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Stefan Heym

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Stefan Heym (Pseudonym für Helmut Flieg, * 10. April 1913 in Chemnitz, † 16. Dezember 2001 in Israel) war ein deutscher Schriftsteller.

Helmut Flieg, der aus einer Chemnitzer jüdischen Kaufmannsfamilie stammte, engagierte sich früh als Antifaschist. 1931 wurde er auf Druck der örtlichen Nationalsozialisten wegen eines antimilitaristischen Gedichts vom Gymnasium seiner Heimatstadt verwiesen. Er legte seine Reifeprüfung an einer Schule in Berlin ab und begann dort ein Studium der Zeitungswissenschaften. Nach dem Reichstagsbrand floh er in die Tschechoslowakei, wo er den Namen Stefan Heym annahm.

1935 ging er mit dem Stipendium einer jüdischen Studentenverbindung in die Vereinigten Staaten, wo er sein Studium an der Universität von Chicago fortsetzte, das er 1936 mit einer Magisterarbeit über Heinrich Heine abschloss. Von 1937 bis 1939 war er in New York Chefredakteur der deutschsprachigen, der Kommunistischen Partei der Vereinigten Staaten nahestehenden Wochenzeitung "Deutsches Volksecho". Nachdem die Zeitung im November 1939 ihr Erscheinen eingestellt hatte, arbeitete Heym als freier Schriftsteller in englischer Sprache und erzielte gleich mit seinem ersten Roman "Hostages" 1942 einen Bestseller.

Ab 1943 nahm Heym, nunmehr amerikanischer Staatsbürger, am Zweiten Weltkrieg teil. Als Mitglied einer Einheit für psychologische Kriegsführung unter dem Kommando des Emigranten Hans Habe erlebte er 1944 die alliierte Invasion in der Normandie. Seine Aufgabe bestand vorwiegend im Verfassen von Texten, die per Flugblatt, Frontzeitung, durch Lautsprecherübertragungen und Rundfunksendungen die Soldaten der Wehrmacht beeinflussen sollten. Nach Kriegsende leitete Heym die Ruhrzeitung in Essen und war anschließend in München Redakteur der "Neuen Zeitung", einer der wichtigsten Zeitungen der amerikanischen Besatzungsmacht. Wegen seiner prosowjetischen Einstellung wurde Heym Ende 1945 in die USA zurückversetzt.

Heym verließ die Armee und arbeitete in den folgenden Jahren erneut als freier Schriftsteller. Im Jahre 1952 entzog er sich einer drohenden erneuten Einberufung zum Einsatz im Koreakrieg zuerst nach Prag, von wo er 1953 in die DDR übersiedelte.

In der DDR wurde Heym anfangs als heimgekehrter, antifaschistischer Emigrant privilegiert behandelt. Er lebte mit seiner Frau in einer vom Staat zur Verfügung gestellten Villa in Berlin-Grünau. Von 1953 bis 1956 arbeitete er an der "Berliner Zeitung" mit, danach hauptsächlich wieder als freier Schriftsteller. In den ersten Jahren seines DDR-Aufenthalts war der überzeugte Sozialist Heym durchaus bereit, das DDR-Regime mit seinen dezidiert sozialistischen Romanen und Erzählungen zu unterstützen. Heyms Werke, die er nach wie vor in englischer Sprache verfasste, erschienen in einem eigens für ihn gegründeten Verlag namens "Seven Seas Publishers" und erreichten in deutscher Übersetzung hohe Auflagen.

Zu Konflikten mit der Staatsführung der DDR kam es bereits ab 1956, als diese trotz Entstalinisierung die Veröffentlichung von "Fünf Tage im Juni", Heyms Buch über den Volksaufstand vom 17. Juni 1953, ablehnte. Die Spannungen verschärften sich ab 1965, als Erich Honecker Heym während des 11. Plenums der SED heftig angriff. 1969 wurde Heym wegen Devisenvergehens zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er den Roman "Lassalle" unerlaubt in der Bundesrepublik Deutschland veröffentlicht hatte. Dennoch war es ihm nach wie vor möglich, die DDR für Auslandsreisen zu verlassen (u.a. 1978 für einen zweimonatigen USA-Aufenthalt), und seine Bücher erschienen, wenn auch in kleineren Auflagen, weiterhin in der DDR.

1976 gehörte Heym zu den Unterzeichnern der Petition, mit der DDR-Autoren gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns protestierten. Von diesem Zeitpunkt an konnte Heym nur noch im Westen veröffentlichen; seine Werke verfasste er nunmehr nur noch in deutscher Sprache. 1979 wurde er ein zweites Mal wegen Verstoßes gegen das Devisengesetz der DDR verurteilt und aus dem Schriftstellerverband der DDR ausgeschlossen. Heym, der sich bereits 1982 für die deutsche Wiedervereinigung ausgesprochen hatte, unterstützte in den Achtzigerjahren die Bürgerrechtsbewegung in der DDR und hielt im Herbst 1989 mehrere Reden während der Ost-Berliner Demonstrationen. Nach der Wende wurde er im November 1989 wieder in den Schriftstellerverband der DDR aufgenommen und 1990 juristisch rehabilitiert.

