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Bedingungsloses Grundeinkommen

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Das Konzept Grundeinkommen beschreibt den Anspruch jedes Staatsbürgers auf Auszahlung eines monatlichen Grundgehalts, das einen minimalen Lebensstandard garantieren soll. Verwandte Begriffe sind Bürgergeld, Bürgergehalt, Existenzgeld, Sozialdividende und negative Einkommensteuer. Das Konzept wird in unterschiedlichen Ausprägungen von allen im deutschen Bundestag vertretenen Parteien diskutiert.

Durch ein garantiertes Grundeinkommen soll der Lebensunterhalt von der Notwendigkeit der Erwerbsarbeit abgekoppelt werden. Diese Entkopplung wird insbesondere vor dem Hintergrund der strukturellen Massenarbeitslosigkeit als notwendig erachtet, weil diese Massenarbeitslosigkeit in erster Linie als Folge der fortschreitenden Rationalisierungsdynamik betrachtet wird, so dass ein grundsätzlicher Abschied vom Ziel der Vollbeschäftigung als unvermeidlich erscheint. Durch ein Grundeinkommen soll daneben auch eine höhere Effizienz in der Mittelzuweisung erreicht werden. Als übergeordnetes Ziel wird zum einen die Respektierung der (Menschen-)Würde, zum anderen die Förderung der Autonomie der Staatsbürger angesehen, letzteres insbesondere bei einem bedingungslos an alle Staatsbürger gezahlten, zum Leben ausreichenden Grundeinkommen, das es der Autonomie der Staatsbürger überantwortet, ein sinnvolles Leben gegebenenfalls außerhalb der Erwerbssphäre zu führen.

Zur Finanzierung des „garantierten Grundeinkommens“ gibt es verschiedene Modelle. Die Vorstellungen über die Höhe des Grundeinkommen reichen vom Existenzminimum bis hin zu durchschnittlichem Lebensstandard.

Weitere positive Auswirkungen

  • Deutliche Entfesselung der kapitalistischen Wertschöpfung, die dadurch zustande kommen soll, dass Unternehmer angesichts der Existenz eines ausreichenden bedingungslosen Grundeinkommens von ihrer Verantwortung als Arbeitgeber weitgehend befreit sind und ohne schlechtes Gewissen Rationalisierungschancen radikal und offensiv ausnutzen können, auch wenn dies Entlassungen bedeutet.
  • Arbeitnehmer sind eher bereit, einen Arbeitsplatz aufzugeben und sich einen besser zu ihnen passenden zu suchen. Die Folge ist eine höhere Arbeitsmotivation und höhere Arbeitsproduktivität.
  • Ein Arbeitssuchender ist eher bereit, eine Tätigkeit mit niedrigerem Arbeitsentgelt anzutreten, weil
    1. sich sein Gesamteinkommen gegenüber der Arbeitslosigkeit in jedem Falle erheblich bessert und
    2. er keine Nachteile bei etwaiger erneuter Arbeitslosigkeit (Verringerung seiner Arbeitslosenbezüge) fürchten muss.
  • Die Möglichkeiten für Teilzeitarbeit würden sich erhöhen, was auch für die Geburtenraten positiv sein könnte.
  • Der Status der Arbeitslosigkeit als Stigma für die Betroffenen, das teilweise mangels finanzieller Möglichkeiten mit Ausgrenzung von der Teilhabe an der Gesellschaft und dem kulturellen Leben, aber oft auch mit persönlicher Mut- und Perspektivlosigkeit, und geringem Ansehen in der öffentlichen Meinung verbunden ist, verändert sich. Man definiert sich weniger über den Arbeitsplatz als über die Tätigkeiten, die man ausübt.
  • Erhöhter Anreiz für Unternehmen, Arbeitsplätze attraktiv zu gestalten.

Kritik am Modell

Finanzierbarkeit

Das steuerliche Existenzminimum beträgt heute (2005) 7.664 Euro im Jahr. Wenn man dieses Existenzminimum als Mindestgrundeinkommen ansetzt, ergibt sich für Kritiker ein Finanzierungsbedarf von 620 Mrd Euro im Jahr. Die gesamten Steuereinnahmen des Staats betragen aber derzeit nur rd. 450 Mrd. Euro. Kritiker haben deshalb erhebliche Zweifel an der Finanzierbarkeit des Modells. Diese Kritik geht davon aus, das gegenwärtige Steuermodell und alle anderen Rahmenbedingen (Arbeitslosen- und Rentenversicherung) beizubehalten.

Umverteilungseffekt

Geht man davon aus, dass die bisherigen Sozialsysteme vollständig durch das Grundeinkommen ersetzt werden, dann kann durch Anpassung des Steuersystems (Steuererhöhung) der erhöhte Bedarf ausgeglichen werden. Für den Durchschnittsverdiener ändert sich das Netto-Einkommen kaum, d.h. die Steuererhöhung und der Wegfall der nunmehr überflüssigen Versicherungsbeiträge und letztlich der unbedingte Bezug des Grundeinkommens heben sich gegenseitig weitgehend auf. Für Geringverdiener steigt das Nettoeinkommen und für Hochverdiener sinkt es. Es findet also auf jeden Fall eine Einkommensverschiebung statt.

Zitat

Wir leben heute in einem Einkaufsparadies, das heißt, unsere Fähigkeit, Güter und Dienstleistungen hervorzubringen, ist größer als die Bedürfnisse der Menschen. (...) Die Produktivität hat die Bedürfnisentwicklung längst überholt, wir haben gesättigte Märkte, und wir brauchen immer weniger Menschen um dieses Übermaß an Gütern zu produzieren. Jetzt ist der Moment gekommen, in dem wir uns vom Zwang der Arbeit befreien können. (...) Wenn aber die Menschen nicht mehr arbeiten müssen, weil Maschinen das zu einem immer größeren Teil erledigen - dann müssen wir sie eben mit Einkommen versorgen.

(Götz Werner, Gründer der Kette dm-drogerie markt, in der Zeitschrift brand eins im März 2005)

Siehe auch

Literatur

Siehe auch: Grundsicherung, Ulmer Modell, André Gorz