Multikulturelle Gesellschaft
Als multikulturelle Gesellschaft bezeichnet man in der Soziologie eine Gesellschaft, in der Menschen unterschiedlicher Herkünfte, Nationalitäten, Sprachen, Religionen und Ethnien zusammenleben. Durch die kulturellen Unterschiede ergeben sich verschiedene Traditionen, Lebensstile und Vorstellungen von Werten und Ethik.
In Deutschland wurde der Begriff in der öffentlichen Diskussion um die Ausländerpolitik Ende der 1980er Jahre bekannt.
In der liberalen Politik verbindet man damit ein erstrebenswertes Ideal einer Gesellschaft, um Vorurteile, Diskriminierung und Fremdenhass abzubauen und dadurch ein friedvolles Zusammenleben zu fördern. In einem typischen Modell einer multikulturellen Gesellschaft wird eine Assimilation genauso wenig angestrebt wie verhindert; die Selbstbestimmung jeder Kultur wird nicht angetastet. Dabei beruht das Modell auf dem gegenseitigen Verständnis der beteiligten Menschen. Idealerweise sollte weder eine Gruppe dominieren, noch irgendeine Gruppe ausgeschlossen sein, was naturgemäß nur schwer realisierbar sein wird. Befürworter einer multikulturellen Gesellschaft argumentieren, dass die Migration von Völkern einen natürlichen Prozess darstellt, der im Verlauf der Geschichte beobachtet werden kann.
In der traditionell konservativen Politik und in der alten extremen Rechten wird die multikulturelle Gesellschaft - das Spottwort ist hier "Multikulti" - abgelehnt, da bei der Umsetzung ein durch die kulturellen Unterschiede bedingtes erhöhtes Konfliktpotential befürchtet wird. Sie scheuen dabei nicht davor zurück, Ängste mit dem vermeintliche "Unbekannten" zu schüren. Mit einer "toleranten Fremdenpolitik" würde eine Erhöhung der "Terrorismusgefährdung" bedeuten und eine "Gefahr für die innere Sicherheit" im "eigenen Land" bedeuten. Dazu zählt Samuel Huntington, der den Multikulturalismus als Ideologie globaler Eliten betrachtet und auf den "sozialen Sprengstoff" aufmerksam macht, "den Migration und Vielfalt für wohlhabende Gesellschaften bergen" könnte. Kosmopoliten wirft er dabei mangelnden "Wehrwillen" und "Vaterlandslosigkeit" vor. Mit einem "Kulturkampf von rechts" versuchen Vertreter der Neuen Rechten den "linken" Multikulturalismus auf die Grundlage eines neurechten Ethnopluralismus zu stellen. So führte 1991 Stefan Ulbrich in der Jungen Freiheit eine Seite "Ethnopluralismus" ein, die 1993 dann wieder in "Nationalitätenfragen" umbenannt wurde. Sein Sammelband "Multikultopia" gilt als Beispiel dafür, wie Autoren eines liberal-linken Multikulturalismus mit Vorstellungen rechtsextremen Autoren zusammenfinden können. Ruoff beschreibt an diesem Beispiel das Hegemoniekonzept der Neuen Rechten: "zum einen soll dem links-liberalen Publikum die naturalisierende Argumentation des Ethnopluralismus für ihre multikulturellen Konzepte nahegebracht werden zum anderen aber soll die Neue Rechte sich stärker auf die Kultur, anstatt auf die Kategorie Nation beziehen".
Da der Begriff Gesellschaft soziologisch durch Kulturen, wie auch durch Landesgrenzen , wird von vielen Gegnern des Multikulturalismus eine "Multikulturelle Gesellschaft" als Widerspruch in sich gesehen.
Siehe auch
Literatur
- Uli Sanwald, Stefan Stautner-Bhuruth: Am deutschen Multikulturalismus soll die Welt genesen, in Spiel ohne Grenzen. Verbrecher Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-935843-39-9
- jour fixe initiative berlin (Hg.): Fluchtlinien des Exils. Unrast Verlag, ISBN 3-89771-431-0
- jour fixe initiative berlin (Hg.): Wie wird man fremd? ISBN 3-89771-405-1
- Eva Kaewnetara, Hans Uske: Migration und Alter. Auf dem Weg zu einer kultur-kompetenten Altenarbeit. Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung, ISBN 3-927388-77-7
- Hito Steyerl, Encarnación Gutiérrez Rodríguez (Hg.): Spricht die Subalterne deutsch? Migration und postkoloniale Kritik. Unrast Verlag, ISBN 3-89771-425-6
- Stefan Ulbrich (Hrsg.): Multikultopia - Gedanken zur multikulturellen Gesellschaft, Arun-Verlag, 1991; ISBN: 3-927940-03-08
Weblinks
- http://www.multikulti1.de/ multikulturelles Internetportal
- www.multikulti.de Radio Multikulti (Empfang: Astra, Internet, Berliner Kabel / Antenne)
- Ernest Renans klassische Redeüber die Zusammensetzung einer Nation als Gesellschaft vor der Pariser Sorbonne
- http://www.multikultur.de/ Weiterführende Informationen
- Samuel Huntington zu Multikulturalismus