Zum Inhalt springen

LiquidFeedback

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 31. Oktober 2010 um 01:47 Uhr durch 78.52.103.119 (Diskussion). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

LiquidFeedback ist eine freie Software zur politischen Meinungsbildung und Entscheidungsfindung. Das wichtigste Merkmal ist die Umsetzung des Liquid-Democracy-Ansatzes, mit dem die Grenze zwischen repräsentativer und direkter Demokratie verwischt werden soll.

LiquidFeedback


Anregungsseite zu einer Initiative
Basisdaten

Entwickler Public Software Group e.V.
Aktuelle Version 1.2.3
Betriebssystem unabhängig
Programmier­sprache Lua / PL/pgSQL
Kategorie Meinungsbildung und Entscheidungsfindung über das Internet
Lizenz MIT/X11-Lizenz
deutschsprachig ja
http://liquidfeedback.org

Grundidee

LiquidFeedback ist als Hilfe für Parteien, Vereine und Initiativen gedacht, die das Internet zur Meinungsbildung nutzen wollen, insbesondere wenn die Zahl der Beteiligten zu groß wird, um dies in einem üblichen Forum zu gewährleisten. Zudem soll den Mitgliedern die Möglichkeit gegeben werden, eigene Initiativen voranzutreiben, und der Einfluss von Entscheidungshierarchien abgemildert werden. Die Software hat den Anspruch, stets ein demokratisches Abbild der Meinung abzugeben, welches nicht durch Hierarchien, Wissensunterschiede oder andere Einschränkungen verzerrt ist. Zudem stellt LiquidFeedback die Möglichkeit bereit, Hürden und Zeitabläufe für Initiativen zu bestimmen.

Benutzung

Die Bedienung von LiquidFeedback gestaltet sich komplex. Jeder Benutzer kann eigene Initiativen in verschiedenen Themenbereichen einbringen, die jedoch zuerst eine Schwelle von beispielsweise 10 % der dort beteiligten Benutzer als Unterstützer gewinnen müssen. Währenddessen können Vorschläge und Anregungen von anderen Nutzern gemacht werden, die der Antragssteller in seine Initiative miteinfließen lassen kann; es können aber auch konkurrierende Vorschläge gemacht werden. Hat eine Initiative die Unterstützung von mindestens diesen 10 % der Nutzer, wird sie nach einer Diskussionsphase „eingefroren“, das heißt es können keine neuen Vorschläge gemacht werden, um taktisch motivierten Änderungen vorzubeugen. Nach einer gewissen Zeit werden die verschiedenen Vorschläge zur Abstimmung nach einer modifizierten Version der Schulze-Methode gestellt.

Wichtig ist bei diesem Ablauf die Möglichkeit, Stimmen an andere Nutzer delegieren zu können, so dass manche Benutzer über mehr Gewicht verfügen als andere. Diese Delegationen sind jedoch jederzeit widerrufbar.

Die Systemdaten von LiquidFeedback sind für die Nutzer zwecks der Überprüfbarkeit stets zugänglich, nur die Daten laufender Abstimmungen werden verborgen, um taktisches Wählen zu vermeiden.

Geschichte

LiquidFeedback wurde ab Oktober 2009[1] auf Bestreben von Mitgliedern der Piratenpartei Deutschland entwickelt, da diese mit den vorhandenen Möglichkeiten zur innerparteilichen Meinungsbildung nicht zufrieden waren. Die Entwicklung verläuft jedoch unabhängig von der Partei und die Nutzung steht prinzipiell auch anderen Parteien und Verbänden offen.

Am 18. April 2010 wurde die stabile Version 1.0.0 veröffentlicht. Damit ist die Software freigegeben für die alltägliche Anwendung.[2]

Da das Interesse an LiquidFeedback und anderen interaktiven Demokratieformen sehr groß ist, hat die Public Software Group sich am 27. Juni 2010 entschieden diese Bereiche in einen eigenen Verein Interaktive Demokratie e.V auszulagern.[3]

Liquid Feedback wird derzeit von der Piratenpartei Deutschland, deren Landesverbänden, der Piratenpartei Brasilien und der Piratenpartei Schweiz[4] im Testbetrieb und zur Vorbereitung der Parteitage eingesetzt.