In den Jahren nach der Wiedervereinigung äußerte sich Heym sehr kritisch über die seiner Meinung nach bestehende Benachteiligung der Ostdeutschen im Verlauf ihrer Integration in die Bundesrepublik Deutschland und beharrte auf einer sozialistischen Alternative zum nunmehr gesamtdeutschen Kapitalismus. 1992 war er Mitbegründer des "Komitees für Gerechtigkeit". Bei der Bundestagswahl 1994 kandidierte Heym als Parteiloser auf der offenen Liste der PDS und gewann ein Direktmandat in Berlin-Mitte/Prenzlauer-Berg. Er hielt im November 1994 als Alterspräsident die Eröffnungsrede zum 13. Deutschen Bundestag, legte jedoch bereits im Oktober 1995 sein Mandat aus Protest gegen eine geplante Verfassungsänderung im Zusammenhang mit der Erhöhung der Diäten für Bundestagsabgeordnete nieder. Im Jahre 1997 gehörte Heym zu den Unterzeichnern der "Erfurter Erklärung", in der ein rot-grünes Bündnis und eine Tolerierung der PDS nach der Bundestagswahl 1998 gefordert wurde. Heym starb während der Teilnahme an einem Heinrich-Heine-Symposium in Jerusalem.

Stefan Heym war Ehrendoktor der Universitäten Bern (seit 1990) und Cambridge (seit 1991) sowie Ehrenbürger der Stadt Chemnitz (seit 2001). Er erhielt u.a. 1953 den Heinrich-Mann-Preis, 1959 einen Nationalpreis 2. Klasse der DDR, 1993 den Jerusalem-Preis für Literatur und 2000 die Friedensmedaille der IPPNW.

Werke

Stefan Heym hat sich in seiner Werken - gerade wenn sie historische Themen behandeln - mit seiner Gegenwart kritisch auseinandergesetzt. Dies konnte er mit einer spannenden Handlung verbinden, weshalb viele seiner Werke zu Bestsellern wurden.

Werke in englischer Sprache

  • Nazis in U.S.A., New York 1938
  • Hostages, New York 1942 (Deutsche Übersetzung: Der Fall Glasenapp, Leipzig 1958)
  • Of smiling peace, Boston 1944
  • The crusaders, Boston 1948 (Deutsche Übersetzung: Kreuzfahrer von heute, Leipzig 1950
  • The eyes of reason, Boston 1951 (Deutsche Übersetzung: Die Augen der Vernunft, Leipzig 1955
  • Goldsborough, Leipzig 1953 (Deutsche Übersetzung: Goldsborough, Leipzig 1953)
  • The cannibals and other stories, Berlin 1958 (Deutsche Übersetzung: Die Kannibalen und andere Erzählungen, Leipzig 1953)
  • The cosmic age, New Delhi 1959 (Deutsche Übersetzung: Das kosmische Zeitalter, Berlin 1959)
  • Shadows and lights, London 1963 (Deutsche Übersetzung: Schatten und Licht, Leipzig 1960)
  • The Lenz papers, London 1964 (Deutsche Übersetzung: Die Papiere des Andreas Lenz, Leipzig 1963)
  • The architects (entstanden ca. 1963 - 1965, bisher unveröffentlicht; Deutsche Übersetzung: Die Architekten, München 2000)
  • Uncertain friend, London 1969 (Deutsche Übersetzung: Lassalle, München 1969)
  • The King-David-report, New York 1973 (Deutsche Übersetzung: Der König-David-Bericht, München 1972)
  • The Queen against Defoe, London 1975 (Deutsche Übersetzung: Die Schmähschrift oder Königin gegen Defoe, Zürich 1970)

Werke in deutscher Sprache

  • Tom Sawyers großes Abenteuer, Halle (Saale) 1953 (zusammen mit Hanus Burger)
  • Forschungsreise ins Herz der deutschen Arbeiterklasse, Berlin 1953
  • Reise ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten, Berlin 1954
  • Im Kopf - sauber, Leipzig 1955
  • Offen gesagt, Berlin 1957
  • Fünf Kandidaten, Berlin 1957
  • Casimir und Cymbelinchen, Berlin 1966
  • Fünf Tage im Juni, München 1974
  • Cymbelinchen oder der Ernst des Lebens, Gütersloh 1975
  • Das Wachsmuth-Syndrom, Berlin 1975
  • Erzählungen, Berlin 1976
  • Erich Hückniesel und das fortgesetzte Rotkäppchen, Berlin 1977
  • Die richtige Einstellung und andere Erzählungen, München 1977
  • Collin, München 1979
  • Der kleine König, der ein Kind kriegen mußte und andere neue Märchen für kluge Kinder, München 1979
  • Wege und Umwege, München 1980
  • Ahasver, München 1981
  • Atta Troll, München 1983
  • Nachdenken über Deutschland, Brüssel 1984 (zusammen mit Günter Grass)
  • Schwarzenberg, München 1984
  • Reden an den Feind, München 1986
  • Nachruf, München 1988
  • Meine Cousine, die Hexe und weitere Märchen für kluge Kinder, München 1989
  • Auf Sand gebaut, München 1990
  • Stalin verlässt den Raum, Leipzig 1990
  • Einmischung, München 1990
  • Filz, München 1992
  • Radek, München 1995
  • Der Winter unsers Missvergnügens, München 1996
  • Immer sind die Weiber weg und andere Weisheiten, Düsseldorf 1997
  • Pargfrider, München 1998
  • Stefan Heym im Gespräch mit Dirk Sager, Berlin 1999
  • Die Architekten, München 2000
  • Es gibt Ideen, die Jahrtausende überstehen, Winsen/Luhe [u.a.] 2001 (zusammen mit Michael Martens)
  • Immer sind die Männer schuld, München 2002
  • Offene Worte in eigener Sache, München 2003

