, Laudatio von Bundespräsident Horst Köhler auf Henning Mankell zur Verleihung des Erich Maria Remarque-Friedenspreises am 18. September 2009 in Osnabrück
- ↑ Fürs Afrika-Projekt - Mankell spendet für Schlingensiefs Oper Berliner Zeitung, 21. September 2009
Weblinks
- Literatur von und über Henning Mankell im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Vorlage:IMDb Name
- Offizielle Webseite von Henning Mankell (englisch/schwedisch)
- Biographie in einem dtv-Special
- Ystads Kommun, Touristenbüro: Auf Wallanders Spuren. Ein Wegweiser über Ystad und Umgebung für alle Fans der Romanfigur Kurt Wallander. (PDF, 3 MB)
- Wallanders Ystad. Flash-Präsentationen von Ystads Allehanda
- Tobias Gohlis: Ein anständiger Mensch. ZEIT-Online vom 31. Januar 2008
Rezensionen
- krimi-couch.de zu seinen Krimis
- literature.de zu seinen Krimis und Afrika-Romanen
- perlentaucher.de zu seinen Krimis und Afrika-Romanen
- schwedenkrimi.de zu seinen Krimis
Interviews
- Henning Mankell: „Ich hatte einen Traum vom Ende der Menschheit“ (FAZ, 20. Oktober 2006)
- Henning Mankell: „Ich mag keine Serienkiller“ (kaindlstorfer.at, Abdruck: Tagesanzeiger, Zürich 15. März 2000)
- Henning Mankell: „Afrika hat mich zu einem besseren Europäer gemacht“ (www.zenithonline.de,13. April 2008)
Personendaten | |
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NAME | Mankell, Henning |
KURZBESCHREIBUNG | schwedischer Theaterregisseur und Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 3. Februar 1948 |
GEBURTSORT | Stockholm |