Medieninteresse

LiquidFeedback hat ein gewisses Medieninteresse hervorgerufen.[5] Von Seiten der Piratenpartei wird die Hoffnung geäußert, dass man mit der Software die Probleme der Basisdemokratie (siehe Ehernes Gesetz der Oligarchie) besser lösen kann, als dies bei den anderen Parteien geschehen ist.[6] Es besteht die Vermutung, dass das System Kompetenz statt Öffentlichkeitstauglichkeit belohnt.[7] Zudem wird die Resistenz des Systems gegen krasse Minderheitenmeinungen („Trolle“) gepriesen, da nur konstruktive Rückmeldung möglich ist.[8]

Technik

Das Frontend von LiquidFeedback ist in Lua geschrieben, das Backend in PL/pgSQL. Beide Teile werden von der Public Software Group e.V. entwickelt und stehen unter der MIT-Lizenz.[9]

Für LiquidFeedback steht eine API zur Verfügung, mit der externe Programme auf die Installation zugreifen können und so zusätzliche Dienste anbieten können.

Kritik an LiquidFeedback

Liquid Feedback ist als Abstimmtool auch bei seinen Anwendern nicht unumstritten. Bemängelt wird insbesondere der unzureichende Datenschutz; vor dem Hintergrund, dass die Software das Konzept verfolgt, jede Aussage und jede Stimme auch nachträglich einer Person zuordnen zu können. [10]

Das System wird oft mit einem Wahlcomputer verglichen.[11] Dies liegt unter anderem daran, dass das Fernziel des Projektes ist, dass alle Abstimmungen, an denen der an der Politik teilnehmende Bürger sonst indirekt über Wahlen teil nimmt, in Zukunft mit einem solchen Liquid-Democracy-Werkzeug erfolgen sollen. In diesem Zusammenhang wird das System als untauglich im Sinne eines Wahlcomputers angesehen. Dabei werden unter anderem die klassischen Argumente angeführt, die gegen Wahlcomputer sprechen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass sich durch LiquidFeedback Machtstrukturen bilden können, die Entscheidungen vorbestimmen können. Für Befürworter des Systems ist dies ein gewünschter Effekt.

Ein weiterer Kritikpunkt dreht sich um die Benutzung des Systems an sich. Insbesondere der Umgang mit dem System muss erlernt werden, um die angebotenen Möglichkeiten korrekt zu nutzen. Vielen Nutzer vermissen dabei weitere Funktionen und Optionen.

Auch das Vorgehen bei der Entwicklung und die Art und Weise der Einführung des Systems in der Piratenpartei wird von vielen Mitgliedern stark bemängelt und führte zu kontroversen Diskussionen, so dass der Vorsitzende Jens Seipenbusch gar eine Spaltung der Partei befürchtete.[12]

Es wird bemängelt, die Auswirkungen eines solchen Systems seien nicht ausreichend wissenschaftlich untersucht bzw. kommuniziert. Insbesondere werden hier genannt: Effekte durch Delegation, Effekte durch Öffentlichkeit (keine anonyme/geheime Teilnahme), keine Moderation, u. a.

Es wird bemängelt, dass der Minderheitenschutz im System nicht gegeben ist. Systembefürworter stellen dies als besonderes, positives Merkmal heraus und argumentieren mit dem Schutz des Systems vor „Trollen“.[13]

Referenzen

  1. http://liquidfeedback.org/mission/
  2. http://liquidfeedback.org/2010/04/18/core-stable-offentlicher-lesezugriff-und-programmierschnittstelle/
  3. http://liquidfeedback.org/2010/06/27/entwickler-grunden-interaktive-demokratie-e-v/
  4. http://liquidfeedback.org/anwender/
  5. http://liquidfeedback.org/medienecho/
  6. http://web.piratenpartei.de/Pressemitteilung-100516-Revolution-der-innerparteilichen-Demokratie
  7. http://www.heise.de/newsticker/meldung/Im-Internet-mehr-Demokratie-wagen-1051345.html
  8. http://klabautercast.de/2010/03/29/folge-6-liquid-democracy/
  9. http://liquidfeedback.org/projekt/
  10. Spiegel.de: Piraten streiten über Demokratie-Wunderwaffe, 6. August 2010
  11. http://flaschenpost.piratenpartei.de/2010/08/03/liquid-feedback-fur-dummies-teil-ii-datenschutz/
  12. http://vorstand.piratenpartei.de/2010/08/06/protokoll-der-vorstandssitzung-2010-08-05/#Beauftragungen_fr_LF
  13. http://klabautercast.de/2010/03/29/folge-6-liquid-democracy/