Herausgeberschaft

  • Auskunft
    • 1. Neue Prosa aus der DDR, München [u.a.] 1974
    • 2. Neueste Prosa aus der DDR, München 1978
  • Die sanfte Revolution, Leipzig 1990 (zusammen mit Werner Heiduczek)

Übersetzungen

  • Mark Twain: König Leopolds Selbstgespräch, Berlin 1961

Hörbücher

  • Autorenlesungen:
    • Nachruf, 1 Audio-CD, 80 min, Random House Audio, Mai 2002, gekürzte Lesung, ISBN 3-89830-374-8
    • Die Architekten, 2 Audio-CDs, 100 min, Random House Audio, Juli 2000, gekürzte öffentliche Lesung des Autors mit einer Einleitung von Peter Hutchinson, ISBN 3-89830-103-6
    • Ahasver, 10 Audio-CDs, 790 min, Random House Audio, März 2001, ISBN 3-89830-199-0
    • Rette sich wer kann und andere Geschichten aus der Wendezeit, 1 Audio-CD, Eulenspiegel Verlag, März 2000, ISBN 3-359-01032-9
    • Wie es mit Rotkäppchen weiterging und andere Märchen für kluge Kinder, 1 CD-Audio, Eulenspiegel Verlag, März 2000, ISBN 3-359-01027-2
    • Die Schmähschrift oder Königin gegen Defoe, 2 Audio-CDs, Eulenspiegel Verlag, Oktober 2000, ISBN 3-359-01034-5
    • Das Wachsmuth-Syndrom und Die heilige Katharina, 1 Audio-CD, Eulenspiegel Verlag, 2001, ISBN 3-359-01045-0
    • Immer sind die Weiber weg und andere Weisheiten, 3 Audio-CDs, Marion von Schröder Verlag, Juli 2001
  • Lesungen:
    • Immer sind die Männer schuld, 2 Audio-CDs, 150 min, Random House Audio, März 2003, Gustl Weishappel (Sprecher), gekürzte Lesung, ISBN 3-89830-531-7
  • Hörspiele:
    • Der König David Bericht, 1 Audio--CD, 75 Minuten, Der Audio Verlag, März 2000, Sprecher: Christian Redl, Hilmar Thate, Rolf Hoppe u.a., Bearbeitung und Regie: Götz Fritsch, Produktion: Mitteldeutscher Rundfunk, ISBN 3-89813-065-7
    • The Crusaders: Der bittere Lorbeer / Kreuzfahrer von heute, 4 Audio-CDs, 300 min, Random House Audio, März 2004, ISBN 3-89830-678-X

Literatur

  • Beiträge zu einer Biographie, München 1973
  • Wort und Wahrheit, Neukirchen-Vluyn 1976
  • Reinhard Zachau: Stefan Heym in Amerika, Ann Arbor, Mich. 1978
  • Reinhard Zachau: Stefan Heym, München 1982
  • Hans-Peter Ecker: Poetisierung als Kritik, Tübingen 1987
  • Regina General und Wolfgang Sabath: Stefan Heym, Berlin 1994
  • Peter Hutchinson: Stefan Heym - Dissident auf Lebenszeit, Würzburg 1999
  • Herbert Krämer: Ein dreißigjähriger Krieg gegen ein Buch, Tübingen 1999
  • Anja Reuter: Die Frömmigkeit des Zweifels, Frankfurt am Main [u.a.] 2000
  • Marc Temme: Mythos als Gesellschaftskritik: Stefan Heyms "Ahasver", Berlin 2000
  • Meg Tait: Taking sides, Oxford [u.a.] 2001
  • Doris Lindner: "Schreiben für ein besseres Deutschland",Würzburg 2002
  • Hermann Gellermann: Stefan Heym: Judentum und Sozialismus, Berlin 2002
  • Peter Hutchinson (Hrsg.): Stefan Heym: socialist - dissenter - Jew, Oxford [u.a.] 2003
  • Regina U. Hahn: The democratic dream, Oxford [u.a.] 2003